Reparatur eines gebrochenen Kunststoffheftes

Begonnen von Tammy_0105, 11. Mai 2024, 13:59:59

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Tammy_0105

Dieses historische Messer habe ich schon einige Zeit. Leider ist die Schale auf der Rückseite gebrochen und das Messer damit nicht einsetzbar.
Es handelt sich um einen ,,The Sir Isaac Newton Razor", der von Friedr. Ern & Co in Weyer bei Ohligs hergestellt wurde.
Das schwarze Heft hat die Bezeichnung des Messers eingeprägt. Deshalb war es von Anfang an klar, dass ich dieses Heft auf jeden Fall erhalten möchte.


Der Schmierfilm auf der Klinge auf den beiden Fotos stammt von Vaseline, mit der ich sie gegen Rost geschützt habe.
Diese Bilder zeigen das gebrochene Heft. Man erkennt auch gut, wieviel Schmutz sich in den vergangenen 100 Jahren angesammelt hat:



Bereits im August letzten Jahres hatte ich @Standlinie per PN kontaktiert und um Rat gefragt, wie man die Reparatur am besten ausführt. Ich bekam eine äußerst nette Antwort und eine sehr ausführliche Anleitung mit vielen Tipps. Lieber Peter, an dieser Stelle noch einmal herzlichen Dank für Deine Hilfsbereitschaft und kompetente Beratung.
Zur Ausführung der Reparatur bin ich erst in den letzten Tagen gekommen.
Ich habe mich weitestgehend an die Vorschläge von @Standlinie gehalten. Normalerweise dokumentiere ich einzelne Schritte nicht und konzentriere mich auf das Ergebnis, hier war es mir aber wichtig.
Und hier Abbildungen der Klinge nach Entfernung des Erlniets.



Um die Bruchstücke zu verbinden, habe ich mir ein 0,5 mm dickes Alublech besorgt. Alternativ hätte ich ein dünneres Stahlblech nehmen können, aber mit dem vorhandenen Werkzeug erschien mir die Bearbeitung von Aluminium leichter.
Ich habe die unbeschädigte Heftseite als Vorlage genutzt und die gewünschte Form auf das Aluminiumblech gezeichnet. Ausgeschnitten habe ich das Stück mit einem Seitenschneider und die Kanten des Blechstücks dann mit Schleifpapier behandelt. Ich habe auf diese Weise zwei Blechstücke hergestellt, weil ich zu dem Zeitpunkt noch nicht wusste, ob ich auch prophylaktisch die unbeschädigte Seite stabilisieren möchte. (Das habe ich dann aber doch nicht gemacht.)




Als Kleber habe ich den 2-Komponentenkleber ,,UHU Plus Endfest" benutzt. Die Fixierung zwischen Heft und Aluminiumstück habe ich mit einer kleinen Zwinge auf einem Stück eines Plastikbeutels vorgenommen. Das kleinere abgebrochene Stück konnte ich nicht auf die gleiche Weise fixieren, sondern habe es nur gegen das größere Stück geschoben, deshalb ist die Verbindung nicht perfekt geworden.
Hier sieht man das Ergebnis der Verklebung. Die Außenseite war nicht bündig verklebt, deshalb habe ich die Stelle mit Schleifpapier (800, 1200, 1500) beigeschliffen und anschließend mit einer Polierpaste und einem Microfasertuch poliert.
Den Riß sieht man immer noch deutlich, aber das Heft hält und ist sehr stabil.





Ich habe die glänzende Metallfläche zuerst mit einem schwarzen Edding-Stift übergemalt und das Messer wieder mit dem Heft vernietet.
Ich habe mich dann noch entschieden, die durchschimmernden Stellen mit schwarzer Modellbaufarbe überzustreichen, die ich aber erst besorgen mußte.


Hier das Endergebnis der Reparatur:




Auch wenn man den Riss noch sieht und jemand mit mehr Erfahrung ein besseres Ergebnis erzielt hätte, bin ich erst einmal zufrieden.
Voller Freude habe ich mich an das Schärfen des Messers gemacht und mich bereits auf die erste Rasur damit gefreut.
Ich musste aber während des Schärfens feststellen, dass der Rücken der Klinge nicht ganz gerade verläuft, sondern vom Erl zur Spitze betrachtet sich ganz leicht bananenförmig nach links biegt.
Leider so, dass ich keine gleichmäßige Facette hinbekomme. Um die Klinge nicht zu ,,verhunzen", habe ich die Schärfaktion vorläufig eingestellt und überlege erst einmal, wie ich nun weiter vorgehen werde.

MRetro

@Tammy_0105

Fein hinbekommen. dh:
Das hat sich in jedem Falle gelohnt, das Heft zu retten.

Standlinie

Tolle Arbeit und ein schönes Ergebnis.

In Abhängigkeit von der Größe der sichtbaren Bruchstelle kannst Du diese auch ausbessern. Dazu brauchst Du Deinen Kleber und ein Farbpulver. Bei schwarzen Griffschalen verwende ich die nach der Pyrolyse meines Gasgrills übriggebliebenen Grillrückstände. Die Ascherückstände sind fettfrei und lassen sich mit einer Drahtbürste entfernen. Der Aschestaub ist so feinstkörnig, dass er als feines Farbpulver verwendet werden kann.

Bei alten Rasiermessern sind die Klingenkörper oft minimal verzogen und damit nicht gerade. Beim Steinabzug entstehen unterschiedlich breite Facetten, an die ich mich auch erst gewöhnen musste. Allerdings sollten wir immer im Hinterkopf bewahren, dass auch alte Rasiermesser zu ihrer Zeit nichts anderes waren als einfache und normale Gebrauchsgegenstände. Es zählte zuerst die Funktion und danach erst Schönheit und Ästhetik.

Ich habe einmal ein altes französisches Rasiermesser aufgearbeitet und den Werdegang unter dem Titel "Peter Paris Rasiermesser" hier im Forum veröffentlicht. Vielleicht kann Dir dieser Beitrag helfen, darüber zu entscheiden, wie Du Dein schönes Rasiermesser abschließend behandelst. Ich wünsche Dir schon jetzt viel Erfolg dabei.
Die Nachhaltigkeit einer gründlichen Nassrasur zeigt sich 24 Stunden später an nur gering und gleichmäßig nachgewachsenen Bartstoppeln.

Paula

@Tammy_0105 Großartig, wieviel Mühe Du Dir gibst, den Originalzustand bestmöglichst zu erhalten. Respekt vor Deinem handwerlichem Geschick, die Reparatur ist wirklich sehr gut geworden! Die Idee (@Standlinie dh:) ein dünnes Alublech zu benutzen muss ich mir merken.

Zitat von: Standlinie am 11. Mai 2024, 16:39:14und damit nicht gerade. Beim Steinabzug entstehen unterschiedlich breite Facetten
Ich würde schätzen, daß bei 2 von 3 Messern, die ich vom Flohmarkt habe, die Facetten über die Schneidenlänge in der Breite schwanken. Ein schmaler Stein könnte evtl. hilfreich sein.

alvaro


Tammy_0105

@MRetro , @Standlinie , @Paula und @alvaro , vielen Dank für Eure Kommentare.

Zitat von: Standlinie am 11. Mai 2024, 16:39:14Bei schwarzen Griffschalen verwende ich die nach der Pyrolyse meines Gasgrills übriggebliebenen Grillrückstände. Die Ascherückstände sind fettfrei und lassen sich mit einer Drahtbürste entfernen. Der Aschestaub ist so feinstkörnig, dass er als feines Farbpulver verwendet werden kann.
Vielen Dank für diesen Tipp, das werde ich ausprobieren. Ich habe mir auch den Strang zu dem Peter-Paris-Rasiermesser durchgelesen und ich stimme in das Lob der Kollegen ein: Das ist wirklich ein ganz hervorragender Beitrag, der sich auch noch spannend liest. dh:  dh:  dh: .
Nach Deiner Analyse des Ist-Zustandes des Peter-Paris-Messers, werde ich mir mein Messer noch einmal genauer anschauen, bevor ich entscheide, wie ich mit der Schärfung weitermache und auch @Paula's Hinweis mit einem schmalen Stein noch einmal in Erwägung ziehen.

Für heute meinen besten Dank an Euch.