Wie wird das nachschärfen bei der Rasiermesser-Herstellung berücksichtigt?

Begonnen von kimeter, 27. Oktober 2017, 23:23:34

Vorheriges Thema - Nächstes Thema

0 Mitglieder und 1 Gast betrachten dieses Thema.

alvaro

Kein Hersteller "nur" Profi-Schärfer.
Das aber in allen Bereichen bis zu feinsten Messern für die Medizin.
Besitzer der einzigen "japanischen spezial Schleifmaschine für Medizin Messer" (zum schneiden von Zellkernen) in der ex DDR.

kimeter

Zitat von: Sapone da Barba am 28. Oktober 2017, 14:34:46
Das Thema ist m.M.n. ein sehr interessantes, denn ich habe mich auch schon gefragt, ob es Sinn macht, den Rücken überhaupt abzukleben beim Schärfen. Vielleicht verändert man dann ja ungünstigerweise den Grad, in dem die Facette aufgeschliffen wird im Vergleich zur Dünnung. Immerhin wird das Messer ja mit jedem Schärfvorgang schmaler, da man ja immer näher zum Wall hin Material abträgt, der Rücken aber beim Abkleben unverändert breit bleibt.  ??? ??? ???

Natürlich verändert sich der Schärfwinkel wenn der Rücken abgeklebt wird. Ob und ab wann sich das auf die Rasur auswirkt ist eine andere Frage.
Bei extrem harten Barthaar kann ein etwas steilerer Schärfwinkel Vorteile bringen. Je nach Messerschliff werden sich kleinste Microausbrüche nicht so schnell an der Watte zeigen. Ein flacherer Schärfwinkel bei einem vollholen Rasiermesser könnte mehr "Schärfe" bringen, mit den eventuell angedeuteten Nachteilen.
Ich klebe den Messerrücken nur in bestimmten Fällen ab...

-Andreas

kimeter

@alvaro
Hast Du den Profi mal nach dem Grund gefragt warum er die Rasiermesser leicht angehoben schärft? Wollte er dabei den Messerrücken schonen oder geht es dabei um den leicht erhöhten Schärfwinkel? Das würde mich wirklich interessieren.

-Andreas

Borsif

Zitat von: kimeter am 31. Oktober 2017, 10:02:06
Zitat
Ich habe hier ein 6/8tel Carl Lobbenberg mit zur Zeit 17,1 Grad Schärfwinkel. (Nicht die gesamte Klingenbreite berechnet, sondern ab Auflagepunkt bis Schneide...!) Wenn ich hier mit abgeklebten Messerrücken nur 1mm runterschleife habe ich einen Winkel von ca. 18,1 Grad.
Damit verlasse ich meinen meistens hergestellten Bereich, der liegt zwischen ca. 16,5 und 17,5 Grad. Bei 2mm bin ich schon über 20 Grad.
Ab wann sich jetzt ein zu steiler Winkel negativ auswirkt weiß ich ehrlich gesagt auch nicht. Ich werde das aber mal beobachten.
Ich hatte mal ein 8/8tel Wacker Rasiermesser, das musste ich mehrfach abkleben. Der Schärfwinkel war ohne abgeklebten Rücken bei ca. 12 Grad.

Jetzt muss ich mich selbst zitieren und korrigieren: Der berechnete Schärfwinkel mit abgeklebten Messerrücken ist falsch! Ich habe vergessen das Klebeband zu berücksichtigen. Wenn ich das Lobbenberg abklebe komme ich auf ca. 5,8mm Stärke, anstatt 5,2mm. Alleine durch das zusätzliche Klebeband erhöht sich der Schärfwinkel auf 19,1 Grad, anstatt 17,1 Grad. Wenn jetzt zum Beispiel ein kleiner Ausbruch an der Facette entfernt werden muss, sagen wir mal ca. 1mm muss an der Schneide weg, erhalte ich bei abgeklebten Rücken einen Winkel von über 20 Grad...

-Andreas

Hallo Andreas,

es tut mir leid, ich will dich da nicht ärgern, aber "ein kleiner Ausbruch an der Facette entfernt werden muss, sagen wir mal ca. 1mm muss an der Schneide weg"
Vielleicht hab ich wegen meines Berufs einen anderen Zugang zu Abmessungen in der Kategorie um die 1mm (Präzisionsmechanik), aber ich hatte mein werksgeschärftes Koraat Purist in der Firma unter dem Mikroskop. Die GESAMMTE FACETTE des Messers hatte im Schnitt 0,08mm (Acht Hundertstel Millimeter = 80µm = 0,8 Zehntel Millimeter). Ich müsste also ein Stück Klinge ausbrechen, welches ca 12 mal so groß ist wie die ganze bisherige Facette, das geht nicht in meinen Kopf rein!

Auch tunkt mich dein Klebeband mit 0,3mm Dicke doch recht dick.

Liebe Grüße
Borsif

alvaro

@kimeter
Nein habe ich damals nicht gefragt.
Ich habe mir keine Gedanken gemacht über den Winkel und das wieso und warum.
Das Ganze war beim Kauf meines ersten Messers in Erfurt.

@borsif
Ja du hast Recht 1mm ist eine Welt.
Man sollte da mal einen Messschieber danebenlegen um zu sehen wie viel 1mm ist

kimeter

Alles gut Borsif.  :)  Ich habe den Thread nicht aufgemacht um nur "Zustimmungen" zu erhalten. Ich bin für jeden Beitrag dankbar, der zu dem Thema passt.

Bitte meine Angaben nur als ca. Maße verstehen. Ich habe nur einen ganz einfachen alten "Baumarkt-Messschieber" für ein paar Euro.
Hier bitte ich um Nachsicht. (Mich würde nicht wundern wenn ein digitaler Messschieber andere Maße anzeigt.)
1mm Materialabrieb ist natürlich eine ganze Menge, aber manchmal unvermeidlich. Als Beispiel soll hier ein 465er Kabrand Rasiermesser dienen.  Das folgende Bild zeigt das Rasiermesser so wie ich es erhalten habe. Da sind sogar noch alle Rostspuren dran. Das Rasiermesser hat jede Menge Ausbrüche. Die zwei größten sind glaube ich auf dem Bild gut zu erkennen. Was schätzt Ihr wie viel Material weg muss um wieder eine rasurfertige Schneide zu erhalten?


Bei neuen oder NOS Rasiermesser wo die Facette nur aufgefrischt wird oder dergleichen, sieht die Sache anders aus. Ich habe mich da wahrscheinlich missverständlich ausgedrückt. Bei sichtbaren, also mit bloßem Auge sichtbaren Ausbrüchen wie auf dem obigen Foto, ist der Materialabrieb an der Schneide nach dem Schärfen deutlich größer als bei Mikroausbrüchen die nur mit einer guten Lupe oder Mikroskop sichtbar sind.

Sobald ich Zeit habe werde ich das Kabrand auf den Steinen schärfen und vorher die Maße notieren. Dann werde ich davon berichten und vermutlich ein paar Bilder einstellen. Das kann aber dauern... Ich glaube das Kabrand scheint ein gutes Beispiel zu sein, weil sich der Messerrücken  über dem Doppelansatz verjüngt.

-Andreas




Sparschäler reloaded

Eigentlich wollte ich hier ja mitdiskutieren, aber ich bin bis jetzt noch nicht einmal dazu gekommen, mir die Rückenbreiten meiner Messer im Bereich des Doppelansatzes anzugucken. Und jetzt gibt es schon soviel fachkundigen Input, dass ich kaum noch etwas hinzufügen kann.
Die Verjüngung in diesem Bereich war mir wohl bewusst, aber ich habe mich noch nie mit dem Grund auseinandergesetzt. Kaufentscheidend ist es für mich nicht. Ich kaufe ja meist auf dem Flohmarkt ein. Da gibt es genügend andere K.O.-Kriterien. ;) Und stark verschliffene Messer, die man dort zuhauf findet, habe ich mir in der Vergangenheit nicht so genau angeschaut. Zudem klebe ich bei meinen Messern auch (fast) immer den Rücken ab und habe überhaupt auch erst ein einziges Messer zum zweiten Mal geschärft. Deshalb fehlt mir jede Langzeit-Schärferfahrung mit starkem Verschleiß. Was mich daher noch interessieren würde, ist ein Foto deines eingangs genannten Revisors, bei dem du den beschriebenen Effekt so stark empfindest.
Übrigens habe ich bei der Aufbereitung alter Messer auch schon erlebt, dass meine Schärf-Facette deutlich breiter war, als die ursprüngliche. Ich gehe deshalb auch davon aus, dass zumindest der ein oder andere damals beim Schärfen den Messerrücken angehoben hat.

kimeter

Eine Schilderung aus der Sicht eines Herstellers bringt etwas Licht ins Dunkel. Danke, Ulrik!

ZitatDurch das Überschleifen wandert der Übergang von konischem Erl zur Rückenlinie weiter über den Anschliff hinaus. Je nachdem wie stark anschließend der Rücken überschliffen wird wandert der Punkt dann wieder zurück.
Im Idealfall liegt er dann wieder ziemlich genau über dem Anschliff oder ragt etwas in den Bereich der Hohlung.
Das erklärt für mich den verjüngten Übergang über dem Doppelansatz. Also ist Deiner Meinung nach der Übergang ein "Nebeneffekt" und nicht extra wegen dem Nachschärfen hergestellt. Ok. Das habe ich verstanden.  :)


Hast Du eine Erklärung für den "schrägen" Anschliff links unterhalb des Schriftzugs?


-Andreas


Koraat

Ich würde nicht sagen, dass der Übergang nicht auch wegen der Nachschärfbarkeit besteht, das ist sicher geschichtlich mit ein Grund für die Entwicklung des sich konisch verjüngenden Erls gewesen. Aber da ansich jeder Rohling ohnehin so vorgeschmiedet ist, (die Gesenkschmieden haben ja auch viel Erfahrung und stellen daher die Rohlinge korrekt her) muss man nur beim Schleifen sauber arbeiten, dann ergibt sich das von selbst.

Der Schräge Anschliff hat damit zu tun, dass die Klinge besser ins Heft gleiten kann. Man hätte sonst dort wo der Schliff ansetzt eine scharfe abrupte Kante und die würde unter Umständen am Heft hängen bleiben.

beste Grüße,
Ulrik

Borsif

Hallo Andreas,

ich habe mir dein Bid angesehen, der große Ausbruch macht ca 2,5% der Klingenbreite bis zum Auflagepunkt des Rückens beim Schäfen aus (nur grob mit einem Grafikprogramm aus dem Bild rausgemessen). Das wären bei deinem Messer (wenn es ein 6/8 ist) ca 0,48mm. Und naja, das ist schon ein Sonderfall - denke ich. Also nicht für ein eBay- oder Flohmarktmesser, aber es geht um die Hersteller und die Berücksichtigung des Nachschärfens. Kein Hersteller würde den Fall berücksichtigen bei dem sein Messer 50 Jahre lang irgendwo vor sich hinrostet und dann repariert und geschärft werden muss. (etwas übertrieben ausgedrückt)

Tim Buktu

Für mich war immer klar, dass die Klingen nach dem Rücken etwas abnehmen müssen, da die Schalen zum Keil hin ja auch wieder zusammen laufen. Der Nietpunkt am Erl entspricht dem Gegenstück am Keil. Aber nachdem Ulrik den technischen Hintergrund erklärt hat...
Logisch war das ja auch nicht was ich da so einfach angenommen hatte. Logischer wäre schon, die Schalen einer wie auch immer sinnvollen Klingen und Erlgeometrie anzupassen.

Von einem der sich solch tiefgründige Gedanken zu den täglich genutzten Lieblingen selten macht.  :-[  :)
Tranquilo - In der Ruhe liegt die Kraft...

PS: Alles nur meine persönliche Meinung, die sich durchaus beeinflussen lässt und sich deshalb gelegentlich auch ändert!