Einrasieren

Begonnen von soapopera, 28. April 2009, 15:03:17

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soapopera

Immer wieder lese ich, dass ein frisch geschärftes Messer einrasiert werden muss und dadurch sanfter wird. Worin liegt der Erfolg beim Einrasieren? Ist es das stete Abledern vor der Rasur oder die eigentliche Rasur, die auuf den Grat einwirkt? Wenn das häufige Ledern zur Sanftheit führt, müsste das Ergebnis doch auch dadurch erreicht werden können, wenn ich etwa das sechsfache der üblichen Verweildauer auf dem Glattleder abziehe.


Tim Buktu

Also ich glaube (!) dass wenn es tatsächlich so ist, wie auch ich schon meine erlebt zu haben  :-X, dass Messer nach mehrmaligem Rasieren "besser" wurden, kann es doch eigentlich nur an einer Kombination mit der Rasur selbst liegen, da diese sich sicher auch auf die Schneide auswirkt.

Was da genau vor sich geht könnte man evtl. mit dokumentierenden Mikroskopaufnahmen beobachten.
Vielleicht ist es ja aber auch nur der Glaube, oder die Gewöhnung die hier wirken!?   :-\  >D
Tranquilo - In der Ruhe liegt die Kraft...

PS: Alles nur meine persönliche Meinung, die sich durchaus beeinflussen lässt und sich deshalb gelegentlich auch ändert!

harrykoeln

Soweit die Theorie!

Meiner Meinung bringt erst genau der eigentliche Gebrauch der Schneiden eben diesen Effekt. Da ist das Ausbrechen von Mikrozähnchen bei der Rasur. Da ist das sich-selbst-aufrichten dessen, was sich selbst wieder aufrichten kann. Da ist das Ledern, das den Rest der Zähnchen auch wieder aufrichtet. Da ist nochmal das Ledern, das die Facette poliert.
Und genau diese Dinge, und sicher auch noch viele andere Faktoren an die ich jetzt nicht gedacht habe, spielen sich ein - kommen ins Gleichgewicht.

Was ich noch in die Runde fragen möchte:
Da wir es ja mit Stahllegierungen zu tun haben, sind Reaktionen mit Sauerstoff nicht zu verhindern. Auch und gerade bei solch polierten Oberflächen wie einer Schneidfacette. Auch bei Edelstählen lassen sich diese Reaktionen nicht ausschließen, sind diese Legierungen ja bekanntermassen nicht gänzlich rostfrei sondern eher als rostträge zu bezeichnen. Diese (eventuell ?) sich bildende Oxidschicht trägt natürlich auf die Oberfläche der Facette auf (Metalloxide haben natürlich ein wesentlich größeres Volumen als die Metalle pur - Faktor 10 Plus ***). In wie weit mag das Einfluss auf die Eigenschaften eines solch zarten Gebildes der Facette und des Grats haben.
Das ist doch sicher auch ein Grund, warum ein Messer immer unmittelbar vor der Rasur abgezogen wird...


*** Das ist auch der Grund, warum rostende Armierungseisen (in Stahlbeton) den Beton ganz einfach wegsprengen. In Bautenschutzlaboren macht man sich diesen Effekt mit Sprengversuchen (beispielsweise bei Sandstein) zu nutze um die Festigkeit dieser Steine zu prüfen.
Dazu lässt man den Sandstein eine gesättigte Natriumsulfatlösung "aufsaugen". Das funktioniert bei diesen porösen Steinen wie bei einem Schwamm. Dann kommen die Steine in nen Trockenschrank. Natriumsulfat (Glaubersalz) bindet sogenanntes Kristallwasser (rechnerisch) 10 Moleküle Wasser pro Molekül Natriumsulfat. Vereinfacht kann man sagen, das beim Trocknen dieses Kristallwasser ausgetrieben wird. Werden die Steine nu wieder in ein Wasserbad gesetzt, saugen sie sich wieder voll Wasser, das Natriumsulfat lagert das Kristallwasser wieder in seine Kristallstrukturen ein und vergrößert sein Volumen ganz erheblich. Mit der Folge, das der Stein gesprengt wird. Wen es interessiert, die zerbröseln im Wasserbad zu Sand...



 
"The two most common things in the universe are hydrogen and stupidity.
There is more stupidity around than hydrogen, and it has a longer shelf life."
Frank Zappa (1940-1993)

UbuRoy

Moin Harry,

mit den oxidierenden Facetten hast Du wohl recht. Gerade dort bildet sich Rost im mikroskopischen Bereich zuerst.
Dieser wird wohl beim Abziehen mit dem Leder abgetragen. Irgendwann wird also die Schneide ein wenig unregelmäßiger und welliger, nicht nur balliger.
Aber das dauert wohl und einölen verhindert das wohl ziemlich gut.

Bei dem einrasieren bin ich eher skeptisch. Ich denke, das abziehen bringt da mehr als das rasieren. Durch rasieren wird das Messer einfach nur stumpfer. Was soll sonst groß mit der Schneide passieren...?

BTW: Schon ein wenig das Damskus geschruppt? Was hälst davon?

harrykoeln

Zitat von: UbuRoy am 29. April 2009, 08:40:33
...
BTW: Schon ein wenig das Damskus geschruppt? Was hälst davon?
Puahhh...  dr: dr: dr: ich schreib darüber in dem Thread...
Gehört hier nicht her...
"The two most common things in the universe are hydrogen and stupidity.
There is more stupidity around than hydrogen, and it has a longer shelf life."
Frank Zappa (1940-1993)

Senser

Hier meine Theorie:
Es gibt ganz wenige Ausnahme Messer, die funktionieren von Beginn an aussergewöhnlich gut und man tut gut daran, diese Messer möglichst lange nicht zu "tunen". Man könnte ihre Eigenschaften nur verschlechtern.
Für alle Anderen stelle ich mir das so vor:
Der Grat ist mehr oder weniger gut ausgebildet, mal fest, mal labil. Bei der Beanspruchung der Schneide legt sich der labile Grat sofort um und es beginnt zu kratzen und zu hoppeln. Beim Ledern bricht dieser Grat ganz ab und im Laufe der Zeit  wird wieder ein neuer aber stabiler Grat ausgebildet, der manchmal ein Messerleben lang hält, weil er immer wieder nachgebildet wird.
Als Beweis für diese Theorie nehme ich die unzähligen Messer die extrem hohl geledert wurden und nie einen Stein gesehen haben, aber trotzdem funktioniert haben.
Das Rasieren selbst kann die Schneide nicht verbessern.
Gruß Senser

urza

Mutation und Selektion, sehr gut. Die Theorie uebernehm ich.
,,Handle nur nach derjenigen Maxime, durch die du zugleich wollen kannst, daß sie allgemeines Gesetz werde."

    – Grundlegung zur Metaphysik der Sitten, S. 421 [Reclam S. 68]

El Topo

Einrasieren? Manchmal bemerke ich den Efekt zunehmemder Sanftheit schon.
Rasur heute: Ein altes W&B frisch geschärft, insgesamt die zweite Rasur damit. Nach dem Ledern ging der Haartest einwandfrei.
Die Rasur selbst war gründlich aber unsanft. Musste die Klinge mit viel Kraft durchs Barthaar zwingen. Benutze fast ausschgließlich selbst-
geschärfte Messer und die gehen normalerweise durch meine harten Stoppeln wie durch Butter. Mein Filarmonica war am Anfang auch unsanft,
hat geziept und sich verhakt. Mittlerweile ist es mein bestes und sanftestes Messer. Nachgeschärft hab ich da nix, das kam dann von alleine.

Das W&B hab ich heut auf meinem Hängeriemen geldert, den ich gestern mit Fett behandelt habe. der Abzug war nun recht kräftig, vielleicht deshalb
die ruppige Rasur. Beim Schärfen hab ich gemerkt, das der STahl wirklich ultrahart sein muss, auch das kann auf die Sanftheit einen Einfluss haben.
Evtl. brauchen extrem harte Messer eine gewisse Zeit, bis sie sanfter werden.

Werd mal sehen, wie sich das Messer so in nächster Zeit verhält.
Schöne Grüße aus dem Maulwurfshügel!


Guilty

#8
Steht ja ausser Frage das ein Messer nach Entspannung,Benutzung ,Ledern mit der Zeit immer besser wird.Vielleicht wie ein Motor der eingefahren wird.Ich vergleiche das immer mit meinen Gipsformen auf der Arbeit .Bis sie ein sehr gutes Ergebniss bringen brauchst es schon eine gewisse Zeit um ihre Pooren zu schließen um beste Qualität zu liefern ohne größere Nacharbeit leisten zu müssen.Nach längerer Zeit bauen sie dann wieder pö a pö ab.
Mann sollte aber bei der Diskusion nicht vergessen das man sich auch an ein neues/anderes Messer gewöhnen muss weil das Händling anders wie das vorher gewohnte ist.So entsteht auch der Eindruck das unterschiedliche Hohlungen als Sanfter bzw Gründliche empfunden werden.

El Topo

@Guilty:
Hört sich ganz vernünftig an, was du da sagst.

Die Messer sind auch im Handlig unterschiedlich. Das W&B musste ich mit 3 Lagen Klebeband schärfen, mit nur einer hab ich es nicht scharf gekriegt.
Evtl. hätte ich das Messer dann auch anders führen müssen? An der Schärfe kann es nicht gelegen haben. War erst da zeite Mal in Benutzung, Haartest klappte
auch vor der Rasur. Meiner Ansicht und Erfahrung nach, ist ein Messer auf Haartestschärfe immer rasurtauglich, nicht aber notwendigerweise sanft.

Schliff: Halbhohle Messer fühlen sich irgendwie immer weniger scharf als vollhohle an, rasieren aber genauso gut, finde ich.
Schöne Grüße aus dem Maulwurfshügel!


Guilty

Zum letzteren...
Sehe ich ähnlich .Sowas könnte gerade bei Derben Messern dazu verleiten mehr Kraft anzuwenden weil man den Eindruck einer geringeren Schärfe hat.Was wiederum dazu führt die Haut mehr zu maltretieren als nötig wäre.

Tim Buktu

Auch das hört sich vernünftig und richtig an. Muss ich bei meinen nächsten Rasuren mit dem derben W&B beobachten.
Das rauscht immer durch´s Gesicht wie nix. Die Rückmeldung über die Klinge und den Ton finde ich auch nicht so deutlich, was aber auch das besondere und immer wieder schöne ist.
Tranquilo - In der Ruhe liegt die Kraft...

PS: Alles nur meine persönliche Meinung, die sich durchaus beeinflussen lässt und sich deshalb gelegentlich auch ändert!

El Topo

Hab mich heute das dritte mal mit meinem vollhohlen W&B "Keen Shaver" rasiert:

1. Rasur: Sehr sanft, etwas ungründlich
2. Rasur:  gründlich, äußerst ruppig (Haartest klappte vor der Rasur ausgezeichnet)
3. Rasur: Gründlich und normal sanft

Bin mal auf die nächste Rasur gespannt, wobei ich sicher bin, dass Schärfe bleibt und Sanftheit steigt.
Schöne Grüße aus dem Maulwurfshügel!