Rasur ohne Nass [Trockenrasur mit Hobel]

Begonnen von Drei, 10. Oktober 2009, 17:40:28

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Drei

Eine Rasur wird im gerne und mit Lust versucht auszudehnen. Doch was ist die Minimalausführung einer Rasur? Als das Wesentliche an der Situation identifiziere ich die Klinge. Alles andere kann eigentlich weggelassen werden, als da wären Pinsel, Seife, Einweichen und damit auch das Nass. Übrig bleibt die Rasur. Da meine Versuche nur mit einer DE-Klinge bewaffnet den Kampf wider den Stoppeln aufzunehmen, wegen Problemen mit der Handhaltung scheitern und die Schärfe meiner Messer mir heilig ist, versuche ich es zunächst mit Klinge und Hobel.

Vorversuch am Bein. 23R mit Cerrus. Unerwünschte Folgen: eingewachsene Haare sorgen für Beulen, die sich langsam mit Eiter füllen und einen schier unerträglichen Juckreiz erzeugen. Ein Massageschwamm verschafft langsam Linderung, schließlich Abhilfe. Um solche Unanehmlichkeiten im Gesicht von vorneherein auszuschließen, entscheide ich mich bei der Klingenwahl für die Feather. Nur keine halben Sachen, nicht eingeweichtes Barthaar ist bekanntlich recht widerborstig. 05:30 Uhr, Klinge eingelegt, ein letzter Blick in den Spiegel. Warum macht der Mann das?
Am Ansatz des Zuges entsteht ein deutliches Losbrechmoment. Erst biegt sich die Klinge durch, dann schneidet sie. Die Zug selbst ist rauh, aber nicht schmerzhaft, zumindest der mit dem Strich. Hier der Vergleich, linke Gesichtshälfte rasiert, rechte noch nicht:


Der Hobel wird nicht abgespült sondern abgeklopft, der Abschnitt fällt locker zusammen mit Hautschuppen ins Waschbecken. Gegen den Strich wirds dann doch unangenehm, vor allem am Hals. Das Waschbecken bietet einen ungewohnten Anblick. Statt Wassertropfen und Seifenresten dies hier:

Genaugenommen überall Stoppeln, wo ich mich im Bad bewegt habe.
Der Hals fühlt sich an, als hätte ich mich mit Schleifpapier rasiert. Das Auftragen eines klassischen RS verwerfe ich . Erstens lechzt das geschundene Gesicht nach Feuchtigkeit und zweitens befürchte ich einen drastischen Rasurbrand.

Das l'Occitane Cade ASB beruhigt die Haut wieder. Das Gefühl nach der Rasur ist unsauber, aufgerauht, wund, einfach beschissen. Außerdem kommt es zu optischen GAUs. An den Wangen bildet sich ein feiner Pickelteppich. Also beschert uns die Seife der klassischen Rasur nicht nur gute Gleiteigenschaften, Einweichen, Duft, ein angenehmes Gefühl, ein weites Experimentierfeld, eine Wissenschaft für sich, sondern auch ein alkalisches Millieu, das die Bildung von Bakterien eindämmt. RS/RC + AS ist also ein unschlagbares Team bei der Hygienewertung.

Rasur ohne Nass, nicht empfehlenswert.

kretzsche

Danke für den Selbstversuch! Hier wird selbstlos alles getestet und bewiesen, genial.

Nächster Testlauf, kaltes Wasser und Spüli... ;)

Uwe

Nikita

Man kann auf dem Bild schön sehen, wie sich auf der rasierten Seite die "Krater" bilden. Das tut beim Hinsehen schon weh. Wie kommt man auf einem Samstag um 5:30 auf solche Gedanken?  ;D
Danke für den anschaulichen Bericht. ;)
Calani-Seifenmanufaktur

Gillette

Echte Forscher machen immer Selbstversuche!
Ich hätte mich nicht getraut, mich trocken mit der Klinge zu rasieren. Danke für den Bericht!
Gute Besserung!


Begleitende Gedanken beim Lesen des Artikels: Samstag um 5:30 Uhr. Muß der sich nicht ausruhen?
Das Seminar über Zeitreisen findet vor zwei Wochen statt.

Lord Vader

Zitat von: Drei am 10. Oktober 2009, 17:40:28

Am Ansatz des Zuges entsteht ein deutliches Losbrechmoment. Erst biegt sich die Klinge durch, dann schneidet sie. Die Zug selbst ist rauh, aber nicht schmerzhaft, zumindest der mit dem Strich.

vielen dank für den aufopferungsvollen selbstversuch. manchmal muss das forschertum auch opfer bringen.

ich habe auch mal trockenübungen gemacht und mal einen kurzen zug probiert ohne seife etc. das von dir beschriebene losbrechmoment habe ich auch kennen gelernt. mich hat es damals abgeschreckt, da ich beim zurückschnacken der klinge eine böse verletzung erwartet habe.

mit dem messer ist das noch ein wenig heftiger, da will die klinge jeden moment umklappen und verharkt sich extem gerne. hab aber auch da nie den mut aufgebracht, wirklich mal richtig durchzuziehen. waren immer nur ein paar ganz vorsichtige millimeter.

allerdings hast du mit deinem versuch meine sich bildende meinung bestätigt. ein neuer trend wird damit wohl kaum geboren werden.

lg

lord vader

Lord Vader

Zitat von: Drei am 10. Oktober 2009, 17:40:28
Übrig bleibt die Rasur. Da meine Versuche nur mit einer DE-Klinge bewaffnet den Kampf wider den Stoppeln aufzunehmen, wegen Problemen mit der Handhaltung scheitern....

dabei fällt mir ein, hatte nicht jemand (henning!?) einen bericht aus indien oder pakistan oder so geschrieben, indem er von männern, die sich nur mit einer DE-Klinge, also ohne hobel, seife, wasser etc. am straßenrand rasiert haben. in dem land war es absolut verpönt, unrasiert auf die straße zu gehen, weshalb sich da auch die ärmsten der armen irgendwie des bartes entledigten. vielleicht findet ja wer diesen bericht und kann an dieser stelle noch ein paar details nennen. ich kann jedoch nicht ausschließen, dass ich das im NRF gelesen habe.

@drei, dir noch gute besserung!

lg

lord vader

Eugen Neter

Na endlich haben wir den alten Drei wieder - selbstlos, mutig und immer die Speerspitze des Fortschritts! Schöner Bericht!

TomH

Moin!

Cool..., aber... :o :o...
Das Gefühl an den Halsseiten kann ich mir sehr bildlich vorstellen und da schaudert's mich ganz gewaltig.

Ich kann mir auch nicht vorstellen eine Rasur nur mit RÖ durchzuführen, irgendwie fehlt da was...

herzi

Das Gute dabei ist aber, daß man nach Der Rasur einen frischen Drahtbarthaartee bereiten kann. Rasierseifenaroma verfälscht dabei immer so ;D ;D

Danke Drei. Naxwamdis ;)
Gruß,
Stefan

Wolfgang

Hier im Forum gedenkt man dem 1000. User einen Präsentkorb zu überreichen. Eigentlich eine nette Idee. Wer aber kommt schon auf die Idee, jemandem wie Drei einen Geschenkkorb zu schicken aufgrund solch selbstloser, der Rasurwissenschaft verpflichteter Selbstversuche  dh: :D
"Die Essenz der Dummheit ist nicht das Nichtwissen, sondern das Nichtwissenwollen."
(Roland Baader, 1940-2012)

TomH

Zitat von: Wolfgang am 15. Oktober 2009, 13:28:57
(...) Wer aber kommt schon auf die Idee, jemandem wie Drei einen Geschenkkorb zu schicken aufgrund solch selbstloser, der Rasurwissenschaft verpflichteter Selbstversuche  dh: :D

Wahrscheinlich niemand, weil alle denken, dass "Drei" ja jetzt sowieso weder RS noch Rc benötigt und eh alles in's Wanderpäckchen/-paket steckt... :P ;D

Man(n) könnte natürlich über einen "Fresskorb" nachdenken, mit reichhaltiger Bestückung... ;) ;)

Gillette

Statt Fresskorb vielleicht besser einen Verbandskasten, Antibiotika und für alle Fälle: Einen Gutschein für eine Narbenentfernung... .... ;D
Das Seminar über Zeitreisen findet vor zwei Wochen statt.

TomH

Zitat von: Gillette am 16. Oktober 2009, 12:38:36
(...)Gutschein für eine Narbenentfernung... .... ;D

Is' nich nötig, kann man ggf. auch "wegdremeln"... ;)

Auf jeden Fall ist unser Drei extremst experimentierfreudig und dafür haben wir ihn besonders gern, gelle Männer...und Frauen natülich...

henning

Mensch Drei, Du bist echt der härteste. Keiner macht so selbstlose Selbstversuche wie Du. Das erkenne ich unbedingt an.

Ciao

Drei

Ohne Einweichen heißt kein Schaum, keine Seife oder Brushless, kein Gesicht waschen, kein Wasser, nicht mal die Zähne putzen vor der Rasur, sonst könnten ja die Stoppeln rund um den Mund weicher werden.

Nachdem ich mich von der Trockenrasur mit dem Hobel gut erholt habe habe, wird die Angelegenheit nun gesteigert. Mit von der Partie sind diesmal eine Vanta RA111 mit frisch eingelegter Astra Super Platinum, ein Morgengesicht und eine ordentliche Portion Unbefangenheit. Was ist vorher zu beachten? Nichts.

Erster Ansatz Kotelette rechts. Die Klinge versucht sich durch den ungewohnten Widerstand aufzustellen, deshalb muss ich sie flacher als üblich halten. Kein Druck, diese Maxime gilt nicht mehr, es muss aufgedrückt werden. Ziept, aber es geht. Schlimm ist nur, den Anfangswiderstand zu überwinden. Die Haut muss deutlich straffer gehalten werden als sonst. Ungewohnt ist, dass ich bei jedem Zug fühle, wie die Stoppeln auf die andere Hand rieseln.

Nächster kritischer Punkt: der Hals. Starkes Straffen, für eine Rasur mit Schaum wäre das zu straff, aber heute verhindert es das Aufstauen loser Haut und die damit verbundene Verletzungsgefahr. Der Schmerz ist wider erwarten gering. Während einer kurzen Pause ein ungewohntes Bild: Auf der Klinge sieht man die Hautfetzen, die zusammen mit  den Stoppeln abgeschert wurden. Ich bin sicher, das ist immer so, normalerweise verschwindet das Gemenge im Schaum oder der Hobel verdeckt milde das üble Schauspiel. Geheiligt sei die Kopfplatte.

Kinn: schmerzhaft. Das liegt zum Einen an den härteren Stoppeln und zum Anderen daran, dass unter ungewohnt hohem Druck bei hoher Zuggeschwindigkeit der Klingenwinkel permanent angepasst werden muss. Das dies nicht immer gelingt, ist eine eher euphemistische Umschreibung. Eigentlich funktioniert es überhaupt nicht. Ich muss mehrfach ansetzen. Jedem Überwinden des Anfangswiderstandes geht ein Überwinden des inneren Schweinehundes voraus. Trotz allem Ignorierens der körpereigenen Warnsignale ist das Kinn nicht schön glatt sondern eher grob geschnitzt. Andersherum zeigt es, wie wichtig eine richtig scharfer Schnitt ist. Denn nur dann kann die Zuggeschwindigkeit gesenkt und so die Kontrolle über den Rasierer erhöht werden.

Es geht schlimmer: unter der Nase. Die Stoppeln sind dort noch fester, zudem laufen an der Stelle diverse Nervenenden. Und noch schlimmer, da wo der imaginäre Schnauzer rasiert wird: Da ich mir nicht in die Lippe hacken möchte, rasiere ich mit leicht geöffnetem Mund. Die Fläche verläuft von konvex zu leicht konkav, Klingenrichtung Unterlippe. Der Zug muss also enden, bevor die Unterlippe erreicht ist. Mit Schaum ist es kein Problem, der Rasierer beschreibt eine Kurve und geht ansatzlos seitlich zum Kinn über. Ohne Einweichen gibts keine Kurve. Ich bin froh, dass ich überhaupt einen geraden Zug hinbekomme. Bei kaum kalkulierbarem Anfangswiderstand und hoher Zuggeschwindigkeit ein nervenaufreibendes Unterfangen. Auf der Seite der Rasurhand gelingt es dennoch, mit der Rückhand, nicht.

Auf eine Rasur gegen den Strich verzichte ich.

Das Gesicht fühlt sich an, wie frisch mit 250er Schmirgelpapier abgerieben. Damit ich nicht ganz so gerupft aussehe, links stehen noch Schnauzerstoppeln, schäume ich das Gesicht ein und arbeite mit dem 25c und einer Bolzano nach. Allein der Schaum der hjm Aloe Vera brennt, was er sonst nicht tut.
Der Schuß Edel45 danach ist fast harmlos, eigentlich betäubt er eher, zu gestresst ist die Gesichtshaut.

Die trockene Hobelrasur im Vergleich war geradezu ein Vergnügen. Ich vermute, dass die unter Vorspannung eingelegte Klinge im Hobel eine stabilere Klingenlinie aufweist, als die in gerader Linie in der Vanta liegende. Vielleicht war die Feather auch einen Tick besser geeignet als die ASP.

Das Helle zwischen den dunklen Stoppeln: Haut.


ungewohnter Anblick: leise rieseln die Stoppeln


Zweimal Überrasiert: rote Stelle folgt