Spionage bei italienischen Barbieren

[Onkel Hannes]

Nachdem ich derzeit wieder bis auf weiteres in Italien unterwegs bin, habe ich mal, wenn Zeit und Muße war, bei italienischen Friseuren vorbeigeschaut, nach den Preisen für eine Rasur gefragt, und vor allem geschaut, was sie denn verwenden. Ab und zu habe ich auch einen in ein kurzes Gespräch verwickelt, wenn sich Gelegenheit dazu ergab; zweimal habe ich mich dann rasieren lassen.

Hintergrund war vor allem, daß es in letzter Zeit mehrere Aussagen gab, daß italienische Barbieri dies und jenes verwendeten. Dem wollte ich auf den Grund gehen, und mir bei Gefallen auch eine Rasur verpassen lassen - auch wenn das für mich ein Luxus ist, den ich mir aufgrund anderer freiwilliger und unfreiwilliger Ausgaben nicht allzu oft leisten werde.

Durchgeführt habe ich diese nicht repräsentative "Erhebung" in verschiedenen Kleinstädtchen Mittelitalens, sowie Florenz, Perugia und Rom.


Alle reinen Barbieri bieten die Naßrasur noch an, Friseure hingegen kaum. Die Nachfrage nach der Rasur läßt stetig nach, keiner ist mehr bereit, noch groß Material auf Lager zu legen. Meist besteht die Kundschaft aus Rentnern, die seit Jahrzehnten Stammkunden sind. Allerdings kommen ab und zu auch Jünglinge, die eine spezielle Bartform haben wollen, diese aber selber nicht hinbekommen. Kommt das Bärtchen dann aus der Mode, was schnell gehen kann, ist es wieder vorbei.

Die Rasur allein kostet fast durchgängig um die 7 Euro, in Großstädten auch mal 8 oder 9. Bei manchen gibt es Nachlaß auf 5 Euro, wenn man sich auch die Haare schneiden läßt, oder regelmäßig kommt.

Die Liste der verwendeten Materialien ist sehr kurz und sehr homogen:

Messer:
Ausschließlich Shavette, Billigmodelle mit Kunststoffgriff um 10-12 Euro; fast ausschließlich Klingen der Marke Elios. Einer hatte Derby.

Pinsel:
Fast ausschließlich Omega Pinsel No. 48 Professional, ganz selten steht mal ein Omega-Proraso No. 83 im Verkaufsregal und wird dann wohl vermutlich auch für die Rasur verwendet. Einer hatte zusätzlich einen kurzen Omega-Pinsel mit schwarz/transparentem Griff, den er allerdings nicht zur Rasur, sondern zum Anfeuchten der Haut beim ausrasieren von Nacken, Koteletten und Ohren verwendet. Keiner verwendet Dachs, keiner einen Omega mit Holzgriff.

Rasierseife/Rasiercreme:
Proraso: grüner Supermarkttiegel, großer Topf (500ml?) oder 500ml-Tube RC. Nur einer verwendet noch P.160, bekommt aber keine mehr und wird dann ebenfalls auf Proraso umsteigen. P.160 kennen alle und verwendeten früher fast alle, keiner aber hat sie mehr; nur einer hat noch eine versiegende Quelle für die P.160 duro, mag diese aber nicht und verwendet stattdessen ebenfalls Proraso. Den Umstieg von P.160 auf Proraso hat nur selten ein Kunde wahrgenommen; den meisten ist es egal.
Fast alle kennen die Figaro, keiner verwendet sie. Nur wenige kennen die Valobra (einer verwendet eine geschenkte Packung ab und zu für sich selbst), kaum einer die Cella.

Einer hatte zusätzlich zur Proraso eine Tube Gillette RC, falls ein Kunde mal kein Menthol mag. Keiner verwendet Palmolive RC, weder die Mentolo noch die Classica Naturale. Wird offensichtlich, wie auch die Figaro, als Supermarkt-Produkt -für die heimische Rasur, nicht aber für den Profi- wahrgenommen. Offensichtlich eine Image-Sache, obwohl es Proraso ebenfalls in jedem Supermarkt zu kaufen gibt.

Selten stehen mal noch Produkte von "Sul filo del rasoio" im Verkaufsregal, was eine Edel-Zweitmarke von Proraso zu sein scheint.

Aftershave:
Ausschließlich Floid orange, Flasche mit Sprühaufsatz. Einige haben auch das blaue, aber nur zum Verkauf. Proraso-AS ist den meisten zu teuer, außerdem wollen die meisten Kunden das Floid, weil sie es eben seit Jahrzehnten gewohnt sind.


Ich habe zu den beiden Rasuren (beide zufriedenstellend verlaufen) dann jeweils meine eigene Tube Speick RC mitgebracht, weil ich Proraso nicht ausstehen kann. Beide waren neugierig, aber letztendlich nicht besonders angetan davon. Einer hat sie sich sogar selbst ins Gesicht geschmiert und einen kurzen Strich versucht.
Auf das Floid habe ich jeweils verzichtet, weil ich den Duft nicht mag.

Hannes

[Il Barbiere AiA]

Schöner Bericht, Hannes.

Die gleichen Erfahrungen habe ich auch mit meinen Landsmännern, wobei ich wirklich immer nur Proraso als RS oder RC sah, und zum Schluss kam immer Floid the Genuine drauf. Mir ist es recht, da ich Floid und Proraso mag. Als Pinsel benutzten die meisten bei mir tatsächlich den Proraso&Omega.
Als Rasurwerkzeug kamen bei mir Noname-Shavettes zum Einsatz, meist mit Elios- oder Bolzano Superinox-Klingen geladen.
Nie benutzte einer die italienische Vanta.

Zum Heimaturlaub gehört für mich eine Rasur beim Barbiere dazu. Meistens vor der Rückreise, manchmal aber auch gleich am ersten oder zweiten Tag UND kurz vor der Rückfahrt.

Gruß,
il Barbiere

[Onkel Hannes]

Ja, das habe ich nicht ganz ausdrücklich geschrieben: auch ich habe ausschließlich Proraso RS/RC gesehen, bis auf die eine P.160 und die Tube Gillette RC als Alternative zur Proraso, tief in einer Schublade versteckt. Der Eigner mußte sie erst suchen, und hat sie mir dann ganz stolz gezeigt.

[Lord Vader]

Sehr schöner und interessanter bericht. Hoffentlich komme ich bald auch mal wieder nach Italien.

[Lu-Ku]

danke für deinen Bericht, sehr interessant

[Celli]

super bericht, hannes !!  genauso ist´s.
in der gegend um rimini verwenden einige barbiere allerdings doch noch die P160 - aber wie lange noch?
ich bin ein fan der P160, beschert mir die besten, glattesten rasuren. für mich sogar noch einen tick besser als die i coloniali mango. bei der pflege danach hat die IC allerdings
die nase etwas vorne - mir egal, nach verwendung eines guten AS.

[metus]

Hallo,

vor 2 Jahren war ich das letzte mal bei einem italienischen Barbier für eine angenehme Nassrasur: Shavette, Borste, Floid orange wie gehabt... aber "mein" Barbier hat die Rasierseife "Tcheon Fung Sing" verwendet. Von seinem Kiloblock hatte er mir damals ca. 100 Gramm abgebrochen und geschenkt   Diese feine RS verwende ich immer noch sehr gerne.

Grüsse, Thomas