Hamburger Art vs. Solinger Hohlschliff

Begonnen von UbuRoy, 05. Juni 2008, 13:25:10

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UbuRoy

Soweit ich weiss gab es zwei sehr verbreitete Arten des Rasiermesserhohlschliffs. Einmal nach Art der Solinger, mit Ortspohn (Solinger platt, sowas wie ein Buchenholzspan der irgendwie offenbar mit den Knien beim Hohlschliff verwendet wurde) und Kniearbeit bzw. Ganzkörpereinsatz und die Hamburger Art, vermutlich Messer namens Hamburger Ring.

Ich habe mal versucht, Unterschiede (optisch oder bei der Rasur) zwischen diesen unterschiedlichen Messern zu erkennen, aber keine Chance.

Unterschied bei den beiden Arten des Hohlschliffs ist wohl in erster Linie, das die Solinger Art extrem schwer und mindestens über 5 Jahre (Lehrzeit) und länger zu erlernen sei. Viele Lehrlinge und auch Gesellen sind wohl daran gescheitert und mussten den Beruf mangels Erfolg wechseln.

Bei der "Hamburger Art" wird nicht mit den Knien gearbeitet, sie ist wohl leichter zu erlernen, wobei das unbedingt relativ zu sehen ist. Auch hier sind viele Jahre Erfahrung nötig.

Leider sind beide Verfahren, besonders das althergebrachte Solinger Verfahren nur unzureichend beschrieben. Gibt es irgendjemanden der hier näheres in Erfahrung gebracht hat?

lagavulin

Servus Uburoy,

wahrscheinlich kennst du schon das Buch "Das Rasiermesser : Sein Werdegang, seine Pflege" herausgegeben vom Reichsinnungsverband des Büchsenmacher- und Messerschmiedehandwerks.
Dort wird sehr ausführlich die Herstellung von Rasiermessern nach Hamburger Art beschrieben.
Außerdem ist dort auch ein Kapitel über die Unterschiede zum Solinger Verfahren.

Weitere Literaturquellen sind mir leider nicht bekannt, würden mich aber auch brennend interessieren.

Gruß
Lagavulin

UbuRoy

#2
Joh. Das Buch hab ich auch.

Ist ausgezeichnet, aber die genaue Vorgehensweise beim Solinger Hohlschliff (was Körperhaltung etc. angeht) ist leider nicht besonders beschrieben.

Interessant übrigens auch im letzten Teil des Buches die Abhandlung aber das immer so hochgelobt Pasten und die Stoßriemen, nicht wahr?
Deckt sich ziemlich gut mit meinen Erfahrungen, auch wenn ich die 15 Jahre Erfahrung des Streichens auf  Hängeriemen noch längst nicht erlangt habe, um dann eventuell einen Pastenstoßrimen wirklich sinnvoll einsetzen zu können ;-)
Ausserdem benutzen wir ja eh Abziehsteine. Aber stimmt schon, das Buch ist große Klasse. Ist ja auch ein Fachbuch.
Ich wette bei den alten Solinger Herstellern muss es diverse Fachliteratur geben. Aber wie kommt man daran????

Im Gegensatz zur sehr mageren vorhandenen Belletristik zu unserem Thema (ich kenne sonst nur drei neuere Bücher, keines davon auf Deutsch, die zwar witzig und lesenswert sind und durchaus informativ, aber auch vor Fehlern wimmeln oder einfach zu oberflächlich sind.

Das Rasirmesser (von 1836) habe ich leider nie bekommen können. Habe nur diverse Auszüge daraus...

Hats einer von Euch vorliegen?????????

Rockabillyhelge

Nachdem ich dieses Buch vor kurzem geschenkt bekommen habe und mich inzwischen kaum mehr davon lösen kann verwundert es mich das dieser Thread so schnell eingeschlafen ist, ermöglicht dieses Buch doch (in seiner Zeit gesehen) einige Rückschlüsse und lässt forenseitig (allgemein alle Foren) vetretene Lehrmeinungen in einem differnzierteren Licht erscheinen.

Ein paar kurze Anstösse:

Vergleich der Schliffarten:

1. Solinger Schliff: Mittels Lehre (Ortspon) durchgeführter Schliff an einem einzelnen Stein
2. Hamburger Schliff: Freihändiger Schliff an einem einzelnen Stein
3. Maschinenschliff: Schliff auf der Hohlschleifmaschine (2. Steine)

Rückschlüsse:
a. Hamburg Ring / Ground in Hamburg (ggf. Style?) bezieht sich auf die Herstellungsart und nicht den Ort
b. der Hohlschliff sollte in erster Linie die Schnitthaltigkeit gewährleisten und erst in zweiter Linie einen sanfteren Schnitt
c. Rücken und Klingenbreite stehen in einem strengen Verhältniss (wobei kleine Abweichungen z.B. durch Tape oder Ungenauigkeiten
im Schliff unwichtig sind, damit stellen sich eine Reihe an Streitigkeiten ob 17°, 20° oder XXX° betragen soll als Haarspalterei heraus)
d. eine im SRP vetretene Meinung das ein sichtbarer Wall einen unmittelbaren Rückschluss auf den Maschinenschliff hat wäre falsch da auch nach Solinger und Hamburger Art ein Wall erzeugbar war/ist

Abzug und Feinschliff:

1. Zwei Steine reichen für die Rasurschärfe (erwähnt ein grober, gratbildender Schleifer und ein gelbgrüner Thüringer)
2. Pastenriemen sind Werbeerfindungen bzw. eher durch Werbung vetretene als technisch notwenige / sinnvolle Utensilien
3. Anleitung zum Haartest und Feststellung der begrenzten Ausagekraft

Dieses Buch beeinhaltet derart viele Denkanstösse / -ansätze sowie Fachinformationen von wirklicher Tiefe (die man zweifelsohne immer auch aus ihrer Zeit beurteilen muss) das viele Threads vollkommen überflüssig erscheinen und so manche Streitigkeit vermeidbar und unsinnig war wenn es als technische Grundlage/Leitfaden herangezogen worden wäre.
Ich kann es nur jedem wärmstens ans Herz legen sich dieses Buch zu beschaffen und (etwas technisches Verständnis und Einfühlvermögen vorausgesetzt) durchzulesen, ich bin mir sicher das dabei so manches Schmunzeln herauskommt.
Auch mit Bart immer gut rasiert :)


UbuRoy

Freerider, danke für den Link. Habe das alte Original schon seit 5 Jahren und lese es immer wieder.
Aber den Reprint doch noch mal bestellt. Ist vermutlich einfacher zu lesen weil sicherlich in heutigem Sprachgebrauch.

RavenNevermore


UbuRoy

Zitat von: RavenNevermore am 25. Juni 2014, 10:20:18
@Uburoy
Nein ist es nicht.
Echt nicht? Mist. Aber zumindest in lateinischen Buchstaben???

Rockabillyhelge

Nein, ist auf Fraktur bzw. altdeutsch (musste mich auch erst wieder dran gewöhnen, aber nach so 5-6 Seiten gehts wieder).
Auch mit Bart immer gut rasiert :)

RavenNevermore

Das ist ein Nachdruck vom digitalisierten Archiv der bayrischen Staatsbibliothek wenn ich mich recht entsinne.
Text und Schriftart also 1 zu 1 wie das Original.

Und glaub mir und Helge. Wir haben es beide zuhause.

efsk

Danke für die Information über das Buch. Das habe ich mir gleich besteld.
Verzeih mir mein Deutsch. Ich bin ein Holländer.
lG - Richard

UbuRoy

Ich habs ja auch zu Hause als PDF. Dachte aber, beim Nachdruck hätten sie zumindest auf Fraktur und antiquierte Ausdrucksweise verzichtet und eine modernisierte Fassung rausgebracht. Naja, jetzt hab ichs halt auch mit Bindung...

RavenNevermore

Ist doch viel schöner allein schon wegen des physischen Aktes des Umblätterns und das Gefühl des Papiers an den Fingern. Bin ja E-Book-Verweigerer weil es bei mir so zumindest ist.

Lu-Ku

Das schönste aller Geheimnisse: ein Genie zu sein und es als einziger zu wissen. (Mark Twain)

RavenNevermore

Den lass ich mal in nem Raucherhaushalt weg.  ;D