Max Sommer (Wald-Solingen) – Estas, Ocanita u.a.

[Tammy_0105]

Über Fronleichnam habe ich einen Kurzurlaub in der Toskana gemacht. Der einzige Antikladen, den ich gesehen habe, befand sich in Siena. Ohne große Erwartung ging ich hinein und sagte, ich sammle Rasiermesser und ob sie eventuell Rasiermesser haben. Daraufhin zeigte mir die Verkäuferin einen sehr alten Elektrorasierer, für den ich aber keine Verwendung hatte . Kurz darauf sagte sie, es sei vor ein paar Tagen noch etwas hereingekommen, das noch nicht eingeräumt worden sei. Sie öffnete ein Kistchen in der Größe eines Schuhkartons und neben vielen anderen kleineren Teilen befand sich ein Rasiermesser darin.
Es sah schon etwas mitgenommen aus, aber in Urlaubsstimmung entschied ich mich, es für einen kleinen Betrag zu kaufen. Die Marke ESTAS hatte ich schon ein paarmal im Internet gesehen.
Zuhause entfernte ich den Rost und reinigte es. Den aktuellen Zustand könnt Ihr auf den folgenden Bildern sehen.
Es handelt sich um eine vollhohl ausgeschliffene 4/8"-Klinge, in die eine Verzierung und das Wort ,,EDELSTAHL" geätzt ist. [Mit Sicherheit ist hier nicht der rostfreie Stahl, den wir heute unter dem Begriff verstehen, gemeint.]
Auf der Vorderseite des Erls findet sich ein Mann (vielleicht ein Bauer?), der sich mit einer Pflanze beschäftigt und der Name ,,ESTAS" Die Klingennummer ist 43.
Auf der Rückseite findet man erneut das Logo des Mannes mit der Pflanze und die Angabe ,,Max Sommer" und ,,Solingen-Wald", woraus ich schließe, dass dieses Messer nach 1929 hergestellt wurde. Das Messer selbst habe ich zweimal benutzt, es rasiert wie erwartet gut.













In meinen Unterlagen konnte ich bereits einiges über Max Sommer finden, aber es kam mir merkwürdig vor, dass alles, was ich an Informationen gesammelt hatte, 1938 aufhörte.
Ich komme gleich dazu, erst einmal von Anfang an:
1920 gründete der Kaufmann und Fabrikant Max Sommer seine Stahlwarenfabrik in der Altenhoferstraße 21 in Wald. Das Haus gehörte ihm nicht, er war dort Mieter.
1923 trat auch Hugo Sommer als Gesellschafter in die Firma ein. Ich vermute es handelte sich um den jüngeren Bruder von Max.
Die mir bekannten Warenzeichen ,,Estas" (1920), ,,Elpinor" (1922), ,,Flli Sommer Wald-Solingen" (1922), ,,Ocanita" (1922), ,,Mann mit Pflanze" (1922), ,,Resegone" (1923) wurden zwischen 1920 und 1923 registriert.
Nach verschiedenen Umzügen, auf die ich nicht eingehen möchte, befand sich im Jahr 1938 die Stahlwarenfabrik Max Sommer in der Karl-Allmenröder-Straße 2 (heute die Corinthstraße). Das Haus der Familie Max Sommer befand sich in der Deller Straße 12 und das der Familie Hugo Sommer in der Dültgenstahler Straße 13.

Was ich bis vor Kurzem nicht wusste, ist, dass die Familie Sommer jüdischer Abstammung war und im Jahr 1938 Opfer des Novemberprogroms in Solingen wurde. In dem im Internet zugänglichen Werk von Stephan Stracke ,,Der Novemberprogrom 1938 in Solingen im Spiegel der Justiz" aus dem Jahr 2018 wird beschrieben, dass die Büroräume der Stahlwarenfabrik Max Sommer und die Häuser der Familien Max und Hugo Sommer überfallen wurden. Max Sommer, seine Frau und ihre beiden Kinder konnten im März 1939 in die Schweiz emigrieren, Hugo Sommer wurde verhaftet und bis Dezember 1938 im KZ Dachau festhalten, bevor er ebenfalls im März 1939 mit seiner Frau und den drei Kindern in die Schweiz emigrieren konnte. Das weitere Schicksal der Sommers ist mir nicht bekannt.

Es hat mich sehr betroffen gemacht, als ich das gelesen habe und es kommt mir jedes Mal wieder in den Sinn, wenn ich das Rasiermesser in die Hand nehme.

[MRetro]

Ein bewegendes und sehr schönes Stück Zeitgeschichte, dass du wieder toll hinbekommen hast, @Tammy_0105.

[Brille]

+1

[Tim Buktu]

Ein bewegendes und sehr schönes Stück Zeitgeschichte, dass du wieder toll hinbekommen hast, @Tammy_0105.