M. Pönitz Nachf. (Solingen)

Begonnen von Tammy_0105, 20. Mai 2023, 15:06:20

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Tammy_0105

Hier ein Rasiermesser eines Herstellers, den ich nur durch Zufall identifizieren konnte und von dem ich vorher noch nicht gehört hatte.







Vor einiger Zeit kaufte ich dieses Messer wegen der Elfenbeinschalen und weil ich es insgesamt optisch ansprechend fand. Es kam mit dem gezeigten sargförmigen Etui, war aber in einem Zustand, in dem man es nicht nutzen konnte. Die Klinge hatte ein zweites Erlloch bekommen, durch welches der Niet (eigentlich ist das kein Niet, sondern ein Nagel) geht und paßte nicht mehr in das Heft, so daß die Klingenspitze beim Schließen des Messers vorsichtig durch den Bleikeil geführt werden mußte. Außerdem hatte sie unheimlich viel seitliches Spiel. Ein Wunder, daß sie die Zeit unbeschadet überstanden hat. Den Elefanten auf dem Erl konnte ich lange nicht zuordnen. So legte ich das Messer erst einmal beiseite.

Durch Zufall konnte ich später den Hersteller identifizieren: Genau der auf dem Erl sichtbare Elefant wurde als Warenzeichen für die Firma ,,M. Pönitz Nachf." 1887 in Solingen eingetragen. Der Name der Firma steht für Moritz Pönitz Nachfolger.
Über Moritz Pönitz selber ließ sich nicht besonders viel finden: 1862 muß er seine Firma bereits besessen haben, denn in dem Jahr erteilte er seiner Frau Johanna Eugenie Pönitz, geb. Klasing Prokura. Laut Solinger Adressbuch von 1869 hatte er eine Manufakturwarenhandlung in der Goldstraße. Er war Gründungsmitglied der Solinger Volksbank, deren Vorstand er von 1869 bis 1873 angehörte. Er war also kein Stahlwarenfabrikant.

1879 verkaufte er seine Firma an Reinhard Schaaf und Emil Bangert, Letzterer schied aber nach 2 Jahren als Gesellschafter aus, Reinhard Schaaf führte die Firma seitdem allein weiter. 1884 ist die Adresse von Reinhard Schaaf, Inhaber von M. Pönitz Nachf., Tafelmesserfabrikant, die Grünewalderstraße 48. Das liegt ganz dicht bei den Werken von J. A. Henckels (Zwilling) und Friedr. Herder Abr. Sohn.
1895 ging die Firma auf dessen Söhne Karl Reinhard Schaaf, Karl Wilhelm Schaaf und Robert Schaaf über. Von denen schied 1898 Robert Schaaf aus der Gesellschaft aus und gründete im folgenden Jahr seine eigene Firma. Der Kollege @Standlinie hat hier im Forum vor einiger Zeit Bilder aus einem Katalog von Robert Schaaf gezeigt: Katalog Robert Schaaf .

Die anderen beiden Brüder veräußerten die Firma 1905 an die Kaufleute Siegfried, Max und Alfred Feist, die die Firma unter dem gleichen Namen fortsetzten. Die kennt man, weil ihnen auch die bekannte Firma Joseph Feist (Omega-Werk) in Solingen gehörte.
Interessanterweise blieb die Adresse von M. Pönitz Nachf. unverändert in der Grünewalderstr. 48/50 bis zum Jahr 1927, wo die Firma das letzte Mal im Adressbuch genannt wurde. Hier ein Auszug aus dem Adressbuch von 1907.


Dennoch gab es die Firma bis Ende 1938 bevor sie dann von Amts wegen gelöscht wurde.
1938 ist das Jahr, in dem die Brüder Feist, die jüdischer Abstammung waren, nach der Progromnacht am 9. November Deutschland verlassen haben und noch rechtzeitig nach Lissabon fliehen konnten.

Ich denke das oben gezeigte Messer stammt aus der Zeit, in der die Firma der Familie Schaaf gehört hat und würde es grob auf 1890 datieren.
Der Hintergrund für die Bilder ist eine Originalrechnung der Firma M. Pönitz Nachf. vom 25. Oktober 1901, die ich günstig kaufen konnte.

Meinen herzlichen Dank möchte ich an den Forumskollegen @Solinger richten, weil er mir das Messer freundlicherweise und unkompliziert wieder hergerichtet hat, so daß es wieder voll funktionsfähig ist. Von ihm weiß ich nun auch, daß es sich bei den Schalen um Walroßbein handelt.

EasyRider

Du bist ein begnadeter Historiker. Hut ab!  dh:

MRetro

Sehr schönes Messer und wieder spannende Hintergrund-Informationen.  dh:

Rockabillyhelge

Auch mit Bart immer gut rasiert :)

Brille

Sehr sehr schönes Messer  dh:  dh: