Zweiseitiger Riemen: Leder und Filz (Diamant) - erste Erfahrungen

Begonnen von Ede_Wolf, 26. August 2010, 11:29:40

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Ede_Wolf

Hallo zusammen,

ich bin seit Montag stolzer Besitzer eines doppelseitigen Hängeriemens in 8cm Breite.
Eine Seite ist das bekannte Juchtenleder, die andere Seite besteht aus mit Diamantspray 0.5 (bah wo ist das Zeichen??) "Mü" behandeltem Wollfilz.

Hier möchte ich jetzt meine Erfahrungen nach und nach festhalten.
Wenn es niemanden interessiert, oder - im Gegenteil - Fragen aufkommen: feel free to tell me.

Gestern habe ich mir einige Stunden Zeit für ein Stück (eigentlich abgeschriebenes) Stück Rost genommen.
Ein Thiers Issard Dandy. Einige Ausbrüche, ein wenig verschliffen, sehr gammelig.

Nach den üblichen Bearbeitungen (Rost entfernen, schmirgeln, feiner schmirgeln, richtig fein schmirgeln, vorpolieren mit Gummilinsen verschiedener Härte, feinpolieren) habe ich das nun gar nicht mehr so gammelige Messer über einen 1000/6000er noname Kombistein aus Japan geschickt. Ich habe dann auf den 8000er Shapton verzichtet.

Die Facette sah soweit gut aus, der gewünschte Grat und ein zweiter Winkel waren logischerweise noch nicht da.
Dann: 3(!) Züge je Seite auf dem straff gespannten Filzriemen. Bei der Überprüfung mit dem Taschenmikropskop habe ich dann noch einmal abgesetzt und mich vergewissert, dass es sich um dasselbe Messer handelt. Ein zweiter Winkel (recht klein - aber das ist eigentlich immer mein Ziel) war da, der Grat ebenfalls.

Ein wenig skeptisch habe ich dann beide Seiten 25mal über das unbehandelte Leder gezogen.

Und nun kam die unangenehme Überraschung beim Vergleich mit meinen anderen Messern, die ich teilweise von Dagobert habe schärfen lassen (einige andere habe ich selbst bearbeitet). Der Haartest klappt um Längen besser bei meinem vermeintlich schrottreifen Messer als bei meinen bisherigen Stücken. Und wohlgemerkt: er klappt auch dort problemlos. Und ich rasiere mich erfolgreich mit allen meinen Messern. Ohne Brand, eingewachsene Haare etc.

Heute morgen kam dann die Rasur, der Eindruck hat sich bestätigt. Scharf. Sehr.

Soviel zu meinem ersten Eindruck.

Nun muss sich noch erweisen ob a) die Klinge schnitthaltig ist (ansonsten hat da womöglich einer der Vorbesitzer den Stahl ruiniert, was die schnellen Erfolge erklären würde), und b) ob mit meinen anderen Messern das Ganze ebenfalls so klappt. Womöglich war es ja ein Glückstreffer.

Wenn Interesse besteht, halt ich Euch auf dem Laufenden.

Viele Grüsse
Wolfgang

BlueDun


Ede_Wolf

Kann ich nicht beantworten, ich habe den Riemen nicht selbst gemacht/behandelt.

Ich frag aber gern nach.


BeBerlin

Ich benutze das Konstrukt ebenfalls seit einiger Zeit, auf dem SRD-Filzriemen und auf dem SRD Modular Paddle. Ich würde eher zu letzterem greifen (also eine feste Unterlage verwenden, sowas läßt sich ja auf einfachste Weise mit Zubehör aus dem Baumarkt - Filz und ein Stuhlbein zum Selbstbau) herstellen. Grund: Filz gibt nach, und als Riemen umso mehr. Das führt zwangsläufig zu einer konvexen Scherfaçette, welche nach einiger Zeit mit einem Stein plan geschliffen werden muß. Dasselbe gilt - wenn auch in deutlich geringerem Maß - für Pastenriemen.

Ansonsten verrichtet .5-Diamantspray klaglos seinen Dienst, dh es poliert die Scherfaçette und schärft nach. .25 (in den USA sehr belebt) ergibt eine aggressive Schärfe, auf die ich persönlich problemlos verzichten kann. Insofern: Selbstbau lohnt und kostet wenig; wer mit verschiedenen Schärfkomponenten arbeiten will und wie ich zwei linke Hände hat, ist mit dem Modular Paddle sehr gut bedient (weil die Beläge eine magnetische Rückseite haben und dementsprechend leicht ausgetauscht werden können). Die in Deutschland erhältlichen Sprays sind preislich deutlich attraktiver als ihre amerikanischen Entsprechungen, aber ich kann nichts über die Sprühköpfe sagen - was ein Nachteil sein kann, wenn der Sprühnebel nicht sehr fein ist und den Filz zum aufquellen bringt. 

Ede_Wolf

Zitat von: BeBerlin am 26. August 2010, 15:56:34
Ich benutze das Konstrukt ebenfalls seit einiger Zeit, auf dem SRD-Filzriemen und auf dem SRD Modular Paddle. Ich würde eher zu letzterem greifen (also eine feste Unterlage verwenden, sowas läßt sich ja auf einfachste Weise mit Zubehör aus dem Baumarkt - Filz und ein Stuhlbein zum Selbstbau) herstellen. Grund: Filz gibt nach, und als Riemen umso mehr. Das führt zwangsläufig zu einer konvexen Scherfaçette, welche nach einiger Zeit mit einem Stein plan geschliffen werden muß. Dasselbe gilt - wenn auch in deutlich geringerem Maß - für Pastenriemen.

Das klingt für mich ein wenig theoretisch.
Das mit dem balligen Schliff leuchtet ein, aber wir reden hier von mikroskopisch kleinen Ausmassen. Nach meinem Verständnis dient der zweite Winkel weitestgehend dazu, den Grat (das eigentlich schneidende Element der Facette) zu stützen. Ja, man muss irgendwann nachschärfen. Das wäre aber mit einem zweiten Winkel nicht anders, wenn er denn völlig plan wäre.
Oder versteh ich da etwas falsch?

Zitat von: BeBerlin am 26. August 2010, 15:56:34Ansonsten verrichtet .5-Diamantspray klaglos seinen Dienst, dh es poliert die Scherfaçette und schärft nach. .25 (in den USA sehr belebt) ergibt eine aggressive Schärfe, auf die ich persönlich problemlos verzichten kann.

Aus reiner Neugierde: was ist denn eine aggressive Schärfe?
Bei mir ist das Ausmass der Schärfe bisher nur ganz subjektiv vergleichbar, aber dafür emotional eher neutral besetzt. Also mässig scharf, scharf genug zum Rasieren, sehr scharf. Manche haben den Begriff der Liebhaberschärfe eingeführt. Wo sortiert man da die verzichtbare aggressive Schärfe ein?

Zu den Erfahrungen: ich rasiere mich derzeit täglich mit meinem Versuchsobjekt. Nach 5 Rasuren gibt es momentan keinen Bedarf daran, den Diamantriemen zu nutzen. Normales Ledern genügt bisher. Von daher scheint die Schnitthaltigkeit in Ordnung zu sein.

To be continued.

BeBerlin

Zitat von: Ede_Wolf am 29. August 2010, 16:43:25
Zitat von: BeBerlin am 26. August 2010, 15:56:34
Ich würde [...] eine feste Unterlage verwenden[...]. Grund: Filz gibt nach, und als Riemen umso mehr. Das führt zwangsläufig zu einer konvexen Scherfaçette, welche nach einiger Zeit mit einem Stein plan geschliffen werden muß. Dasselbe gilt - wenn auch in deutlich geringerem Maß - für Pastenriemen.
Das klingt für mich ein wenig theoretisch.

Ist es in der Tat, wenn auch auf niedrigstem Niveau. Wie lange es dauert, bis die Scherfacette braucht, um bei Einsatz eines nachgiebigen Schleifmittels ballig zu werden, hängt von allerhand Variablen ab. Aber sie wird es. Wenn ich die Berichte von Anfängern(!) mit solchen Riemen als Maßstab nehme, dauert es nicht lange.

Zitat von: Ede_Wolf am 29. August 2010, 16:43:25
Das mit dem balligen Schliff leuchtet ein, aber wir reden hier von mikroskopisch kleinen Ausmassen. Nach meinem Verständnis dient der zweite Winkel weitestgehend dazu, den Grat (das eigentlich schneidende Element der Facette) zu stützen. Ja, man muss irgendwann nachschärfen. Das wäre aber mit einem zweiten Winkel nicht anders, wenn er denn völlig plan wäre.
Oder versteh ich da etwas falsch?

Vielleicht habe ich mich mißverständlich ausgedrückt. Ich redete nicht von einem zweiten Winkel, jedenfalls von keinem, der mit einem Abziehstein planvoll und kontrolliert aufgebaut worden wäre. Das passiert mit nachgiebigen Schleifmedien automatisch, aber weit weniger kontrollierbar. Oder kannst Du den Riemen konstant gleichmäßig plan halten? Kommt dann ein wenig Enthusiasmus hinzu (ich verwende 3-5 Züge auf .5er-Diamantspray, nicht 3-150, wie manche das schon getan haben), ist die Scherfacette recht flott ballig. Jedenfalls mit dem Diamantspray, das ich nutze, denn das geht ausgesprochen aggressiv zur Sache.

Zitat von: Ede_Wolf am 29. August 2010, 16:43:25
Zitat von: BeBerlin am 26. August 2010, 15:56:34Ansonsten verrichtet .5-Diamantspray klaglos seinen Dienst, dh es poliert die Scherfaçette und schärft nach. .25 (in den USA sehr belebt) ergibt eine aggressive Schärfe, auf die ich persönlich problemlos verzichten kann.
Aus reiner Neugierde: was ist denn eine aggressive Schärfe? Bei mir ist das Ausmass der Schärfe bisher nur ganz subjektiv vergleichbar, aber dafür emotional eher neutral besetzt. Also mässig scharf, scharf genug zum Rasieren, sehr scharf. Manche haben den Begriff der Liebhaberschärfe eingeführt. Wo sortiert man da die verzichtbare aggressive Schärfe ein?
Gute Frage. Vielleicht hilft ein Beispiel aus dem Leben der Nachbarn: Hast Du mal eine Personna rot gegen eine Merkur Platinum antreten lassen (ich kenne mich mit DE-Klingen nicht allzu gut aus, aber die beiden fallen mir als exemplarisch ein)? Ich kann mich mit einer Merkur nicht sinnvoll rasieren, denn sie ist sehr bissig (oder eben "aggressiv"), während die Personna sanft ist und bleibt. Mir fällt kein besserer Ausdruck ein. Scharf sind sie beide. .25er-Diamantspray ergibt eine sehr feine Scherfacette, die meinem Gesicht gar nicht gut bekommt. Insofern: "Schärfe jenseits von Liebhaberschärfe" ;)

Grüße
Robin

lesslemming

Eine andere Quelle für hervorragende Diamantsprays zu günstigeren Preisen hat sich jetzt auch hier im Forum eingefunden:

https://www.gut-rasiert.de/forum/index.php/board,64.0.html


viel Spaß beim selberbasteln, denn Filz und ein Vierkant kostet nur ein Appel und ein Ei
..:: Wer mit beiden Beinen fest auf dem Boden steht ::..
..:: bekommt nie eine frische Unterhose ::..

Geier0815

Zitat von: Ede_Wolf am 29. August 2010, 16:43:25

Aus reiner Neugierde: was ist denn eine aggressive Schärfe?
Bei mir ist das Ausmass der Schärfe bisher nur ganz subjektiv vergleichbar, aber dafür emotional eher neutral besetzt. Also mässig scharf, scharf genug zum Rasieren, sehr scharf. Manche haben den Begriff der Liebhaberschärfe eingeführt. Wo sortiert man da die verzichtbare aggressive Schärfe ein?


Aggressive Schärfe ist ein Zustand den man schlecht jemandem Erklären kann der es selbst noch nicht erlebt hat. Hinzu kommt das man schon über etwas Erfahrung verfügen muß um eigene Fehler in der Handhabung davon unterscheiden zu können. Trotzdem ein Versuch der Erklärung.
Bei manchen Messern wirst Du feststellen das Du sie an die Haut ansetzt und schon die kleinste Bewegung führt zu einem sehr kleinen Cut. Dieses Messer ist scharf, rasiert also sehr gut, fühlt sich aber unangenehm an, meist hast Du nach der Rasur eine gereizte Haut. Dagegen gibt es Messer die verwendest Du und fragst Dich ob es überhaupt scharf ist weil Du recht wenig vom Messer bemerkst. Die Barthaare sind einfach weg und Du denkst "nanu, wie geht das?" Beide Messer sind wirklich scharf, nur um dir die Abgrenzung zum stumpfen Messer zu verdeutlichen, aber das eine fühlt sich angenehm an und das andere nicht.
Das erste Messer weißt also eine aggressive Schärfe auf, das andere eine Liebhaberschärfe. Aggressive Messer brechen in ihrer Schärfe häufig bei den ersten Rasuren etwas ein und werden dann sanfter aber trotzdem scharf. Daher vermute ich das es etwas mit Mikrozähnchen an der Schneide zu tun hat. Eine aggressive Schärfe findet sich häufig auch wenn die Messer nur auf Steinen ohne Pastenriemen geschärft wurden. Diese rasieren sich aber ein, sprich sie werden sanfter ohne nennenswert Schärfe zu verlieren, wie stark hängt vom verwendeten Finish-Stein und dem Messer ab. Da gibt es nämlich Kombinationen die sehr schöne Ergebnisse liefern und welche wo das nicht so ist. Das Phänomen gibt es auch bei den gepasteten Messern aber wohl nicht so deutlich ausgeprägt.
Ich hoffe Du kannst es dir jetzt in etwa vorstellen.

BeBerlin

Lob und Anerkennung für Geier0815s didaktisches Geschick. Das war genau das, was ich meinte.

Ein guter Bekannter sucht gerade seine Rechercheergebnisse zusammen, aber die Managementzusammenfassung lautet in etwa: Im direkten Vergleich produzieren Pastenriemen weniger haltbare Scherfacetten. Je feiner die hierfür verwendete Paste, desto instabiler können die Facetten werden. Man bezahlt also u.U. Schärfe mit Haltbarkeit. Gleichzeitig müssen die Messer häufiger nachgeschärft werden, wodurch die von mir angesprochenen konvexen Scherfacetten entstehen. Wenn man 30 Messer in Rotation hat und die Riemen konsequent zur Erhaltung einer bestehenden Scherfacette einsetzt, ist dieser Effekt vernachlässigbar. Bei häufigem Einsatz desselben Messers wird er sich jedoch mittelfristig bemerkbar machen.

Soviel also zur Theorie. ;)   

Ede_Wolf

Um die Überleitung auf die praktischen Erfahrungen zu nutzen:
ich habe nun eine Woche lang täglich dasselbe Messer benutzt.

Geschnitten habe ich mich einmal, als meine Frau die Haarbürste brauchte (und glaubte sie sich ohne mich anzustossen nehmen zu können). Die hier geschilderte aggressive Schärfe stelle ich nicht fest (nicht verwunderlich: das war von BeBerlin auf feinere Diamantpartikel bezogen), wohl aber eine bleibende Rasurschärfe. Vor der Rasur habe ich jeweils 20 Züge je Seite auf einem unbehandelten Lederriemen gemacht.

Ich tendiere jetzt dazu, meine übliche Rotation wieder aufzunehmen. Dazu benutze ich 7 Alltagsmesser und 4 Messer für besondere Anlässe. Meine nächste Meldung hier käme dann, sobald das Messer Bedarf zum Nachschärfen hat. Wird aber vermutlich noch eine Weile dauern, denn bisher zeigt der Grat keine "Ermüdungserscheinungen".

Mein momentanes Fazit: ich kenne keine bequemere Nachbeartung nach dem Schärfen auf den Steinen.

Wenn sich etwas ändert, poste ich das hier.

Viele Grüsse
Wolfgang

strawinski

also wenn ich hier die wissenschaftlichen abhandlungen zum schärfen lese, komm ich ins grübeln, wie sich denn unsere vorfahren 200 jahre lang mit men messer rasiert haben....bei denen ging sogar der bart noch ab....
ich persönlich halte nicht sehr viel sich mit riesigen mikroskopen hinter ne schneide zu setzen.
es kommt auf den stein und auf nen riemen und es rasiert. mal besser, mal schlechter. weil ja auch die haut immer ne andere tagesform hat. und weil das einpinseln jeden tag ein anderes ist....
Das Licht kam in die Finsternis. Doch die Finsternis begriff es nicht.

Tim Buktu

Klar kannst Du Dich völlig zufriedenstellend mit Messern rasieren die so geschärft wurden, wie Du es beschreibst. Ist auch völlig in Ordnung, solange Du nicht den Ehrgeiz entwickelst, immer noch ein Quentchen mehr aus den Schneiden herauszuholen.

Ich selbst mache mir mit meinen Messern möglichst wenig Arbeit. Die Schärferei empfinde ich als lästige Pflicht. Allerdings war für mich gerade die Geschichte mit der Diamant-Filz-Kombination interessant, da ich mir eine Vereinfachung erhofft habe und nicht enttäuscht wurde. Tagesform von Haut und "Restmensch" gibt´s aber trotzdem noch. Das hat mir meine gestrige Rasur wieder deutlich gemacht. :)
Tranquilo - In der Ruhe liegt die Kraft...

PS: Alles nur meine persönliche Meinung, die sich durchaus beeinflussen lässt und sich deshalb gelegentlich auch ändert!

Ede_Wolf

Zweierlei: der Riemen tut nacvh wie vor seinen Dienst und begeistert mich noch immer.

Zweitens stimme ich jemandem aus dem Messerforum zu. Zitat: "Es muss nicht unbedingt Affenarschleder und gemahlener tibetanischer Schmirgelkaefer sein".