A. Haag & Co, Wald (“Lindbergh”, “Krone Feder”)

Begonnen von Tammy_0105, 12. August 2023, 22:00:40

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Tammy_0105

Seit längerem möchte ich Euch gerne dieses Messer eines meiner Meinung nach weitgehend unbekannten Herstellers zeigen, ich bin aber bisher nicht dazu gekommen. Trotz der Gebrauchsspuren gefällt mir dieses Messer besonders gut und ich benutze es seit ein paar Wochen ausschließlich.

Es hat eine 11/16" vollhohl ausgeschliffene Klinge mit geradem Kopf und Barber's Notch. Als ich es auf der eBay-Seite eines polnischen Händlers sah, fand ich vor allem die Punzierung auf dem Erl interessant. Es zeigt eine Krone über einer Blattfeder. Irgendwann vor längerer Zeit muß ich einmal das auf dem Erl gezeigte Warenzeichen gefunden und abgelegt haben. Ich konnte mich nicht mehr daran erinnern, aber als ich dieses Messer sah, fand ich das Warenzeichen bei der Suche in meinem Archiv wieder. Damit konnte ich das Messer dem Hersteller ,,A. Haag & Co" in Wald zuordnen.

Über die Firma findet man nicht viel. Immerhin wird sie unter der Seite "www.archivingindustry.com" gelistet: A. Haag & Co. Solingen-Wald: Klommenberg 17 in 1939 and 1988. Brand name: 'Lindbergh' (c. 1928).

Das Warenzeichen ,,Lindbergh" ist eine Hommage an den amerikanischen Piloten Charles Lindbergh, der am 21. Mai 1927 als erster Mensch allein und nonstop den Atlantik überflog. Offensichtlich hat diese Leistung die damaligen Firmeninhaber so beeindruckt, daß sie die Eintragung des Namens und des Konterfeis des Piloten als Warenzeichen bereits eine Woche später beantragten. Ihr findet es auf dem vorletzten Bild in diesem Beitrag.

Erst einmal zu dem Messer:
Man kann auf den Fotos (vor allem dem zweiten Bild) erkennen, daß die Klinge Schleifspuren hat, ich vermute, einer der Vorbesitzer hat sie einmal mit Schmirgelpapier behandelt ☹. Deshalb kann man die Klingenätzung ,,10 ARS GARANTIE" selbst unter guten Lichtbedingungen nur noch schwer erkennen. Aufgrund der Klingenätzung gehe ich davon aus, daß das Messer für den skandinavischen Markt hergestellt wurde.









 

Nun zum Hersteller:
  • 1908 gründete der Schleifer Alfred Haag in seinem Elternhaus in der Weststraße 18 in Wald die Firma A. Haag & Co zusammen mit Oskar Schlingensiepen, dessen Beruf Packer war. Die Firma widmete sich von Anfang an der Herstellung von Rasiermessern.
  • Bereits 1911 wurde die Gesellschaft aufgelöst, Alfred Haag führte die Firma unter dem bisherigen Namen weiter und Oskar Schlingensiepen ging wieder in seinen vorherigen Beruf zurück.
  • 1921 wurde das Warenzeichen ,,Krone Feder" eingetragen.
  • Als Alfred Haag im Jahr 1925 verstarb, wurde die Firma von seiner Witwe weitergeführt.
  • 1927 wurde das Warenzeichen ,,Lindbergh" registriert. Im gleichen Jahr trat Fritz Dieser als Teilhaber in die Firma ein.
  • 1933 wurde die Gesellschaft aufgelöst und Fritz Dieser führte die Firma allein weiter.
  • 1935 wurde die Weststraße im Stadtteil Wald umbenannt in Klommenberg und die Firmenadresse wurde zu Klommenberg 17. Unter dieser Adresse bestand die Rasiermesserfabrik noch viele Jahre weiter. Ich beendete meine Recherche mit dem Adressbuch von 1978, dort wird die Firma mit der Inhaberin Eleonore Dieser gelistet.
  • Dem Eintrag auf achivingindustry zufolge gab es sie aber mindestens noch bis 1988 unter dieser Adresse.

PS: Ich vermute seit ein paar Jahren, daß AHACOWA ebenfalls eine Marke von A. Haag & Co, Wald war. Nimmt man die Anfangsbuchstaben der einzelnen Wörter des Firmennamens, kann den Begriff leicht daraus bilden.
A. HA(ag) & CO, WA(ld). Ich bin mir ziemlich sicher, weil mir kein anderes Solinger Stahlwarenunternehmen bekannt ist, dessen Name eine bessere Übereinstimmung geben würde. Leider gelang es mir bisher nicht, das Warenzeichen zu finden und damit die Vermutung zu untermauern.

Übrigens hat vor 13 Jahren schon einmal ein Kollege in diesem Forum ein AHACOWA-Messer vorgestellt: AHACOWA-Messer

EasyRider

Großartig!  dh:  dh:  dh:
Es ist für mich der reinste Genuss, deine mit so viel Akribie recherchierten historischen Abhandlungen zu lesen. Das ist ein echter Gewinn für dieses Forum und für jeden User, der an Geschichte interessiert ist. Vielen Dank dafür!

Und das Messer ist eine Augenweide, trotz - oder gerade wegen - seiner schlichten Eleganz. Hab viel Freude damit!

Freue mich schon auf deinen nächsten Beitrag.


Standlinie

Eine ganz hervorragende Recherche, die ihresgleichen sucht.  dh:

Du kannst Deine Vermutung zur Namensbildung AHACOWA selber auf ihre Richtigkeit hin überprüfen. Bei wissenschaftlichen Untersuchungen ist es allgemein üblich, zu unterstellen, dass eine vermutete Lösung, die sich nicht zufriedenstellend als richtig beweisen lässt, tatsächlich der gesuchten Lösung entspricht. Danach werden dann Thesen, Argumente und Beweise gesucht, die die zuvor als richtig angesetzte Lösung widerlegen sollen. Einen 100 prozentigen Beweis wird es mit hoher Wahrscheinlichkeit nicht geben, aber man kann so die zuvor bestehende Ungewissheit ein wenig eingrenzen.
Die Nachhaltigkeit einer gründlichen Nassrasur zeigt sich 24 Stunden später an nur gering und gleichmäßig nachgewachsenen Bartstoppeln.

MRetro

Wieder ein sehr spannender Bericht, @Tammy_0105. Vielen Dank. dh:
Dein Messer mit Geradkopf und halbrunden Notch gefällt mir ebenfalls.
Aus welchem Material sind die Heftschalen?

Interessant finde ich die Kombination des Markenzeichens ,,Krone und (Blatt)Feder", da letzteres ja eher mit der weniger filigranen Metallindustrie in Verbindung gebracht würde.
Ist dir da noch einen Zusammenhang bekannt?

Tammy_0105

@EasyRider, @Standlinie und @MRetro, vielen Dank für Eure positiven Rückmeldungen, über die ich mich sehr freue  :) .

Zitat von: Standlinie am 13. August 2023, 01:43:49Du kannst Deine Vermutung zur Namensbildung AHACOWA selber auf ihre Richtigkeit hin überprüfen. Bei wissenschaftlichen Untersuchungen ist es allgemein üblich, zu unterstellen, dass eine vermutete Lösung, die sich nicht zufriedenstellend als richtig beweisen lässt, tatsächlich der gesuchten Lösung entspricht. Danach werden dann Thesen, Argumente und Beweise gesucht, die die zuvor als richtig angesetzte Lösung widerlegen sollen. Einen 100 prozentigen Beweis wird es mit hoher Wahrscheinlichkeit nicht geben, aber man kann so die zuvor bestehende Ungewissheit ein wenig eingrenzen.
@Standlinie, das ist ein interessanter Ansatz, den ich so noch gar nicht kannte.

Zitat von: MRetro am 13. August 2023, 09:39:17Aus welchem Material sind die Heftschalen?
@MRetro, ich vermute aus Ebonit, vielleicht auch aus Celluloid. Da bin ich kein Experte. Den Test mit der heißen Nadel zur Identifizierung von Celluloid habe ich nicht ausgeführt. Vielleicht hole ich das bei Gelegenheit einmal nach.

Zitat von: MRetro am 13. August 2023, 09:39:17Interessant finde ich die Kombination des Markenzeichens ,,Krone und (Blatt)Feder", da letzteres ja eher mit der weniger filigranen Metallindustrie in Verbindung gebracht würde. Ist dir da noch einen Zusammenhang bekannt?
@MRetro, zu der Blattfeder als Teil des Warenzeichens habe ich keine wirkliche Vermutung.