Chinesischer Nagura?

Begonnen von zumgruenenbaum, 18. April 2017, 17:07:48

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zumgruenenbaum

Hallo Zusammen,

seit ich mich die letzten Jahre überwiegend um andere Sachen gekümmert habe, ist das Rasiermesser-Hobby auch bei mir wieder entflammt.
Ich habe mal meinen alten Bestand insbesondere an Schärfutensilien überprüft und gemerkt, dass ich zum Glück noch recht gut ausgestattet bin.

Zu einem Stein fällt mir allerdings nichts ein:



Das chinesische Schriftzeichen scheint das gleiche zu sein wie hier:

http://aframestokyo.com/mikawa-shiro-nagura-mejiro-5oz-140g-natural-sharpening-s5140.html

Was das genau bedeutet bzw. vor allem was das für die Praxis heißt, ob man den Stein nur zum Porenfreimachen benutzen kann oder auch auf seiner Slurry abziehen kann, weiß ich aber nicht.
Ich bin dankbar für jeden Hinweis...

Also: Nagura-Freaks, legt los  ;)

Schönen Gruß
Till

Der Hein

#1
Hallo,

die Schriftzeichen heißen Kanji und die Japaner verwenden diese Zeichen als Stempel um Fundort (Steinbruch) und Schicht zu kennzeichnen. Letzteres nur, falls die Schicht des Steins aus dem Steinumfeld oder dem Stein selbst eindeutig hervorgeht. Geprüfte Naguras werden angerieben und die Härte und die Partikelzusammensetzung des Schleifschlamms wird von einem Geologen oder geologisch geschulten Arbeiter begutachtet.

Die Begutachtungsstempelzeichen sind (Quelle - Tomonagura):

Botan - ?????
Tenjyou - ??
Mejiro - ??

Aha: Kanji kann die Forumssoftware nicht. Dann eben als Bild:



Weitere Kanjis stehen für farbliche Konsistenz oder besonders hübsche und einschlusslose Exemplare.

Für Dich relevant sind die Kennzeichnungen oben. Falls die nicht im Stempel enthalten sind, weil das lediglich die Stempel des Steinbruchs sind, mußt Du selber herausfinden, was die tun.

Falls Du künstliche Schleifsteine hast nimm einfach die normale Abfolge der Körnungen die Du benutzt. Nach jeder Körnung kannst Du Dir erst das Schliffbild ohne Nagura Schleifschlamm ansehen, danach reibst Du mit Nagura an und schleifst auf dem Stein genausoviele Züge wie normal auf dem Stein. Danach kannst Du am Schliffbild abschätzen, ob die Qualität nun besser oder schlechter geworden ist. Da mit Schleifschlamm das Schliffbild immer wie sandgestrahlt aussieht, und nicht grobe Schleifriefen dominieren, ist die Abschätzung immer sehr subjektiv. Dazu kannst Du daran, wie leicht oder schwer sich Schleifschlamm anreiben läßt die Härte des Naguras einschätzen.

Mit der Do-It-Yourself Testmethode läßt sich der Nutzen für Schleifschlamm abschätzen, und welcher Stein für welchen anderen Stein als Unterlage geeignet sein könnte. Das braucht einige Versuche und viel Erfahrung mit Natursteinen, um hier eine gezielte Verbesserung zu erhalten.

Oder Du verwendest die Steine einfach zum Reinigen und Konditionieren der Kunststeine. Wenn Dein Schleifstein mit Abrieb voll ist, unter fließendem Wasser mit dem Nagura abschrubben, fertig. Da wirst Du schnell sehen, welcher Stein auf dem jeweiligen Kunststein am Besten funktioniert.

Zu Deinem Exemplar:
Kennzeichnungen kann man auf dem Stein nicht erkennen, also ist hier keine gesichterte Aussage möglich. Ich habe im letzten Jahr aus der amerikanischen Bucht vom Anbieter 330mate_com ein Paket mit 600 bis 100 Gramm Iyota Nagura bestellt. Das ist wegen der Versandkosten der Punkt, an dem Du am meisten japanischen Stein bekommt, ohne dass die Versandkosten sprunghaft explodieren. Der Stein, den ich bekam hatte drei unterschiedliche Zonen, eine sah so aus wie Dein Stein, dieselben schwarzen Punkte, ähnliche Oberflächenschwärzung an den angewitterten nicht geschliffenen Stellen. Mein Stein (der am ähnlichsten aussieht) ist als Nagura für alle Kunststeine zum Reinigen und Konditionieren perfekt. Die geschätze Körnung hängt sehr von der Unterlage ab, und wie grob und scharf die Partikel auf der Oberfläche sind. Mit Diamantplatte (400 Grid) angerieben fängt meiner bei etwas über 1K an, und je nach Unterlage zerbröselt der Schleifschlamm dann mit der Anzahl der Züge. Mehr als sechzig Züge (immer nach Gefühl, fast nie gezählt) mache ich damit nicht, da dann nicht mehr viel geändert wird. Falls Deiner so ähnlich sein solllte, versuch erstmal, was mit dem Naguraschleifschlamm auf einem 1K und einem 3K passiert. Bei 5K sind etwas weniger Partikel vom Nagura im Schleifschlamm und das Schliffbild zeigt keine sinnvollen Verbesserungen. Mit meinem Nagura läßt sich mit gefühlt dreißig Zügen auf dem 1K Stein der 3K Stein überspringen.

Mein Stein sah so aus:



Der große mittlere ist der, den ich in meinen Erfahrungen oben beschreibe. Der hellere rechts unten ist weicher und etwas feiner. Der rechts oben ist etwas härter, als der große in der Mitte. Den Stein links habe ich bisher nur zum Reinigen hergenommen, ich muss auch nicht alles mit jedem Stein ausprobieren...  o)

zumgruenenbaum

Vielen Dank für deine ausführliche Antwort!

Ich habe das Teil glaube ich instinktiv immer nur mit Natursteinen benutzt. Die fangen bei mir aber erst bei 6-8K an. Da war es allerdings auch immer sehr mühsam, genügend Schlamm zu erzeugen, der zudem irgendwie wässrig war und nicht besonders "gegriffen" hat. Würde also schon zu deinen Vermutungen passen. Ich setzte ihn mal auf den 1/3er-Kombistein und sehe was passiert. Ansonsten wird einfach mal experimentiert.

Danke übrigens auch für die Erklärung zu dem Stempel - von der Größe und Komplexität habe ich den wirklich für chinesisch gehalten...

Schönen Gruß
Till

Der Hein

#3
Hallo Till,

Als großer Schleifstein wird sowas nur genommen, wenn der hart und gleichmäßig genug ist. Das mit den vielen schwarzen Punkten könnten rekristallisierte Einschlüsse sein, ohne mikroskopische Aufnahmen vom Schleifschlamm und den Einschlüssen könnten das toxische Einschlüsse sein. Als Nagura kann man Stücke verwenden, die von allzu vielen sichbaren Einschlüssen befreit wurden, ich habe meinen Stein deshalb in die vier Teile gesägt und anschließend erstmal solange die Flächen abgeschliffen und die Kanten bearbeitet, bis der vermutlich nutzbare Teil übrigblieb. Den helleren Stein rechts unten habe ich mit der 60er Diamantplatte von den gröbsten Einschlüssen befreit, bleibt der gefüllte Riss in der Mitte. Bei den anderen hatte das wenig Sinn, da sind soviele Einschlüsse drin, dass man ständig auf neue stößt.

Der Iyoto Stein ist laut Webseite zwischen 600 und 3000 in der Körnung, die Härte der Steine variiert zwischen H3 und H5. Finisher sind eher H5 aber dann eben gleichmäßig und ohne Einschlüsse. Kann schon sein, dass ein H4 Iyoto mit feiner Körnung um die 3000 auf noch härteren und feineren Steinen als Mejiro durchgeht, normalerweise sollte der aber als Anreiber für Schleifschlamm vom Nagura dann zu hart sein. Die Mikawas, die auf der von Dir angegebenen Webseite angeboten werden, sind alle H0 bis H2, also weich genug um auf allen beliebigen Steinen vermutlich Schleifschlamm vom Nagura zu hinterlassen. Ab H3 hilft am ehesten noch die Diamantplatte, alle anderen Schleifsteinoberflächen schleifts Du sauber und glatt, aber der Schleifschlamm ist ein schwer einzuschätzendes Gemisch aus beiden Steinen.

Nochmal zu den Stempeln:
Der Stempel mit den vielen Zeichen ist für den Steinbruch oder die Firma, die den abgebaut hat. Alle wichtigen Stempel mit Qualitäts- oder Begutachtungsangaben sind abgesetzt in einzelnen Kreisen, auf dem Bild von der Webseite sieht man das gut: die Meijiro Stempel sind einzeln in anderer Farbe links auf dem Stein. Angaben zur Qualität und Gleichförmigkeit sind dann wieder in einem einzelnen Stempel. Und der jeweilige Gutachter, der die Steine auf Qualität und Klassifizierung stempelt, hat einen eigenen Stempel für seinen Namen. Soweit ich das als blutiger Laie weiß, sind die Mikawas derzeit die einzigen, die noch mit diesen äußeren Qualitätsversicherungen zu haben sind. Sowas wie mein Stein kommt eben nur aus einem bestimmten Steinbruch, und alles was man damit machen kann muss man selber rausfinden.

Und nur mal als Tip: die Japaner verkaufen inzwischen als billige Naguras Steine aus Italien, das sind die billigsten Steinbrüche in der zivilisierten Welt, die noch kommerziell betrieben werden. Die japanischen Steinbrüche sind wegen der schlechten Automatisierung beim Abbau häufig seit dem zweiten Weltkrieg stillgelegt. Der Inhaber von 330mate.com hat den Steinbruch als Liebhaber und Zimmermann mit Steinfortbildung erworben. Soweit ich das sagen kann, ist der nicht weit vom Ein-Mann Unternehmen entfernt, reich kann man so sicher nicht werden...  ???


zumgruenenbaum

Hi,

meinst du das mit den italienischen Steinen in Bezug auf schlechtere Qualität? Ich hab danach mal gegoogelt, aber nichts gefunden...
Also entweder die Infos dazu sind wenn überhaupt eher versteckt oder die werden inkognito verkauft.

Der Hein

Das steht so auf der japanischen Webseite des genannten 330mate.com. Wenn Du kiloweise Naguras kaufst auf der Suche nach dem nächsten Wundernagura bekommst Du die Steine, die gerade verfügbar sind.

Viele der verbliebenen "Steinlieferanten" in Japan gehen zu Fuß in die Berge zu den Minen, fernab jeder Straße oder des elektrischen Netzes und hacken in verbliebenen Stollen kleine Mengen an Steinbrocken heraus. Alles was klar erkennbar gute Qualität hat wird weiter bearbeitet und kommt in homöopathischen Mengen auf den Markt. Wo noch alte Restbrocken von vor dem zweiten Weltkrieg in den Stollen liegen werden die mit verwurstet.

In Italien liegen viele Steinbrüche an Straßen, es gibt Elektrizität, man kann offen an den Bergflanken arbeiten. Die Schleifsteinsteinbrüche in Japan kannst Du in den seltensten Fällen heute mechanisieren, so dass sich die Ausbeutung der häufig schmalen zugänglichen Gesteinssegmente nicht lohnt. Wenn Du sowieso Schiefer oder Granit oder Marmor oder sonstwas als Baumaterial aus dem Berg holst, sind häufig auch Gesteine dabei, die man für solche Kleinmärkte wie Schleifsteininteressierte mit verkauft. Warum sollte ein cleverer japanischer Geschäftsmann den Kunden also preiswerte immer noch verfügbare Quellen für geeignete Gesteine nicht offen mit anbieten?

Wenn die Brocken aus Japan kommen, ist ein Kanji Stempel drauf vom Steinbruch oder dem Lieferanten, falls das ausländische Ware ist steht nichts drauf und es wird im Angebot auch nichts von "japanischem" Nagura gesagt. Wenn im Angebot klar von "japanischem" Nagura gesprochen wird, und es ist kein Stempel drauf, dann sind das Restgesteine von irgendwo in Japan. Du hast keine Garantie, wielange irgendwelche Restbestände früher abgebauter Restware irgendwo aus dem Steinbruch in ein privates Warenlager verlegt wurden und dann Jahrzente später auf den Markt kommen.

Alles außer der Mikawa Mine ist Vergangenheit. Falls Du einen als echt belegten Thüringer hast, behalte den besser als Wertanlage, in ein paar Jahrzehnten kosten die vielleicht genausoviel wie manche historischen Japaner.