Standzeit erhöhen - Ledern, Pasten oder wie?

Begonnen von alvaro, 16. Februar 2020, 11:38:02

Vorheriges Thema - Nächstes Thema

0 Mitglieder und 1 Gast betrachten dieses Thema.

alvaro

Ich sehe mich schon in der Küche stehen und die Fragen meiner Frau beantworten  :angel:
Finde ich aber eine tolle Idee, besonders wenn sie erprobt ist

@godek
Hast du das ZY komplett neu durchgeschärft, oder nur "irgendwie" rasurscharf gemacht?

Standlinie

Zitat von: godek am 20. Februar 2020, 19:56:17
So langsam wird das Thema für mich akut. Ich hatte ja 3 Messer selber rasierscharf gemacht.

Die letzte Rasur mit dem ZY 430 war nicht so toll. Ich habe das jetzt mal 70x geledert. Nach der nächsten Rasur muss ich mir dann wohl überlegen, was ich mache. Paste? Oder gleich in den Karton mit den stumpfen Messern?

mfg
godek

Ich beschreibe hier einmal, wie ich meine Rasiermesser in der Regel abziehe und darüber eine sanfte und sehr gründliche Schärfe hinbekomme:

- 800er Naniwa (1 Lage Tape),
- 1.000er Naniwa (1 Lage Tape),
- 3.000er Naniwa (1 Lage Tape),
- GBB (1 Lage Tape),
- Koraatschiefer (2 Lagen Tape),
- 10 Züge auf dem Pastenriemen (ohne Tape), mit minimalem Druck; der Riemen hängt minimal durch;
- 50 Züge auf Jewgenijs Forumsriemen (ohne Tape), ohne Druck; der Riemen hängt minimal durch.

Ich wechsele das Tape immer dann, sobald sich beim Steinabzug Abriebsstellen am Tape zeigen. Vor jedem Steinwechsel tausche ich das Tape grundsätzlich aus. Die ersten beiden Steine verwende ich solange, bis die mit diesen Steinen erzielte Schärfe dafür ausreicht, die Haare meines Armes abzukappen. Die Endschärfe ist für mich dann erreicht, wenn ich die Rasiermesserschneide unter etwa 30 Grad an die Armhaut heranführe und beim Kontakt mit den dortigen Haaren diese sofort wegspritzen, ohne dass ich es überhaupt erfühle. Diese erreichte Zustandsschärfe der Schneide sorgt für die von mir gewünschten sanften Rasuren.

Alle Steine werden von mir nicht zuvor gewässert. Das Wasser wird erst beim Abzug mit den Fingern aufgetragen und sobald es einziehen will großzügig ergänzt.
Ob man nun mit dem 800er Stein beginnt oder gleich auf den 1.000er übergeht, bleibt jedem selber überlassen. Der 3.000er muss auch nicht zwingend erforderlich sein. Ich hatte ihn und ich nutze ihn. Bei mir hat sich diese Steinkombination bewährt.
Die Nachhaltigkeit einer gründlichen Nassrasur zeigt sich 24 Stunden später an nur gering und gleichmäßig nachgewachsenen Bartstoppeln.

godek

Zitat von: alvaro am 20. Februar 2020, 19:58:06
@godek
Hast du das ZY komplett neu durchgeschärft, oder nur "irgendwie" rasurscharf gemacht?

Das volle Programm. Mein 430er hatte sogar einen nervigen Stabilistator. Diesen also weggedremelt, dann 325er DMT für Facette und dann meine 4 Naniwa bis zum 8k.

Muss das mal in Ruhe beobachten. Nach dem misslungenen Versuch, mich mit dem yaqi slant zu rasieren braucht meine Haut erst mal eine Pause.

mfg
godek

alvaro

Achtung Klugscheißmodus an! ;D

Ich würde das Messer noch einmal auf die Steine nehmen.
Nach dem ersten Stein, und vor dem "Armhaartest", ordentlich ledern.
Ich vermute du hast eine Grat an der Facette, das hatte ich auch schon bei den Billigsäbeln.
Wenn du aber einen Grat an der Facette hast kannst du beim "Armhaartest" das Gefühl haben du wärst "durch".
In Wirklichkeit bist du aber nicht "durch" sondern testest den Grat, und der ist scharf.
(Ich bin auch schon öfter in diese Falle getappt)

Überhaupt würde ich deswegen nach jedem Stein ledern.
(Zumindest wenn du dir nicht sicher bist mit dem Messer)
Das verringert das Risiko der Gratbildung auch auf den folgenden Steinen

BastlWastl

Da ich mich nur noch selten mit dem Messer bearbeite aber im Job (als Koch) sehr viel mit Küchenmessern experimentiert habe hier ein paar durchaus übertragbare Folgerungen.

-Je höher/stabiler der Winkel desto länger die Standzeit, ist ja logisch.
-Je feiner die Schneide ausgeführt ist desto länger die Standzeit, denn im Prinzip können mit einer Schneide die so dünn ausgeschliffen ist genau 2 Dinge zum "versagen" führen,
    -kleinste Beschädigungen der Schneidkante
    -plastische Verformung der Schneidkante (der Grad legt sich um bzw. entsteht).

     Hierbei ganz wichtig! um die Rasur bzw. das Druckschnittverhalten zu verbessern kommen ja nicht zu unrecht Natursteine zum Einsatz, sogar in der Küche bringt das enorme Vorteile,
     die sich auch nachweißen lassen. Bei der Rasur mit sagen wir 0,5my oder noch feinerem Lapping Film werden zum Teil (je nach Vorlieben natürlich!) unangenehme "Nebenwirkungen"
     wahrgenommen die sich durch Natursteine besänftigen lassen ohne an unmittelbarer Schärfe zu mangeln.

Daher meine Empfehlung wenn ihr euch möglichst lange mit einem Messer rasieren wollt ohne zu pasten, finisht die Klingen so fein wie möglich mit einem möglichst hohen Winkel (also mal probieren wie viel Winkel euch gerade noch so taugt (bei mir sind das etwas unter 19 Grad Gesamtwinkel).
Also Finish mit bis zu 0,03my Lapping Film z.B. und im Anschluss auf einen sehr gut eingebrochenen Arkansas/Forelle Sächsischen Ölstein/Jaspis um dem Messer die "Aggressivität" zu nehmen ohne die Schärfe merklich zu beeinflussen. Die letzten Schübe nur gegen die Schneide und mit so wenig Druck wie möglich durchführen.

Dies führt zu der höchst möglichen Standzeit meiner Erfahrung nach. Dazu dann noch möglichst Fehlerfreies Ledern auf einem unbehandelten Riemen.

Grüße Wastl.


multicast

Meinst Du mit "höher" einen größeren Winkel?

BastlWastl

Zitat von: multicast am 26. Februar 2020, 08:52:07
Meinst Du mit "höher" einen größeren Winkel?

Ja natürlich. Das währe mal die einfachste Methode die Standzeit zu erhöhen.

Grüße Wastl.

Paula

Zitat von: BastlWastl am 26. Februar 2020, 08:08:21
-Je feiner die Schneide ausgeführt ist desto länger die Standzeit, denn im Prinzip können mit einer Schneide die so dünn ausgeschliffen ist genau 2 Dinge zum "versagen" führen,
    -kleinste Beschädigungen der Schneidkante
    -plastische Verformung der Schneidkante (der Grad legt sich um bzw. entsteht).
Verstehe ich es richtig, ich könnte es bei meinem nächsten Auffrischen statt mit der swarzen Paste mal mit einer zusätzliche Lage Klebeband (es wären dann zwei, weil ich zuvor mit einer geschärft hatte) und dem feinsten Stein den ich habe (15k Waliser) probieren? Es müssten dann wohl einige wenige Schübe nur mir Wasser reichen, oder?
Auch diese Weise könnte ich vergleichen, wie lange die Auffrischintervalle bei Pasten und bei Steinen sind. Ich überlege es mir das einmal. weil ich eigentlich versuchen wollte, mein aktuelles Messer nur mit Pasten aufzufrischen, bis nix mehr geht und weil ich "auf den Steinen" nicht so gut bin.

Standlinie

Ich wollte mich doch noch mal kurz zu diesem Thema melden.
Bevor ich bei einem Rasiermesser die Standzeit durch Pasten- und Lederriemen verlängere, könnte ich noch einen Schritt weiter gehen und noch viel früher anfangen. Welche Standzeit erreicht werden wird, hängt doch ganz entscheidend auch von der Stahlqualität des eingesetzten Rasiermessers ab. Und dies haben aus meiner Sicht besonders französische Rasiermesserhersteller frühzeitig erkannt und darauf auch entsprechend reagiert. Sie unterschieden ihre Kunden in zwei Kategorien. Die erste Kategorie Rasiermesserliebhaber berücksichtigte den so genannten Normalkunden mit einem "normalen" Bartwuchs. Für diese Käuferschicht wurden Rasiermesser in normaler Stahlqualität hergestellt und auch verkauft.
Die zweite Kategorie Rasiermesserliebhaber hatte härtere und wohl auch dickere Barthaare. Für diese Kunden wurden Rasiermesser aus härterem Stahl hergestellt. Diese Art von Rasiermessern aus (früherer) französischer Fertigung ist daran zu erkennen, dass sie auf der linken Klingenseite mit einem speziellen Schriftzug versehen waren - "Pour Barbes Dures" - , für harte Bärte. Wenn ich mir also eines dieser älteren Rasiermesser zulege, werde ich allein schon aufgrund des härteren Stahles höhere Standzeiten erreichen können. Und jeder hier im Forum, der einmal eines dieser französischen Rasiermesser auf seinen Steinen abgezogen hat weiß, dass er wegen der Stahlhärte dafür auch mehr Zeit investieren musste. Aber das war es auch wert.
Die Nachhaltigkeit einer gründlichen Nassrasur zeigt sich 24 Stunden später an nur gering und gleichmäßig nachgewachsenen Bartstoppeln.

Paula

Haben die Messer aus dem härteren Stahl, neben dem höheren Preis, auch einen Nachteil für den "Normalbart" Rasierer? Ich meine, wenn der härtere Stahl besser ist und länger die Schärfe hält, dann könnte man ihn doch für jedes Messer verwenden.

Standlinie

Man kann sich mit diesen Rasiermessern genauso rasieren wie mit jedem anderen auch. Da gibt es keine Unterschiede. Diese zeigen sich erst beim Steinabzug. Das dauert länger.
Thiers Issard verwendet heute harte Stähle , und ich meine Le Grelot auch.

Jeder muss für sich ausprobieren, was ihm denn so zusagen könnte. Lege Dir ein schönes 13/16tel aus der französischen Bucht zu und Du wirst erkennen oder erleben, dass Du ein sehr schönes Alltagsmesser in Deinen Händen hälst. Ein Messer, das Dir über lange Zeit viele Freuden bei Deinen Rasuren bereiten wird.
Die Nachhaltigkeit einer gründlichen Nassrasur zeigt sich 24 Stunden später an nur gering und gleichmäßig nachgewachsenen Bartstoppeln.

EasyRider

Zitat von: Standlinie am 28. Februar 2020, 14:45:56
Bevor ich bei einem Rasiermesser die Standzeit durch Pasten- und Lederriemen verlängere, könnte ich noch einen Schritt weiter gehen und noch viel früher anfangen. Welche Standzeit erreicht werden wird, hängt doch ganz entscheidend auch von der Stahlqualität des eingesetzten Rasiermessers ab. Und dies haben aus meiner Sicht besonders französische Rasiermesserhersteller frühzeitig erkannt...
Das ist so was von richtig!  dh:
Meine alten Franzosen - und z. T. auch die neuen Thiers Issards - sind unangefochtene "Standzeit-Champions".
Sind die erst mal auf Schärfe gebracht, wollen sie lange keine Steine spüren und können auf jegliche Art von Pasten vollkommen verzichten. Dies gilt auch für meine Messer von Ertan Süer, die der Türke aus alten französischen Rohlingen geschmiedet hat. Die stehen den Franzosen in puncto Standzeit um nichts nach. 

Paula

Nachdem ich gestern "schon wieder" gepastet habe will ich mal den aktuellen Stand auflisten.
Die Zahlenangaben sind so +/- weil ich beim Abziehen nicht genau mitzähle.

Nach den folgenden Rasuren habe ich das Messer aufgefrischt:
(Teilweise vorsorglich und teilweise, weil das Messer einfach nicht mehr so gut war.)

10.   - 25x rot
15.   - 20x schwarz (Das "Trägermaterial" hatte ich mir nicht notiert)
30.   - 30x rot
50.   - 25x schwarz auf Leder (wahrscheinlich taugt der Riemen nix!)
55.   - 15x grün
71.   - 30x schwarz auf Jeans

Überraschenderweise war die 72. Rasur nach gestrigem Pasten richtig gut. Aus zwei Gründen hatte ich garnicht mehr damit gerechnet, das Messer mit der schwarzen Paste wieder scharf zu bekommen. Erstens meinte @Easyrider schwarze Paste sei auf Jeans nicht so effektiv und zweitens heißt es oft, man könne ein Messer nur zwei- oder dreimal mit Pasten auffrischen, dann müsse es auf den Stein. Ersteres wird bestimmt so sein und mit Leder wäre es vielleicht noch etwas besser geworden. Und die zweite Aussage kann ich wenigstens für meinen Teil auf den Müllhaufen der Rasurmythen kippen.

Langsam wird es aber etwas öde, immer dasselbe Messer zu benutzen. Ich denke, die 90. mach' ich noch voll. Das wäre dann ca. 1/4 Jahr. Das muß reichen und dann wird gewechselt.

EasyRider

Zitat von: Paula am 25. März 2020, 12:51:51
 
Überraschenderweise war die 72. Rasur nach gestrigem Pasten richtig gut. 

dh:
Für einen, dem ich jetzt mal frecherweise unterstelle, noch kein schon sehr erfahrener "Pasteur" zu sein, ein hervorragendes Ergebnis! Hut ab!

Tipp: Appliziere die schwarze Paste auf einen Yak-Stoßriemen. Das bringt einen Turbo-Effekt! Ähnlich gute Ergebnisse habe ich auch auf Lamm- und Ziegenleder erzielt. Aber Yak ist unerreicht. Soll das Trägermaterial jedoch aus Textil bestehen, rate ich dir, eine glatte, elastische Fixierbinde, wie man sie in jeder Apotheke erhält, zu verwenden. Ziehe sie straff über ein gut gepolstertes Stück Holz und verwende etwas mehr Paste als auf Leder. Wirkt ungleich besser als Jeans! Und viel, viel besser als Paste auf einem (billigen) Rindslederriemen. 

alvaro

Wieder einmal interessante Beiträge zum Thema Paste die den üblichen Meinungen entgegenstehen.
Mich wundert es nicht, ich vertrete ja schon länger die Meinung, dass viele zu oft, und zu schnell auf Steine gehen.
Aus unserer Perspektive verständlich da uns ja meist das Schärfen an sich reizt.
Bei einem Blick in die Vergangenheit wohl eher normal.
Wir vergessen immer, dass man sich früher rasierte weil man sich eben rasierte, es war eine Notwendigkeit.
Also eine Alltägliche Beschäftigung die in den meisten Fällen so schnell, billig und einfach wie möglich vollzogen wurde.
Dabei liegt das Thema Paste natürlich sofort auf der Hand.

@Paula
Weiter so, aber du bekommst demnächst eh die 8 Testmesser