Mastro Livi

Begonnen von Behrendt, 20. Februar 2010, 10:58:14

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kormann

Wie jetzt. Ich dachte, solche Klingen wären aus Damaszener-Stahl.
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UbuRoy

#61
Damaszener Stahl kann schon seit Jahrhunderten nicht mehr hergestellt werden. Dafür brauchst Du indisches Wootz, die dazu gehörigen originalen Schmelzöfen (es gibt wohl noch einen in Indien...), die passenden Hölzer um daraus die passende Holzkohle zu machen (das Kokereiverfahren ist auch nicht zu 100% überliefert) usw. usf. schon da hört es also auf. Geschweige denn das Wootz (besonderes Erz, praktisch keine Vorkommen mehr vorhanden) selbst einzuschmelzen, Stahl daraus herzustellen, es zu schmieden, zu härten etc.

Kann keiner mehr und ist nicht überliefert. Damaskus war übrigens nur die Stadt über die der Vertrieb ins mittelalterliche Europa verlief. hergestellt wurden die dort nicht.

Das heutige Damast ist einfach nur gefalteter Industriestahl (außer bei japanischen Schwertern, das ist wieder was anderes). Selbst die Japaner erarbeiten sich gerade wieder über Try & Error einige Verfahren, die alten (und bisher unerreichten) Qualitätsstähle aus z.B. der Edo  Zeit o.ä. epochen (teils 750 Jahre her!) neu zu erarbeiten.

Tolpan

Ich versuche diese Frage mal Stück für Stück zu beantworten...

Zitat von: kormann am 08. April 2010, 10:11:02

daß dieser Damaszener-Stahl so besonders hart sein soll.


Zunächst muß man zwischen "echtem" Damaszener-Stahl und Monostahl mit Damast-Zierauflagen differenzieren.
Meines Wissens (und der Gallileo-Bericht bestärkt mich darin) baut Mastro Livi letztere. Es wird eine Mittellage, die dann die Schneide bildet mit Zierauflagen versehen. Es wird also zunächst durch Falten Damast geschmiedet (bei "günstigen" Küchenmessern wie z.B. von KAI wird das auch maschinell laminiert) und dann wird der tatsächliche Messerstahl dazwischengesetzt und verschweisst.

Es kommt also bei solchem Stahl bezüglich der Schneideigenschaften NUR auf die Mittellage an und wie diese gehärtet ist.
Die Hauptziele bei diesem Verfahren sind einerseits, dass man zwischen zwei "weiche" Damastlagen eine relativ harte und durch hohen Karbonanteil auch empfindliche, Bruchanfällige Mittellage verwenden kann. ABER: Dies könnte genauso durch einfaches weiches Eisen oder so geschehen.
Kommt also Punkt zwei: Damast sieht toll aus und ist teuer. So kann man ein "hochwertiges" Produkt generieren.

Echter Damaszenerstahl ist etwas anderes.
Meines Wissens wir hier also die Mittellage aus mindestens zwei verschiedenen "Schneidstählen" ebenfalls durch Falten geschmiedet. Hierbei wird auf verschiedene, korrespondierende Stähle geachtet. Die einzelnen Lagen werden dabei so dünn ausgeschmiedet, dass ein Austausch an verschiedenen Legierungebestandteilen zwischen den Stählen möglich wird. Das Resultat wird meines Wissens als Hochleistungsdamast bezeichnet. Ich denke, dass man dadurch sehr harte und trotzdem elastische Schneiden erzeugen kann. Nur sehr wenige Schmiede machen sowas. Mir fallen da nur Roman Landes und Jean José Tritz ein. Und es ist dramatisch teuer, da extrem aufwendig und durch die extreme Dünne der einzelnen (meist über 1000) Lagen auch sehr schwierig zu bewerkstelligen.

Bei allen genannten Stählen kommt es darauf an, wie gehärtet wurde.
Also einerseits wie hoch die resultierende Härte des Stahles ist (man misst sowas in Rockwell-Härte, HRC) und wie der Stahl auf die Härtung reagiert. Schlecht und zu hoch gehärtete Stähle neigen zu Ausbrüchen an der Schneide, werden also zu porös.

Man kann also Damaszenerstahl nicht pauschal beurteilen.

Zitat von: kormann am 08. April 2010, 10:11:02

Kann man als Otto-Normal-Rasiermesserbesitzer eine solche Klinge mit den üblichen Steinen auch schärfen?


Klar kann man.
Es kommt eben drauf an wie hart der Stahl ist. Je härter, desto weniger kann der Stein pro Schub abtragen, es dauert also länger.
Verschiedene (meist die weicheren) Steine kommen mit härteren Stählen besser zurecht, da der Abtrag da höher ist.
Andererseits kann man sich bei schlecht gehärteten Stählen nen Wolf schleifen, da man nur ganz schlecht ne stabile Schneide hinbekommt, die dann auch nicht lange hält.
Da kann aber bestimmt einer unserer Schleifgurus mehr dazu sagen.

Gruß, Peter
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kormann

Vielen Dank für die Erklärungen. Ich hab mich auch grad mal bei Wikipedia durch die Seite gelesen und habe für mich eine einfache Erklärung herausformuliert, nach der es bei dem heutigen Damaszener-Stahl um die Optik der zahlreichen Lagen geht. Der Schein bestimmt das Sein.  ;D Was mir übrigens oft völlig reicht und im Falle solcher Messer finde ich die Linien auf dem Stahl sehr, sehr schön. Ein tolles Material.
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jack3

Finde ich nicht, wenn ich Damast bezahle, soll es auch Damast sein. Und nichts gemogeltes. Aber einige machen sich auch einen riesen Spoiler auf einen 90PS Golf. Jeder wie er will.

Buddel

Die Antworten die hier kamen sind nur zum Teil richtig:

- Wootz kann heute wieder hergestellte werden. Ob es genau zu 100% das Material ist, dass damals Verwendung fand, kann ich nicht bezeugen, aber das Grundprinzip der Herstellung ist bekannt. Die besondere Schneidleistung wird durch Nano-Partikel im Stahl erzeugt, die wiederum auf Grund bestimmter Legierungselemente und Herstellungsprozesse entstehen. Den Wootz, im Sinne einer heutigen Reinheit und Konstanz bei der Stahlherstellung gemäß des Stahlschlüssels, wird es auch damals nicht gegeben haben. Aber in dem Bereich sind die Erkenntnisse noch relativ frisch und alles noch im Fluss.

- Damaststahl wird heute meist ein Mehrlagenstahl genannt, bei dem min. 2 verschiedene Stähle feuerverscheißt werden. Dabei kommt es zu einer Homogenisierung des Kohlenstoffgehaltes der beiden Stähle. Auch die anderen Legierungselemente können diffundieren, meist aber deutlich weniger als der Kohlenstoff. Die Optik steht bei diesem Verfahren im Vordergrund, eine technische Notwendigkeit ist auf Grund der hohen Qualität der Ausgangsstähle heute meist nicht mehr gegeben.

- Livi baut sowohl San-Mai Klingen (wie im Gallileobeitrag), also mit Monostahl-Schneidlage und Damastausenlagen als auch Volldamastrasiermesser. Das gezeigte ist vollständig aus Damast.

- es gibt zwichenzeitlich sehr viel mehr Damastschmiede allein in Dtl. als "nur" Roman Landes und Jean José Tritz, für jeden der mehr wissen will empfehle ich das Buch Damaszenerstahl von Günther Löbach: http://www.amazon.de/Damaszener-Stahl-Theorie-G%C3%BCnther-L%C3%B6bach/dp/3938711310/ref=pd_sim_b_1
wer sich nicht wissenschaftlich mit dem Thema befassen will, braucht eigentlich nicht mehr Infos
Mit dem Messer, rasiert sichs besser.

UbuRoy

Ah! Danke für den Buchtip. ein deutschsprachiges gutes Buch zu dem Thema fehlte echt lange.

Habe nur für japanische Schmiedekunst bisher gute Literatur gefunden und auch nur auf englisch.

Über die Nanoröhrchen, die im echten alten Damast entdeckt wurden mittels Rasterkraftmikroskops oder irgendwas ähnlich sauteures, gab es irgendwo im Web einen sehr guten und ausführlichen Artikel vor etwa einem Jahr. Von dem wissenschaftler Team, das sich damit befaßt hatte. Leider finde ich den Artikel nicht wieder. War sehr faszinierend.

kormann

@jack3

Da war ich zu kurz mit meiner Meinung. Ich wollte nur sagen, daß es mir eigentlich egal ist, ob diese Form der Eisenverarbeitung nun genau so ausgeführt wird wie vor 1000 Jahren, oder ob man mit modernen Mitteln und Rohstoffen etwas schafft, was der ursprünlichen Idee sehr ähnlich ist. Das Muster wird ja nicht aufgemalt. Mag sein, daß es damals anders hergestellt wurde. Für mich ist, nach allem was ich bei Wikipedia inzwischen gelesen habe und was mir ein lieber Forumianer via PN erklärte, das Erscheinungsbild wichtiger als das reine Handwerk - was in meinen Augen trotzdem eine große Kunst ist. Ich fände es ehrlich gesagt auch ziemlich blöde, auf moderne Technik und Materialien zu verzichten.
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Barth

Ursprünglich wurde das ganze aber nicht wegen dem Musster hergestellt sondern weil man nicht in der Lage war mittels Rennöfen gleichmäßige Stahlqualitäten herzustellen - wie auch ?

Durch das mehrfache um und ausschmieden wurde das ganze durchgeknetet und alle zufällig vorhandenen Legierungselemente gleichmäßig verteilt - man kann sich das ruhig wie Kuchenteig vorstellen.

Zum Teil hat man sogar die Stahlklumpen die aus dem Rennofen kamen erstmal paar Jahre vergraben um minderwertiges Eisen wegrosten zu lassen und hat nur das hochwertigere was übrig war weiterverarbeitet.

Das Muster ist allerdings ein positiver nebeneffekt  man sagt das heutige hochwertige Monostähle dem Damast deutlich überlegen sein können und ehrlich gesagt glaube ich das auch - aber trotzdem ist Damast oder Wootz immer noch ne extrem feine Sache . . .
Was wohl passieren würde wenn man vorm Candyman stünde und 5 x  hintereinander -''Spiegel''- sagen würde . . .

Iltis

#69
Zitat von: Buddel am 08. April 2010, 07:22:57
Zitat von: Iltis am 07. April 2010, 20:14:57
...sind so grosse Platten nur schwer zu bekommen, und sehr teuer.
So große Platten massives Material gibt es gar nicht.

Ich muss dich wiedersprechen, Buddel, z.B. bei Mop Supplies gibt es grössere Platten, auch auf Anfrage noch grösser als ihren Messerschalenplatten (105X28mm), aber sie sind unbezahlbar. Wie laminierte Perlmuttplatten zu bearbeiten sind, weiss ich nicht, weil ich damit keine Erfahrung habe.
Gruß
Iltis
de gustibus, aut bene aut nihil

Buddel

Zitat von: Iltis am 08. April 2010, 16:44:31
Zitat von: Buddel am 08. April 2010, 07:22:57
Zitat von: Iltis am 07. April 2010, 20:14:57
...sind so grosse Platten nur schwer zu bekommen, und sehr teuer.
So große Platten massives Material gibt es gar nicht.

Ich muss dich wiedersprechen, Buddel, z.B. bei Mop Supplies gibt es grössere Platten, auch auf Anfrage noch grösser als ihren Messerschalenplatten (105X28mm), aber sie sind unbezahlbar. Wie laminierte Perlmuttplatten zu bearbeiten sind, weiss ich nicht, weil ich damit keine Erfahrung habe.
Gruß
Iltis

Sorry, das wusste ich nicht. Dachte ab einer bestimmten Größe wäre das alles automatisch Laminat. Was heißt unbezahlbar? Für eine Perlmut Laminatplatte mit ca. 240 mm x 140 mm x 2.5 mm legt man um die 200 - 250 Euro zzgl. Versand und Zoll (jedenfalls nach dem, was ich bisher gefunden habe)?
Mit dem Messer, rasiert sichs besser.

urza

Zitat von: Buddel am 08. April 2010, 17:25:47
Was heißt unbezahlbar?

Das heist unbezahlbar:

Zitat von: Buddel am 08. April 2010, 17:25:47
Für eine Perlmut Laminatplatte mit ca. 240 mm x 140 mm x 2.5 mm legt man um die 200 - 250 Euro zzgl. Versand und Zoll

zumindest fuer meiner einer. da bekommt man schon ein schoenes Bergfed fuer, oder ein paar Jnats.
,,Handle nur nach derjenigen Maxime, durch die du zugleich wollen kannst, daß sie allgemeines Gesetz werde."

    – Grundlegung zur Metaphysik der Sitten, S. 421 [Reclam S. 68]

Iltis

@Buddel: Sorry, ich weiss nicht mehr, ich weiss nur, das ich eschrocken war.
Gruß
Iltis
de gustibus, aut bene aut nihil

Tim Buktu

Zitat von: urza am 08. April 2010, 18:01:56
... da bekommt man schon ein schoenes Bergfed fuer, oder ein paar Jnats.

Oder ein halbes Talfed mit Utwux.
Gruß vom Unwissenden! ;)
Tranquilo - In der Ruhe liegt die Kraft...

PS: Alles nur meine persönliche Meinung, die sich durchaus beeinflussen lässt und sich deshalb gelegentlich auch ändert!

Iltis

Zitat von: Tim Buktu am 10. April 2010, 09:05:00
Oder ein halbes Talfed mit Utwux.
Gruß vom Unwissenden! ;)

@ Herr Buktu: was, bitteschön, ist Utwux, wollen Sie mich verar****??

Gruß
Iltis
de gustibus, aut bene aut nihil