Was ist so faszinierend am Messer /der Messerrasur?

Begonnen von MrGee, 21. November 2008, 23:27:36

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UbuRoy


KäptnBlade

Nicht alle Threads muss man aus der Versenkung holen.
Aber hier hat Helge ein zeitloses Schätzchen ausgegraben und dem Ganzen sein persönliches Statement hinzugefügt.
Find ich klasse, denn Helge schafft es wunderbar zu erklären, wie Jemand der bis dato nichts mit Messern am Hut hatte (und auch nicht haben wollte ;)) infiziert wurde.
Meine Angst, dass die Autokorrektur dieses Forums mal was Obszönes ausspuckt, wichst von Tag zu Tag!

Lu-Ku

ein schöner thread, den ich auch noch nicht kannte. dh:
Allerdings habe ich mir genau diese Frage auch schon öfter gestellt.
Hier mein Versuch einer Beantwortung:

Für mich hat jedes Messer eine Seele.
Und es teilt sich mir mit.
Jedes Messer ist anders, jedenfalls erscheint es mir so.
Ich könnte mit nur einem Pinsel glücklich sein, und benutze manchmal
wochenlang nur einen, obwohl ich noch ein paar mehr hab. ;)
Mit den Hobeln ist es genauso.
Eine Handvoll Seifen reichten mir völlig aus.

Von Messern kann ich gar nicht genug haben!
Anfänglich habe ich mir nur neue Messer gekauft und genoß die Vorstellung, dass es
heute noch einige, ganz wenige Meister gibt, die diese alte Handwerkskunst in dieser Vollendung
beherrschen, sowie das Zusammenspiel von perfekter Verarbeitung und hochwertigsten Materialien.
Inzwischen habe ich meine Liebe zu den alten Messern entdeckt, hier umweht mich bei (fast) jeder Rasur
der Hauch der Geschichte, wie oft ertappe ich mich bei dem Gedanken "durch welches Gesicht ist diese Klinge wohl schon gepflügt?" oder "in welchen Schubladen hat es wohl die letzten Jahrzehnte verbracht, durch welche Hände ist es gegangen, was ist in der Welt da draußen zur gleichen Zeit passiert, wer hat es wann wo gekauft, wie sah das Verkaufsgespräch aus, wie stolz war der erste Besitzer wohl auf sein neues Stück, hat er lange dafür sparen müssen oder es sich einfach so gekauft, wars vielleicht ein Geschenk?" und so weiter und so fort... :D
Ich finde das extrem spannend.
Genauso spannend wie die Tatsache, dass man zwar mit ein wenig Erfahrung die zu erwartende Performance eines Messers recht sicher einschätzen kann, dann aber zuweilen an ein Messer gerät, das so dermaßen gnadenlos gut rasiert, so mühelos und sicher durchs Gesicht perlt, dass es einem vor dem Spiegel schier den Atem verschlägt, während ein anderes, von dem man sich vielleicht viel versprochen hat, ja, einfach nur gut rasiert und man mit wieder einem anderen vielleicht gar nicht gut klar kommt.
Ich liebe dieses Stück Metall in meinen Händen.
Dieses schlichte, einfache und doch so hochkomplexe Werkzeug, das im Laufe der letzten paar Hundert Jahre schon vor langer langer Zeit(!) sowohl in Form als auch in Material zu einer Vollendung gefunden hat, die wohl zu variieren, aber nicht zu verbessern ist.
Ich liebe seine Anmutung, seine Ausgewogenheit, seine Balance, und dass es mir Rasuren beschert, die in ihrer Freude, im Genuß bei der Rasur und ihrer Nachhaltigkeit nicht zu übertreffen sind (außer vielleicht auf der Oberlippe, hier tue ich mich gegen den Strich noch recht schwer ;) )
Außerdem befriedigen mich Dinge, wo man sich Perfektion nicht mit Geld kaufen kann, sondern nur durch Üben und der Auseinandersetzung mit der Materie erlangen kann, und mich haben schon immer Menschen fasziniert, die es auf ihrem Gebiet durch Ausdauer und Üben (Talent sollte man vielleicht auch nicht vergessen) zu eben dieser Perfektion gebracht haben. Die rasur mit dem Messer geht für mich in diese Richtung.
Und ich liebe natürlich die ganze Prozedur. Schon das Aussuchen des Messers vor der Rasur. Welches nehme ich denn heute? Dann das sanfte Ledern des Messers über den gespannten Riemen, mit eingeschäumtem Gesicht, die Ruhe und das doch gewisse Maß an Konzentration, das es verlangt, und dann der Augenblick, wenn ich das Messer rechts oben am Jochbein ansetze und mit einem Zug runterfahre, dieses bsssssst, oder wenn ich im zweiten Durchgang vom linken Unterkieferknochen gegen den Strich schräg nach oben Richtung Nase gehe, das ist schon göttlich. :D


Das schönste aller Geheimnisse: ein Genie zu sein und es als einziger zu wissen. (Mark Twain)

kpi1402

Zitat von: Lu-Ku am 02. Juli 2014, 01:03:40
Außerdem befriedigen mich Dinge, wo man sich Perfektion nicht mit Geld kaufen kann, sondern nur durch Üben und der Auseinandersetzung mit der Materie erlangen kann, und mich haben schon immer Menschen fasziniert, die es auf ihrem Gebiet durch Ausdauer und Üben (Talent sollte man vielleicht auch nicht vergessen) zu eben dieser Perfektion gebracht haben. Die rasur mit dem Messer geht für mich in diese Richtung.
Und ich liebe natürlich die ganze Prozedur. Schon das Aussuchen des Messers vor der Rasur. Welches nehme ich denn heute? Dann das sanfte Ledern des Messers über den gespannten Riemen, mit eingeschäumtem Gesicht, die Ruhe und das doch gewisse Maß an Konzentration, das es verlangt, und dann der Augenblick, wenn ich das Messer rechts oben am Jochbein ansetze und mit einem Zug runterfahre, dieses bsssssst, oder wenn ich im zweiten Durchgang vom linken Unterkieferknochen gegen den Strich schräg nach oben Richtung Nase gehe, das ist schon göttlich. :D




Schön geschrieben  dh: dh: dh:

Besonders die letzten beiden Punkte treffen auch auf mich zu !
Bei den Messern bin ich mittlerweile davon abgekommen ständig bei Ebay reinzuschauen um ein Schnäppchen zu machen. Dennoch habe ich in der Bucht einige Schätzchen abgegriffen, an denen ich mich immer gerne erfreue !
Ab und an lasse ich mir ein Schätzchen herstellen und freu mich dann noch mehr !

Konrad

#Einige ganz Neue, einige ganz Alte Rasiermesser
#Tradere OC, Feather AS DS 2, Pils 118 NL

Graubart

Ich genieße es, eine völlig neue Fertigkeit zu erlernen.
Immer soll es bloß schnell schnell gehen.
Bloß nicht Energie und Geduld investieren, um etwas Neues zu erlernen.
Dosenschaum ins Gesicht und mit dem Mehrklingenplastikklumpen drüber, das kann jeder Körperklaus.
Noch dazu in dem Bewusstsein, ganz tolle Technologie zu verwenden.
Ich rasiere mich  mit dem Messer, weil es angenehm ist und weil ich es kann. :)

Standlinie

Wer sich wie ich mit dem Rasiermesser rasiert, nimmt sich dazu die Zeit. Ich entschließe mich bewußt für eine Entschleunigung. Ich nehme mir die Zeit, egal ob morgens oder abends, und ich widerstehe den vielen täglichen Versuchungen, die meine Meinung beeinflussen und mir einreden wollen, ich hätte für diese Belanglosigkeit "Rasur" keine Zeit, denn es gibt wichtigere Dinge. Ich habe aber Zeit und diese Zeit nehme ich mir bewußt. Ich bin so frei und entscheide selbstständig, für solche Kleinigkeiten wie die tägliche Rasur Zeit zu haben und diese Zeit auch in vollen Zügen genießen zu wollen.

Diese Minuten für die Rasiermesserrasur gehören mir. Und ich habe mich auf diesen Augenblick vorbereitet. Welchen Pinsel nehme ich heute? Welche Seife oder Rasiercreme? Oder den Stick? Das Anfeuchten des Gesichtes mit sehr warmem Wasser. Gleich geht es los. Das Kreisen des Pinsels auf der Haut massiert ein wenig und fühlt sich schon toll an. Die Vorbereitungen sind im Gange. Das Messer jetzt noch auf dem Leder abziehen, ein prüfender Blick auf die Klinge. Die Finger ergreifen den Stahl und mein ganz persönliches Rasurritual geht los. Optisch und akkustisch werden die Züge auf der Haut wahrgenommen. Ich höre die Stoppel fallen. Die Erkenntnis setzt ein, dass diese Abläufe über viele Jahrhunderte eingeübt, regelmäßig praktiziert und auch gepflegt wurden. Und ich reihe mich ein in die Schar derjenigen Männer, die diese Prozedur ausübten und immer noch oder immer wieder ausüben. Die Erkenntnis, dass ich mich so rasieren kann, wie es meine Vorfahren und viele andere Männer auch regelmäßig getan haben, sorgt für ein erwärmendes Gefühl. Die Rasur ist für mich eine Art Meditation, wo sich meine Gedanken nur mit der Rasur beschäftigen und in diesen Minuten mit nichts anderem. Hier bin ich noch ein Mann, der ein gewisses Werkzeug und gewisse Abläufe in der Handhabung beherrscht und dem dies nicht von irgendeiner Maschine abgenommen wird.

Die Erkenntnis, dass ich etwas kann, was viele Männer nicht können oder aus den unterschiedlichsten Gründen für sich ablehnen, sorgt bei mir für eine positive Einstimmung gleich am Anfang des Tages oder kurz vor dem Zubettgehen. Das gefällt mir, das ermutigt mich und ist einfach ein schönes Bauchgefühl. :angel:
Die Nachhaltigkeit einer gründlichen Nassrasur zeigt sich 24 Stunden später an nur gering und gleichmäßig nachgewachsenen Bartstoppeln.

Hobeler

Sehr schön geschrieben @Standlinie. Fantastisch zu lesen. Da ich mich ja gerade selber in den Anfängen der Messer-Rasur befinde, habe ich Deinen Bericht mit Freude gelesen. Deine Ausführungen machen Lust auf mehr. Auch wenn ich teilweise mit Dir übereinstimme, was die Entschleunigung sowie die Meditative-Phase angeht.

In der heutigen Zeit, wo Hektik unseren Alltag bestimmt, sollte man sich (und wenn es auch "nur" für die Rasur ist) entspannen, sich die Zeit nehmen die man möchte und einfach nur genießen. Die Rasur mit einem Rasiermesser ist nochmals etwas ganz anderes als mit einem Hobel, da man wesentlich konzentrierter sein muss. Gerade in dieser Phase tritt aber eine gesunde Entspannung ein, weil man sich einfach mal auf das wesentliche konzentrieren kann.  :D
Liebe Grüße
Thorsten

***Schalke ist der geilste Club der Welt***

...Pura Vita...

strawinski

Das Licht kam in die Finsternis. Doch die Finsternis begriff es nicht.

Tartuffe

Echt? Also, meine Frau benutzt nur Systemrasierer. ;D
Der Dachs - Ihr starker Partner, wenn's ums Schäumen geht!

UbuRoy

Irgendwie sind wir alle ganz schön arm dran, wenn wir uns schon wegen einer ungestörten Rasur irgendwelche Argumente überlegen müsen, warum wir das tun können/dürfen/sollen/wollen.
Der Tag besteht aus 24 Stunden von denen 14 Stunden nur mit Kommerz, Müll, Werbung, Lärm, Geschrei und sinnloser Arbeit vertan werden. Und dann muß man auch noch verargumentieren, warum man sich so rasiert und nicht anders.

Arme Menschheit, oder?

strawinski

 O0....der war gut....aber Uburoy hat vollkommen Recht. Der Tag besteht wirklich aus 24 Stunden. Ich sehe es so. Man steht früh auf und hört Nachrichten. Da bekommt man schon 10 Lügen zu hören. in der fahrt auf Arbeit geht es weiter. Wieder 10 Lügen aus dem Radio. In der Mittagspause lesen die meisten Bild. wieder 20 Lügen drauf. Dann das Gequatsche auf Arbeit (Sofern man welche hat). wieder 10 Lügen. Abends Fernsehen. wieder 10 Lügen. Also am Tag bekommt man mindestens sagen 50 Lügen aufgetischt. Mach pro Jahr mindestens 18000 Lügen, die man sich reinziehen muss. Also in 50 Jahren Lebensdauer 900000 Lügen. Wenn nur davon ein Drittel hängen bleibt ist die Birne vollkommen voll davon. Deswegen lese ich keine Zeitung, Nachrichten oder anderer Plunder.
Es gibt wahrlich schönere Sachen auf dieser Welt.......
Das Licht kam in die Finsternis. Doch die Finsternis begriff es nicht.

Lu-Ku

...leider mussten wir 30 Lügen wieder abziehen,
die waren doppelt!
Bleiben also nur 20 Lügen. Schade...

;D
Das schönste aller Geheimnisse: ein Genie zu sein und es als einziger zu wissen. (Mark Twain)

UbuRoy

"Alleeees Lüüüüge..." Wer hat das noch gesungen? Rio Reiser?
Egal. Sowieso alles Schall & Rauch.

efsk

Zitat von: strawinski am 30. August 2014, 09:14:39
die Weiber stehn halt drauf.......
;D

Dan haben die also die Antwort auf diese frage.
Verzeih mir mein Deutsch. Ich bin ein Holländer.
lG - Richard

strawinski

das wo sich Frauen rasieren kommste mit nem Messer nicht weit..... ;D
Das Licht kam in die Finsternis. Doch die Finsternis begriff es nicht.