Wie war das denn bitte früher

Begonnen von srge01, 01. Oktober 2009, 12:23:42

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harrykoeln

Zitat von: Nikita am 02. Oktober 2009, 07:19:47
...und gebadet in der gleichen Wanne... 8)

Und anschließend Kung Fu und dann die Hitparade.
"The two most common things in the universe are hydrogen and stupidity.
There is more stupidity around than hydrogen, and it has a longer shelf life."
Frank Zappa (1940-1993)

UbuRoy

Zitat von: harrykoeln am 02. Oktober 2009, 08:41:13
Und anschließend Kung Fu und dann die Hitparade.

Nee, bei mir die Muppetshow.

eberhard

mein großvater und mein vater haben sich beide fast täglich mit dem rasiermesser rasiert. jeder hatte nur ein messer. vor dem rasieren wurde geledert und 1 oder 2 mal im jahr wurden die beiden messer geschärft, auf einem sehr feinen grauen wasserstein.

erazorhead

Hallo alle zusammen,
bin neu hier und muss gleich mal meinen "Senf" dazugeben.

Ich hab mich letztens mit einem alten Friseur (der in die ganz entfernte Verwandtschaft geht) unterhalten, der auch noch mit Messer rasiert hat. Der hat gesagt, dass er früher in den 50ern jeden Samstag bis zu 70!!! Rasuren hatte. Aber nur samstags so viel. Er musste sehr viele (kleine) Bauern und Arbeiter rasieren, die sich selbst nicht rasiert haben, aus welchen Grund auch immer. Weiter sagte er, dass manche drei bis vier mal gründlich eingesschäumt werden mussten, damit das Gesicht wenigstens einigermaßen sauber war und er anfangen konnte. Trotzdem war es während der Rasur immer noch so, dass (Zitat) "die braune Soße am Hals heruntergelaufen ist". Ich denke, auch wenn die Messer vielleicht nicht eine so super angenehme Schärfe hatten, waren die Haare bei viermal Einschäumen so gut eingeweicht, dass es nicht so sehr geziept hat. Wenn dann tatsächlich mal ein Schnitt drin war, wurde das durchaus auch toleriert. (Hauptsache man war für den Kirchgang sonntags glatt.) Der Friseur hat als Stift immer einen alten Kriegsfüchtling rasieren dürfen/müssen, der nichts bezahlen konnte (damit er das Rasieren lernt). Der Flüchtling hat ihn anscheinend immer beruhigt mit den Worten "No kein Angst, Bua, wennsd mi schneidst machts nix."

Auf meine Frage, ob er Streichriemenpaste oder eine feine Polierpaste benutzt hat, wusste er garnicht was das ist. Ich gehe daher davon aus, dass er keine Pasten benutzt hat.

Zu guter letzt hat er mir einen altren Stoßriemen, ein Puma, ein Biedermeier Nachschliff, ein Heartring und als Sahnestückchen einen blaugrünen Thüringer (20 x 4,5 cm) geschenkt. Die eine Seite des Thüringers ist so ausgeholt, dass sie so wie sie ist nicht mehr zu gebrauchen ist, die andere Seite ist plan. Für mich ein Indiz, dass zumindest nicht jeder (oder fast jeder) Friseur mit Pasten arbeitete. Laut meinem Verwandten haben viele Friseure einen Ölstein als allerletzten Stein benutzt, um den Grat etwas rauszunehmen.

Leider hab ich mich nicht länger mit ihm unterhalten, ich hatte das Gefühl, dass er nicht so unbedingt darüber sprechen will. Für ihn wars halt der Beruf, mehr nicht.

Alles in Allem denke ich, dass die wenigsten Friseure so ausgewählte Kundschaft hatten, die wirklich Wert auf eine abgenehme Rasur gelegt hätten. Die meisten waren wohl nur einmal pro Woche, samstags, beim rasieren und waren froh wenn sie wieder glatt sind (für den Gottesdienst). Obs dann etwas ziept oder nicht war denen m. E. recht egal.

Viele Grüße aus Badisch - Sibierien

Christoph


srge01

 toller berricht erazorhead,danke das bringt doch mal licht in den schatten,vielen dank
dh: dh: dh: dh:

kriklkrakl

aufschlussreich und schlüssig. Der ganze Schnickschnack wie Hygiene und Haartest war den Altvorderen schnurz ^

badisch-Sibirien = Baar ??
"Gewöhnlich glaubt der Mensch, wenn er nur Worte hört,..
Es müsse sich dabei doch auch was denken lassen."
Faust I,Mephistopheles

Honka

Zitat von: erazorhead am 02. Oktober 2009, 19:48:53

Auf meine Frage, ob er Streichriemenpaste oder eine feine Polierpaste benutzt hat, wusste er garnicht was das ist. Ich gehe daher davon aus, dass er keine Pasten benutzt hat.




Das glaube ich auch. Ich habe meinen Riemen vor vielen Jahren gekauft - als der Friseur noch nicht Kofför geheißen hat  :o

Es ist ein so genannter Profi Riemen, mit einer Leder und einer Hanf Seite.

Mehr hatte mein Friseur, der mich damals rasiert hat, auch nicht.

redmatze


Tolle Berichte!
Das um 1900-17 auch schon gute Steine gab und mit pasten gearbeitet wurde, kann man da sehen (Eaton katalog 1900 und1917)





Der Mund des Menschen, ist oft gefährlicher
als der Rachen eines Tigers.

erazorhead

Naja, schnurz war den Altvorderen die Hygiene mit Sicherheit nicht. Aber bei Duzenden Rasuren pro Tag war doch garnicht genug Zeit, um die Messer nach jeder Rasur gründlich zu reinigen und zu desinfizieren. Ich denk mal das "durfte" der Stift nach Feierabend machen. Nach dem Reinigen durfte er dann abziehen. Und wenn er die Messer bei der ganzen Prozedur versaut hat, hat er eine "Schelle" bekommen, damit er es lernt.

Was man beim Einsatz von Pasten bedenken müsste ist folgendes:
1. Wie bekannt waren Pasten?
2. Wie teuer waren die Pasten, will sagen, welcher (vielleicht arme) Friseur konnte sich so einfach eine Streichriemenpaste leisten?
3. Nicht zu unterschätzen, die Einstellung von alteingesessenen gegen Neues, Schlagwort: "Neumodischer Kram." oder "Sowas brauch ich nicht."
4. Wo bekam man Pasten her? Mit Sicherheit nicht aus dem Internet. Schon eher auf dem Markt oder von Vertretern (wenn Punkt 2 nicht zugetroffen hat).
5. Wie waren die Pasten in der Qualität, speziell die Homogenität der Schleifkörper?

Pasten wurden benutzt, ohne Frage, aber so "exzessiv" wie heute?

Kriklkrakl, wenn Du mit Baar die Stadt in Schwaben meinst, muss ich Dich enttäuschen. Badisch-Sibierien ist mehr so zwischen Mosbach und bayerische Grenze, bei mir im Speziellen Nähe Tauberbischofsheim.

Viele Grüße aus Badisch-Sibierien

Christoph

AlterFreund

#39
Die Barbiere werden schon kostendeckend gearbeitet haben  und auch ihren Materialbedarf (auch die Pasten) mit einberechnet haben.
Damals bestellte man seine Sachen nicht im Internet, sondern es gab meistens einen Metall- Haushalts- und in größeren Wohnorten Kolonialwarenhandel. Dort bekam man vom Nagel über die Schaufel bis zur Stangenpaste und Zuckerstange alles.

Da ich schon einige alte Rasurkästen in die Hände bekommen habe kann man sagen: Einen über ein geholtes Stück Holz gespanntes Leder war immer enthalten. Nur: Schleifpasten waren nie dabei, wenn ein Stein im Set enthalten war! Dann wurde das Leder blank verwendet.
Mir erscheint manchmal, dass die Pasten nur der verwendet hat der sich keinen Stein leisten konnte.
Ich müsste noch dazu sagen dass die Steine immer Thüringer oder GBB waren, also passt meine Beobachtung wahrscheinlich
eher in die Epoche vor den künstlichen Steinen die eventuell etwas günstiger waren?

Grüße

Meine Ausrüstung: Rasierseifen:25 / Rasiercremes:32 / After-Shaves:19 / Rasierpinsel:13 / Rasierhobel:5 / Rasiermesser:46 / Schleifsteine: 16
Haute Montagne - Lang und hoch lebe mein geliebter Pyrenäen-Dachs !     ;D

strawinski

stell dir mal ne andere frage...wie haben die sich im ersten weltkrieg rasiert. mit nem armeemesser, kaltem wasser und ohne große Cuts....da sind wir doch mit unseren steinen, mikroskopen etc verwöhnte bälger....ne wissenschaft um den bart.....eigentlich erbärmlich für uns.....wos doch so einfach wäre....
Das Licht kam in die Finsternis. Doch die Finsternis begriff es nicht.

Tim Buktu

Klar ist es einfach, Du hast vollkommen Recht! Ich möchte mich aber nicht "nur" einfach rasieren, sondern Spaß daran haben. Der kommt mit der Auseinandersetzung mit den Thema bis ins Detail. Wollte ich mich "nur" rasieren wäre ich nicht hier unterwegs, zumindest nicht so lange Zeit.
Tranquilo - In der Ruhe liegt die Kraft...

PS: Alles nur meine persönliche Meinung, die sich durchaus beeinflussen lässt und sich deshalb gelegentlich auch ändert!

Stoppelfeld

Mit einem Gillette Old Type DE Rasierer, was auch den Aufstieg dieser Marke begründet.

Hier geht es nicht um einfach, auch nicht um kompliziert, hier geht es um Stil & Freude an und bei der Nassrasur. Erbärmlich ist daran für mich nichts.

In_Je_Ner

#43
Also mein erstes Messer (Heartring von Eicker und Söhne) habe ich von meinem alten Friseur geschenkt bekommen und ein Streichriemen oben dran als ich den Wunsch geäußert habe mich selbst mit einem Messer zu Rasieren. Er hat mich nur angelächelt und sagte -Das habe ich in meinem ersten Leben verwendet, etzt nehme ich nur noch ein mit wechselklinge! Dann hat er mir erzählt und gezeigt wie man auf dem Thüringer mit öl schleift und auf dem Leder abzieht. Von Pasten und anderem zeugs hat er auch nix gewust, meinte aber dass bei Problemen die Messer zum Hesteller geschick wurden und dort auf der Filzscheibe gerichtet wurden.

Auf jeden Fall waren die Messer für die einfach Gebrauchsgegenstände etwa wie beim Metzger das Messer, es war einfach scharf genug um die Arbeit zu erledigen !
Eine Lupe mit 30 Facher vergrößerung was wir heutezutage beim schärfen nehemen oder ein USB- Microscope hatten die definitv nicht ;D ;D ;D und hätte man es den damals gezeigt dann wäre man vermutlich ausgelacht!
Willkommen in meiner Herstellerecke

shaved

Thüringer und Öl? Du hast nicht zufällig ein Foto des Steines?
Stumpfe Messer schärft man. Schleifen ist etwas anderes.