Technik und Funktion des Schick-Magazine-Repeating-Razor

Begonnen von Standlinie, 09. Februar 2019, 23:29:32

Vorheriges Thema - Nächstes Thema

0 Mitglieder und 1 Gast betrachten dieses Thema.

Standlinie

Technik und Funktion des Schick-Magazine-Repeating-Razor ? ein außergewöhnliches Beispiel amerikanischer Ingenieurkunst


Allgemeine Bemerkungen zum Schick-Magazine-Repeating-Razor
Der Schick-Magazine-Repeating-Razor und seine nähere Verwandtschaft wurde hier im Forum bereits ausführlich im SE-Hobel-Thread vorgestellt. Interessierte Leser können Informationen zu diesem Rasurgerät dort wiederfinden ( Link ).
Für den weiteren Text habe ich den englischen Namen durch einen verständlicheren deutschen Begriff ersetzt und bezeichne diesen Rasierhobel als Schick-Magazinhobel.

Dass ich auf den Schick-Magazinhobel in diesem speziellen Thread noch einmal eingehe, hat mit dem besonderen Umstand zu tun, dass mir ein sehr nettes Forumsmitglied ein vollständig zerlegtes Exemplar übergeben hat mit der Bitte, dieses wieder in seinen ursprünglichen und wenn möglich auch einsetzbaren Zustand zurückzuversetzen. Das Forumsmitglied hatte den Schick-Hobel von seinem Vorbesitzer im bereits zerlegten Zustand erhalten. Und da ich diesen amerikanischen Rasierhobel bisher noch nicht näher kannte und auch noch nie zerlegt gesehen habe – und dieser sehr spezielle Rasierhobel besteht aus vielen Einzelteilen –, bot sich mir so die besondere Gelegenheit, seine sehr spezielle Technik kennen- und verstehen zu lernen. Und die hierbei gewonnenen Eindrücke möchte ich euch nicht vorenthalten.

Sehr viele amerikanische Entwicklungen folgen einem bestimmten Prinzip, für ein auftretendes technisches Problem eine möglichst einfache Lösung zu suchen. Das Prinzip wird mit den folgenden Sätzen zutreffend beschrieben: ,,keep it simple and strong" oder ,,keep it simple and stupid". Dieses Prinzip trifft auch für den überwiegenden Teil unserer Rasurgerätschaft zu. In der Regel bestehen fast alle unsere Rasierhobel immer aus zwei oder drei Einzelteilen, die so proportioniert oder dimensioniert sind, dass sie uns bei halbwegs vernünftiger Behandlung und Pflege ein Leben lang begleiten. Einfache Lösungen müssen also keine schlechten Lösungen sein.

Den amerikanischen Entwicklungsingenieuren des Schick-Magazinhobels scheint das eben genannte Prinzip nicht bekannt gewesen zu sein, möglicherweise mussten sie aber auch einer Anweisung folgen, einen völlig anderen Weg zu verfolgen. Sie haben daraufhin in den dreißiger Jahren des zurückliegenden Jahrhunderts einen Rasierhobel entwickelt (siehe Abbildung 1), dessen technische Konstruktion recht kompliziert ausgefallen ist und dessen Bedienung gewissen Abläufen folgt, die bestimmten Abläufen auf dem Gebiet der Waffentechnik ähneln (Ladetätigkeit bei halbautomatischen Pistolen). Für den daraufhin entstandenen Schick-Magazinhobel trifft daher ein völlig anderes Prinzip zu, das ich einmal so formulieren möchte: ,,A complicated construktion for the daily shave".




Abbildung 1:  Ansicht eines Schick-Magazinhobels mit Zahnkammleiste und Schutzdeckel.


Es ist schon ein wenig ungewöhnlich, dass jemand diesen einfach aussehenden aber dennoch außergewöhnlichen Magazinhobel vollständig zerlegt hat, denn dieser Schick-Magazinhobel besteht immerhin aus siebzehn! Einzelteilen (Abbildung 2). Was mag wohl der Grund für die Remontage gewesen sein? Vielleicht reine Neugierde um zu erfahren, wie der Hobel in seinem Inneren aussieht und wie er wohl funktioniert? Oder gab es noch einen anderen Grund dafür? Ich habe mir jedenfalls sehr viel Zeit genommen, um mich in die Technik dieses Magazinhobels hineinzudenken und mich mit ihr anzufreunden. Dabei habe ich dann auch eine für mich plausible Antwort auf die Frage nach dem Grund der Zerlegung finden können. Die Zerlegung erfolgte wohl deshalb, weil der ,,Nachlademechanismus" dieses Magazinhobels nicht mehr funktioniert hat und der Hobel deshalb auch nicht mehr für Rasuren einsetzbar war. Mit diesem Text beschreibe ich für den interessierten Leser die sehr spezielle Technik des Schick-Magazinhobels.


Der Schick-Magazinhobel, und seine Einzelteile
In der oben gezeigten Abbildung 1 ist ein Schick-Magazinhobel mit Zahnkammleiste abgebildet, der zwischen 1933 und 1941 hergestellt worden ist. Er sieht mit seinem viereckigen Gehäuse auf den ersten Blick irgendwie einfach und unscheinbar aus, wenn man einmal von der ungewöhnlichen Griffform absieht. Der Rasierhobel besteht weitestgehend aus Messing, nur in seinem Inneren befinden sich noch einige Einzelteile aus Stahl. Die für diesen Magazinhobel geeigneten Rasierklingen werden bis heute hergestellt, sie sind unter dem Begriff ,,Injektorklingen" erhältlich.

Die nachfolgende Abbildung 2 zeigt zwei Magazinhobel. Ganz oben liegt ein vollständiges und unzerlegtes Rasiererexemplar und für den direkten Vergleich darunter die untereinander angeordneten Einzelteile eines zerlegten Magazinhobels.




Abbildung 2:  Ansicht eines vollständigen (ganz oben) und eines in seine Einzelteile zerlegten Schick-Magazinhobels.


Ein Schick-Magazinhobel besteht aus 17 Einzelteilen, wobei ich die einzelnen Rasierklingen nicht mitgezählt habe. Fast alle Einzelteile des Magazinhobels bestehen aus Messing. Nur einige Schrauben, eine Unterlegscheibe, zwei Federelemente und das Klingenmagazin selbst bestehen aus Stahl.

Die Einzelteile des Magazinhobels habe ich in mehrere Baugruppen zusammengefasst, deren Abfolge in der Abbildung 2 von der Abfolge des späteren Zusammenbaus vorgegeben wird. Folgende Baugruppen sind zu erkennen:

- das zweiteilige Messingaußengehäuse; es wird am hinteren Ende mit dem Innengehäuse verschraubt;
          - 2 Einzelteile
- das Innengehäuse, abschraubbarer Hobelkopf, Befestigungsschrauben und Sicherungshebel;
          - 7 Einzelteile
- der zweiteilige Klingenmagazinzuführschieber mit einer Spannfeder für das Klingenmagazin;
          - 4 Einzelteile
- das Klingenmagazin, ein einfaches Blechprägeteil zur Aufnahme von mehr als zehn Einzelklingen;
          - 1 Stück
- der Ladeschieber für den Klingenwechsel mit der Aufschrift ,,Blade";
          - 1 Stück
- der Gehäusedeckel für das Innengehäuse und ein Federelement; der Deckel dient zur Führung des Ladeschiebers;
          - 2 Einzelteile

Viele der 17 Einzelteile sind aus Vollmaterial gefräst; andere Einzelteile sind einfache Messinggussteile, Messingstanzteile und gestanzte stählerne Federelemente. Die technische Konstruktion dieses Magazinhobels kann – bezogen auf die damalige Zeit und selbst heute noch – zutreffend als außergewöhnlich bezeichnet werden. Zudem dürfte der Zusammenbau aller Einzelteile recht zeitintensiv gewesen sein. Dieser Rasierhobel wird damit in den dreißiger Jahren des zurückliegenden Jahrhunderts sicherlich zu den teuersten Rasierhobeln gehört haben, die auf dem amerikanischen Rasierermarkt angeboten und verkauft wurden. Vielleicht könnte man ihn auch als ,,Rolls Royce" der Rasierhobel bezeichnen. Über die insgesamt hergestellte Stückzahl dieses Magazinhobels liegen mir keine Zahlen vor, ich vermute aber, dass es nicht viele Rasierhobel gewesen sein können.


Der technische Ablauf des Rasierklingenwechsels beim Schick-Magazihobel
Die meisten Nassrasurliebhaber und Rasierhobelsammler werden den Namen Schick mit den unter diesem Namen verbreiteten Injektorhobeln in Verbindung bringen. Bei diesen Injektorhobeln wurde beim Klingenwechsel eine spezielle Rasierklinge (Injektorklinge) in den Hobelkopf geschoben. Dazu war es erforderlich, ein spezielles Klingenmagazin so an den Hobelkopf zu halten, dass eine Rasierklinge über eine spezielle Führung in den Hobelkopf eingeschoben werden konnte. Die Rasierklingenwechseltechnik benötigte also einen dafür geeigneten Rasierhobel (Schick, Eversharp) und ein zusätzliches separates Wechselklingenmagazin. Der Schick-Magazinhobel bildete hierfür den Vorreiter oder Vorgänger für diese spezielle Rasierklingenwechseltechnik, denn er vereinigte beide Voraussetzungen in einem Hobel.

Nun möchte ich den Ablauf des Klingenwechsels beim Schick-Magazinhobel beschreiben, da er dem Ladevorgang einer halbautomatischen Pistole stark ähnelt.

a.) Beschreibung des Ladevorganges bei einer Schusswaffe (Pistole)
Bei einer Schusswaffe – hier eine Pistole – wird ein auswechselbares Patronenmagazin mit mehreren darin befindlichen Patronen von unten in den Pistolengriff eingeschoben.
Die Patronen des Patronenmagazins werden durch eine Feder von unten vorgespannt, die die Patronenzuführung zum Verschluss gewährleistet.
Die Pistole wird geladen, indem der Verschluss der Pistole zuerst zurückgezogen und danach wieder nach vorne bewegt wird (erledigt eine Feder). Dieser Bewegungsvorgang führt eine Patrone in das Patronenlager des Pistolenlaufes ein und spannt den Schlagbolzen. Die Pistole ist schussbereit, sobald die Sicherungseinrichtung entsichert wird.

b.) Beschreibung des Klingenwechsels (Ladevorgang) beim Schick-Magazinhobel
Beim Schick-Magazinhobel wird ein auswechselbares Klingenmagazin mit mehreren darin befindlichen Rasierklingen von hinten in den Hobelgriff eingeschoben.
Die Rasierklingen des Klingenmagazins werden durch eine Feder von unten vorgespannt, die die Klingenzuführung zum Ladeschieber gewährleistet.
Der Rasierhobel wird geladen, indem der Ladeschieber für den Klingenwechsel zuerst zurückgezogen und danach wieder nach vorne geschoben wird (manueller Vorgang). Dieser Bewegungsvorgang schiebt eine Rasierklinge in den Hobelkopf ein. Der Rasierhobel ist rasurbereit, sobald der Hobelkopf in die Rasurstellung gedreht wird. Ein zusätzlicher kleiner Sicherungshebel sorgt dafür, dass ein Klingenwechsel erst nach vollständigem Einschub des Klingenmagazinzuführschiebers möglich ist.

Wie eben schon beschrieben, wird das Klingenmagazin des Schick-Magazinhobels von hinten in das Griffgehäuse eingeführt oder geladen. Die für diesen Rasierhobel erhältlichen Wechselmagazine bestanden nach Hinweisen von englischsprachigen Rasiererforen aus einem stählernen Blechprägeteil, in das bis zu 20 Wechselklingen eingelegt waren. Um dieses Klingenmagazin in den Magazinhobel einführen zu können, musste zuerst der Klingenmagazinzuführschieber bis zu seinem Drehgelenk aus dem Gehäuse herausgezogen und dann nach unten abgeklappt werden (siehe hierzu die Abbildungen 3 und 4).




Abbildung 3:  Ladeöffnung des Magazinhobels am Gehäuseende.




Abbildung 4:  Ansicht des Hobelinnengehäuses mit herausgezogenem Klingenmagazinzuführschieber und eingesetztem leerem Klingenmagazin.


Das Klingenmagazin wird nach seiner Einführung in das Gehäuse des Rasierhobels bis zum Anschlag nach vorne geschoben (siehe Abbildungen 4 und 5). Sobald dies geschehen ist, wird der Klingenmagazinzuführschieber vollständig in das Gehäuse geschoben, so, wie es die Abbildung 5 zeigt. Auf ein ganz besonderes Detail möchte ich an dieser Stelle noch hinweisen, auf eine spezielle Sicherung, die nur aus einem einzigen Grund vorgesehen wurde, um den Klingenwechsel während des Ladevorganges des Klingenmagazins auszuschließen, da ansonsten eine Störung aufgetreten wäre. Dazu wurde der Lademechanismus des Magazinhobels mit einem kleinen drehbaren Sicherungshebel aus Messing ausgestattet (siehe Abbildung 5 rechts). Sobald der Klingenmagazinzuführschieber ausgezogen wurde, rastete der Sicherungshebel in eine kleine Aussparung am Ladeschieber ein und blockierte so dessen Auszug (siehe Abbildung 6).




Abbildung 5:  Ansicht des Klingenmagazins innerhalb des Rasiergehäuses nach abgeschlossenem Ladevorgang.
                      Beweglicher Sicherungshebel zur Blockade des Klingenwechsels während des Magazinwechsels.




Abbildung 6:  Vergrößerter Detailausschnitt. Lage des kleinen Sicherungshebels (roter Pfeil), der den Ladeschieber gegen
                      Auszug blockiert, sobald der Zuführschieber des Klingenmagazins ausgezogen wird.


Wenn eine Rasierklinge die Grenze ihrer Nutzung erreicht hat, wird sie gegen eine neue Rasierklinge aus dem Wechselmagazin ersetzt. Dazu muss der Ladeschieber zuerst ganz zurückgezogen und anschließend wieder nach vorne geschoben werden. Eine am Klingenmagazinzuführschieber angeschraubte Feder drückt währenddessen von unten gegen die im Klingenmagazin befindlichen Ersatzklingen (siehe Abbildung 7). Sie verhindert, dass sich eine Rasierklinge unter dem Ladeschieber verkantet und dadurch die Ladefunktion behindert oder im Extremfall sogar blockiert.




Abbildung 7:  Federelement zum Vorspannen der Rasierklingen im Klingenmagazin.


Die nachfolgenden Abbildungen 8 und 9 zeigen den weiteren Ablauf des Klingenwechsels – also den eigentlichen Ladevorgang – im Detail. Der Ladeschieber schiebt die neue Rasierklinge über eine spezielle Führung aus dem Klingenmagazin heraus und direkt in den Hobelkopf hinein.




Abbildung 8:  Ladevorgang oder Ablauf des Klingenwechsels im Innern des Magazinhobels.




Abbildung 9:  Der Ladeschieber schiebt die Wechselklinge direkt in den Hobelkopf hinein.


Das Innengehäuse des Schick-Magazinhobels wird mit einem speziellen Gehäusedeckel geschlossen. Seine Geometrie und das an seiner Oberseite befestigte Federelement sind dafür verantwortlich, dass der Ladeschieber einwandfrei hin- und hergeschoben werden kann und hierbei dem Hobelkopf eine neue Rasierklinge zuführt. Schmutzteilchen, Rostpartikel und Flugrost sowohl an den Federelementen als auch an den Rasierklingen und zuletzt auch noch möglicherweise im Klingenmagazin befindliche verkantete Rasierklingen können den Ladevorgang der neuen Rasierklinge behindern und im Extremfall sogar blockieren.




Abbildung 10:  Ansicht des oberen Gehäusedeckels mit Spannfeder. Er gewährleistet die richtige Führung des Ladeschiebers.


Schwachstellen
Der Schick-Magazinhobel war für die damalige Zeit eine sicherlich sehr außergewöhnliche Rasierhobelkonstruktion. Und das ist dieses technische Meisterwerk bis heute geblieben, wenn man den Wortlauten amerikanischer Rasierforen Glauben schenkt. Die Mechanik zur Vereinigung eines Rasierhobels mit einer integrierten Klingenwechseltechnik war ohne Zweifel eine technische Meisterleistung. Aber mit dem betriebenen technischen Aufwand ergeben sich gleichzeitig auch gewisse Schwachstellen, jedenfalls war diesem Magazinhobel ein nur achtjähriges Vertriebsdasein auf dem Rasierermarkt beschieden. Nach diesem sehr kurzen Produktionszeitraum fand ein Modellwechsel statt. Der Magazinhobel wurde durch ein einfacheres und zuverlässigeres Rasierersystem (Injektorrasierer) ersetzt, bei dem der Rasierhobel und das Wechselklingenmagazin nunmehr getrennt waren.

Eine Schwachstelle des Magazinhobels lässt sich beispielsweise über einen regelmäßigen Rasurbetrieb ableiten. Nach der Rasur sollte bei diesem speziellen Rasierhobel eigentlich nur der Hobelkopf unter fließendem Wasser abgewaschen werden. Das Gehäuse selbst darf nicht abgewaschen und damit nass werden, um zu verhindern, dass Feuchtigkeit ins Innere eindringen könnte. Nahezu sämtliche Schrauben, Unterlegscheiben, Federelemente, das Klingenmagazin und die darin befindlichen Wechselklingen bestehen aus Stahl, so dass bei eindringender Feuchtigkeit ein gewisses Risiko vorliegt, die mechanischen Teile für den Klingenwechselmechanismus der Korrosion (Rost) auszusetzen. Dadurch könnte dann mit der Zeit der Lademechanismus für den Klingenwechsel blockieren. Der Rasierhobel würde dann unbrauchbar.

Eine weitere Schwachstelle bildet auch das Wechselklingenmagazin. Es ist sehr filigran gestaltet. Sollte es zum Beispiel auf den Boden fallen oder einmal leicht verkantet in den Magazinschacht eingeführt werden, könnte sich sein Rahmen dadurch leicht verziehen. Dieses Verziehen führt aber dazu, dass sich die im Klingenmagazin befindlichen Rasierklingen verkanten können, wodurch der Ladewechsel blockiert würde. Der Ladeschieber kann dann zwar noch herausgezogen, danach aber nicht mehr vollständig eingeschoben werden. Würde man in dieser Lage versuchen, den Ladeschieber mit einem gewissen Druck in den Rahmen zu schieben, kann sich der Schieber unter der Krafteinwirkung leicht verbiegen, denn der innere Mechanismus wird durch die verkanteten Rasierklingen blockiert. Der Rasierhobel muss danach zur Entfernung des Klingenmagazins und der darin verkanteten Rasierklingen aufgeschraubt und in seine Einzelteile zerlegt werden. Das war auch der Grund dafür, dass der hier von mir behandelte Schick-Magazinhobel bereits in seine Einzelteile zerlegt worden war.

Eine dritte Schwachstelle könnten auch die vielen im Wechselklingenmagazin geladenen Einzelklingen bilden. In einem englischsprachigen Forum wurde hierzu erwähnt, dass alte Rasierklingen für den Schick-Magazinhobel früher minimal dicker gewesen sein sollen und dass die heute erhältlichen Injektorklingen aufgrund ihrer etwas schmaleren Dimensionierung beim Klingenwechsel im Klingenmagazin zum Verkanten neigen und dadurch klemmen ( Link ab Seitenmitte ). Ob es sich bei den Rasierklingen meines Hobelexemplars noch um alte Originalklingen gehandelt hat oder ob in dem Magazin bereits neuwertigere Ersatzklingen gelegen haben, konnte ich nicht feststellen.
Das Klingenmagazin des in diesem Bericht behandelten Magazinhobels war tatsächlich minimal verbogen. Jedenfalls blockierte der Lademechanismus bei mir bereits bei mehr als fünf in das Klingenmagazin eingelegten Wechselklingen. Reduzierte ich die Anzahl dagegen auf maximal drei Einzelklingen, funktionierte der Ladevorgang ohne weitere Blockade. Ob nun tatsächlich neuwertigere Rasierklingen leichter zum Verkanten neigen und damit den Lademechanismus blockieren, ließe sich nur durch Austesten mit einem alten originalen und noch nie eingesetzten Wechselmagazin klären. Und für solche alten Originalmagazine müssen im Onlinehandel bereits mehr als 40 USD gezahlt werden. Aber mit drei Wechselklingen kann man sich schließlich auch begnügen, wenn dieser Rasierer überhaupt noch für eine Rasur eingesetzt werden soll.

Eine andere Schwachstelle bilden auch die beiden Federelemente im Innern des Rasierhobels. Eines dieser Federelemente (siehe Abbildung 11) drückt von unten gegen die im Klingenmagazin befindlichen Rasierklingen und sorgt so für eine gewisse Vorspannung dieser Klingen im Klingenmagazin für den Klingenwechsel. Das Federelement erfüllt die gleiche Aufgabe wie die Magazinfeder in einem Pistolenmagazin, die die darin enthaltenen Patronen für den Nachladevorgang nach oben drückt.




Abbildung 11:  Unteres Federelement zum Vorspannen der Rasierklingen im Klingenmagazin.


Das Federelement ist mit dem Klingenmagazinzuführschieber verschraubt. Sollte sich die Befestigungsschraube dieses Federelementes lockern oder sollte sich diese Spannfeder aus irgendeinem Grund bei einem Klingenmagazinwechsel verkanten (habe ich beim Zusammenbau des in diesem Bericht beschriebenen Magazinhobels selber mehrmals erleben können), kann sich hierdurch die ursprünglich korrekte Lage dieses Federelementes unter dem Klingenmagazin verändern. Als Folge verkanten sich dann die im Klingenmagazin befindlichen Wechselklingen. Beim nächsten anstehenden Klingenwechsel wird die Klingenwechselfunktion dann auch wieder blockieren, so dass keine Rasuren mehr mit diesem Rasierhobel ausgeführt werden können.

Das zweite Federelement befindet sich im Gehäusedeckel des Innengehäuses des Magazinhobels (siehe die nachfolgende Abbildung 12. Dieses Federelement selbst ist eigentlich zweiteilig, denn ein gebogenes Messingplättchen ist mit der Stahlfeder vernietet. Die untere Stahlfeder drückt direkt auf die Klingen im Klingenmagazin. Die Funktion des als weitere Feder dienenden Messingplättchens besteht darin, die untere Stahlfeder vorzuspannen. Und von dieser Vorspannung hängt es ab, ob sich eine Rasierklinge beim Ladevorgang vom Ladeschieber störungsfrei in den Hobelkopf schieben lässt. Bei der Zerlegung des Schick-Magazinhobels kann dieses kleine Messingplättchen ungewollt leicht verbogen werden, worunter die Vorspannung der Stahlfeder dann beeinträchtigt wird.




Abbildung 12  Federelement für die Vorspannung der Wechselklinge beim Nachladevorgang.


Trotz aller konstruktiv bedingten Schwachstellen beim Schick-Magazinhobel rasiert dieser Hobel wohl recht gut. Wenn man diesen Rasierhobel nicht nass werden lässt und auch umsichtig und ohne Kraftaufwand beim Klingenwechsel vorgeht, ihn von Zeit zu Zeit an seinen beweglichen Stellen mit flüssiger Vaseline oder Motoröl schmiert (kein Ballistolöl!), wird man sich sicherlich noch viele Jahre mit diesem außergewöhnlichen Rasierhobel rasieren und sich sowohl an den Rasurergebnissen als auch an diesem ungewöhnlichen Rasurgerät freuen können.
Die Nachhaltigkeit einer gründlichen Nassrasur zeigt sich 24 Stunden später an nur gering und gleichmäßig nachgewachsenen Bartstoppeln.

Ocrana

Unglaublich. Vielen Dank für diesen Beitrag, Standlinie!

miro


baknip


Lieber Standlinie, unglaublich detailliert und plastisch, wie Du die Technik beschreibst, und die Parallele zum Waffenlademechanismus ist für mich interessant, weil ich zu Waffen keinen Zugang und dementsprechend auch keine Einblicke habe. Nach dem Lesen Deines Reports frage ich mich, ob die Macher dieses Rasurgeräts wirlich ein alltagstaugliches Körperpflegeprodukt oder eher ein Stück Ingenieurskunst schaffen wollten. Ich schwanke, ob man dem Unternehmen Schick primär Respekt für den hohen technischen Aufwand erweisen sollte -- oder ob doch eher leichtes Kopfschütteln ob der Fehleranfälligkeit dieser Sackgassenentwicklung in der Rasurgeschichte angebracht wäre.

Einerlei, das war hochspannend zu lesen und anzuschauen. Ich verneige mich!

Freies Ausspucken verboten

Rockabillyhelge

Chapeau, erstklassiger Beitrag  :D dh:
Danke Dir Standlinie für diese hervorragend, man muss schon Abhandlung sagen, absolute Spitzenklasse und ein Triple A!!
Auch mit Bart immer gut rasiert :)


Tim Buktu

Jetzt habe sogar ich die Funktionsweise verstanden, danke!  dh:
Tranquilo - In der Ruhe liegt die Kraft...

PS: Alles nur meine persönliche Meinung, die sich durchaus beeinflussen lässt und sich deshalb gelegentlich auch ändert!

Oberloser

Ich hab`s erst jetzt gelesen, Peter. DAS ist mal ein Fachbeitrag, Respekt - gelernt ist nun mal gelernt  dh: ich weiß nur zu gut, wieviele Arbeitsstunden in dieser Abhandlung - die ihresgleichen sucht - stecken.

efsk

Verzeih mir mein Deutsch. Ich bin ein Holländer.
lG - Richard

Onkel Hannes

Ich kam erst jetzt dazu, das in Ruhe zu lesen und ziehe meinen (in Wirklichkeit nicht vorhandenen) Hut! Standlinie wie er leibt und lebt!  ;D dh:

Hungrig vom schlafen und müde vom essen.

godek

Respekt.

Das ist ein Messlatte, an der wir uns sehr schwer tun werden.

Wohl die beste Doku zu Schicke Magazine ever.

Ich schlage mich täglich mit Dokus von Leuten die damit ihr täglich Brot verdienen rum, die schlechter sind.

Wobei das vielleicht unfair ist, in seiner Freizeit kann man sich eventuell mehr Mühe geben.

mfg
godek