Caron, ein französisches Rasiermesser deutschen Ursprungs

Begonnen von Standlinie, 02. Oktober 2018, 19:12:35

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Standlinie

5/8 Caron

Vor gut zwei Jahren habe ich dieses Rasiermesser in einem Antiquitätengeschäft im Oberhausener Hauptbahnhof erstanden. Kaufentscheidend war für mich der recht gute Erhaltungszustand der Heftschalen aus Horn. Ich wollte sie für ein anderes Rasiermesser verwenden. Die Klinge selbst hatte mein Interesse gar nicht geweckt, ganz im Gegenteil, denn sie war – wie auf den Abbildungen 1 und 2 deutlich zu erkennen – vom Zustand her sehr abgenutzt und wies erhebliche Schleif- und Bearbeitungsspuren auf. Der Spaß kostete mich deshalb auch nur zwei Euro.




Abbildung 1:  Ein altes und abgenutztes französisches Rasiermesser der Marke Caron.




Abbildung 2:  Die Ansicht des französischen Rasiermessers von der rechten Seite her.


Der vorhandene Zustand des Caron-Rasiermessers weist auf eine sehr lange Gebrauchsdauer hin. Die Klinge wird sehr oft zur Wiederherstellung der Rasurschärfe abgezogen worden sein. Deutliche Spuren eines Stein- und Lederabzuges sind auf dem gesamten Klingenkörper zu finden und haben deshalb die ursprüngliche Klingengröße mit der Zeit verkleinert. Die Klinge wird vom Erl aus gesehen zum Kopf sichtbar schmaler. Die Abbildung 3 zeigt deshalb eine Klingengröße, die jetzt nur noch zwischen 5/8 und 11/16 liegt. Die ursprüngliche Klingengröße könnte dabei ursprünglich einmal bei 6/8 gelegen haben. Die vorhandenen Schleifspuren, die nicht mehr vollständig erhaltene französische Kopfform und der innerhalb der Heftschalen vorhandene Platz sprechen für diese Klingengröße.




Abbildung 3:  Langjährige Nutzung hat die Größe der Klinge auf nur noch gut 5/8 reduziert.


Die Abbildung 4 zeigt weitere Details zu diesem Rasiermesser. Einmal die Markenbezeichnung Caron auf der linken Seite des Erls und dann noch ein weiterer in den Klingenkörper eingeschlagener Hinweis zur Herkunft: ,,Importé d´Allemagne". Das vollständige Rasiermesser oder vielleicht auch nur seine Rasiermesserklinge stammt aus Deutschland, es wurde also dort hergestellt – möglicherweise sogar in Solingen – und dann nach Frankreich exportiert. Möglicherweise hat es auch erst in Frankreich seine Heftschalen aus dunklem Horn erhalten.
Ebenfalls sind auf dem Klingenkörper deutlich sichtbare Schleif- oder Polierspuren erkennbar. Ursprünglich hat sogar eine Hohlung vorgelegen. Die Schleif- und Polierprozesse in der Vergangenheit haben diese Tatsache aber noch nicht vollständig beseitigen können. Am Klingenkopf ist diese ursprünglich vorhandene Hohlung inzwischen weggefallen. Ein weiteres Detail ist in der Abbildung 5 im Bereich der Facette des Rasiermessers zu erkennen. Die Flanke steht im Bereich der Facette etwas über. Die Klinge könnte also ursprünglich sogar einen kleinen Wall gehabt haben.




Abbildung 4:  Vergrößerter Ausschnitt der linken Seite der Rasiermesserklinge.




Abbildung 5:  Vergrößerter Ausschnitt der rechten Seite der Rasiermesserklinge.


Auf der rechten Seite des Erls (siehe Abbildung 6) wurden eine Zahl und ein mir nicht näher bekanntes Zeichen zu einem möglichen Hersteller eingeschlagen. Das Zeichen zeigt eine auf zwei Böcken gelagerte Welle, auf der sich ein runder Gegenstand (Schleifstein?) befindet und die über eine Transmission angetrieben wird. Trotz einiger Recherchen konnte ich keine Hinweise finden, welcher Hersteller dieses Zeichen als sein Herstellzeichen ausgewählt haben könnte.




Abbildung 6:  Ansicht der rechten Erlseite des Caron-Rasiermessers.




Abbildung 7:  Ansicht der an der Unterseite des Erls vorhandenen Serierung.


An der Unterseite des Erls ist das Caron-Rasiermesser sehr fein seriert.




Abbildung 8:  Die Gestaltung des Rasiermesserkopfes des Caron-Rasiermessers.


Ein weiteres Detail gibt der Klingenkopf des Caron-Rasiermessers wieder. Die Abbildung 8 zeigt den Rasiermesserkopf. Obwohl die Klingenspitze erheblich verkleinert wurde, ist immer noch ein wenig von der ursprünglichen Eleganz dieses Rasiermessers erhalten geblieben.

Und mit zunehmender Beschäftigung gerade mit diesem schon sehr abgenutzten Rasiermesser habe ich mich für diese ursprünglich wohl sehr schöne deutsch-französische Schönheit erwärmen können. Ich habe das Caron-Rasiermesser daraufhin auf meinen Steinen abgezogen. Und auch in ihrem abgenutzten Zustand rasiert mich mein Caron ausgezeichnet und überaus zufriedenstellend.

Die technischen Daten des Caron-Rasiermessers habe ich in der nachfolgenden Tabelle zusammengefasst.


  Modellbezeichnung:  Caron
  Herkunft:  Deutschland
  Hersteller:  unbekannt, Rasiermesser wurde für den Export nach Frankreich hergestellt
  Herstelljahr:  nicht genau festzulegen, vielleicht 50er Jahren des zurückliegenden Jahrhunderts
  Klingengröße:  5/8, früher größer, möglicherweise 6/8
  Kopfform:  französischer Kopf
  Besonderheiten:  spezielle Kennzeichnung (Herstellerpunze?) auf der rechten Erlseite
  Hohlung:  eine eher derbe Klinge, obwohl Spuren einer früheren Hohlung sichtbar sind
  Serierung:  sehr fein ausgeführt und nur an der Unterseite des Erls
  Werkstoff:  Klinge aus Kohlenstoffstahl; Heftschalen aus schwarzem Horn
  Gewicht:  55 gr.
  Zustand:  sehr abgenutzter Zustand
  Führigkeit:  das Rasiermesser liegt ausgewogen in der Hand
Die Nachhaltigkeit einer gründlichen Nassrasur zeigt sich 24 Stunden später an nur gering und gleichmäßig nachgewachsenen Bartstoppeln.

Tim Buktu

Könnte es nicht sein, dass hier jemand versucht hat nachträglich eine Hohlung anzubringen?
Tranquilo - In der Ruhe liegt die Kraft...

PS: Alles nur meine persönliche Meinung, die sich durchaus beeinflussen lässt und sich deshalb gelegentlich auch ändert!

Lu-Ku

Zitat von: Tim Buktu am 02. Oktober 2018, 20:52:21
Könnte es nicht sein, dass hier jemand versucht hat nachträglich eine Hohlung anzubringen?

genau das hab ich mir auch sofort gedacht. Und bin mir ziemlich sicher, dass es so ist.
Das schönste aller Geheimnisse: ein Genie zu sein und es als einziger zu wissen. (Mark Twain)

DeSchulz

Ein wunderschönes Messer. Gerade wenn die Messer abgenutzt und abgeschliffen sind, gefallen sie mir besonders gut. Dann erst erzählen sie eine Geschichte.
Gruß aus der Pfalz

Standlinie

und hier kommt noch eine Information von Jazzmaster aus dem Nachbarforum zu diesem Rasiermesser:


Die Nachhaltigkeit einer gründlichen Nassrasur zeigt sich 24 Stunden später an nur gering und gleichmäßig nachgewachsenen Bartstoppeln.