Erllager schwergängig - was tun?

Begonnen von mich, 17. August 2016, 08:48:17

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mich

Mein Charles Hake 7/8" lässt sich nur noch mit erheblichem Kraftaufwand öffnen und schließen. Ich habe gestern mit etwas Ballistol versucht, das Erllager wieder leichtgängiger zu machen, was zunächst auch ganz gut geklappt zu haben schien. Allerdings setzt sich auch nach dem Abwischen des überschüssigen Öls bei jedem Öffnen und Schließen am Stahl rund um den Erlniet schwarz verfärbtes Ballistol ab. Die Leichtgängigkeit war leider auch nur von kurzer Dauer. Es scheint, als ob sich das Ballistol da mit irgendwas verbindet.

Spüle ich da gerade den alten Dreck der letzten 100 Jahre aus dem Erllager, oder löst das Ballistol am Ende das Heftmaterial an? Meiner Vermutung nach handelt es sich um Ebonitschalen, es wurde bei einem ähnlichen Messer mit offenbar gleichem Heft aber auch schon Zelluloid als Material genannt.

Wegen eines anderen Problems (Klinge berührt vorne das Heft) wurde mir auch schon ein Austausch des Erlniets vorgeschlagen - das sollte das Problem mit der Schwergängigkeit ja gleich mit lösen. Allerdings bin ich skeptisch, ob das Originalheft, das ich eigentlich gerne erhalten würde, das überlebt. Meiner Schätzung nach ist das Messer über 100 Jahre alt - ich habe hier irgendwo mal gelesen, wenn man so alte Ebonitschalen entnietet, zerbröseln die einfach.


Hellas

Bilder wären hilfreich für die Diagnose...

mich


Iltis

Die Bilder reichen mir, auf jeden Fall - der Ballistol war mit sicherheit ein Fehler - ich wäre bei Heften aus unbekannte Kunststoff eher vorsichtig mit mineralöl; da weisst man nie wie sie reagieren. Am bestens die "schwarze Schmiere" mit Wasser und reichlich Spülmittel abwaschen. Es kann sein, das wenn du nacher den Erlbereich in seher heissem Wasser aufwärmst, und dann unter ständige Bewegung mit kalten abkühlst, das es besser wird. Schlechter wirds dadurch nicht. Wenn du ein Schmierstoff für sowas willst, benutze Kerzenwachs (Stearin) - das verhält sich erfahrungsgemäß neutral alte Plastiksorten gegenüber. Wenn das nicht hilft - Helge hat sich schon angeboten!

Gruß

Iltis
de gustibus, aut bene aut nihil

BastlWastl

Ich bin ja ein Ballistol Fan!

Kann es sein dass da im Heft Abstandshalter/Beilagscheiben aus Messing verbaut sind, das würde die reaktion mit dem Ballistol erklären.....

Ansonsten ich habe alle meine Messer mit Ballistol behandelt und bisher keine Probleme gehabt, vielleicht wird der festsitzende Rost gelöst, und daher die schwarzen verfärbungen....

Grüße WAstl.

Sparschäler reloaded

Wenn man ganz auf Nummer sicher gehen will, dann kann man auch Silikonöl nehmen. Ich hätte hier aber auch auf Ballistol gesetzt. Mir ist noch kein Rasiermesserheft dadurch kaputt gegangen. Ich tippe auch eher auf angelösten Dreck oder abgeriebenen Rost.

strawinski

ich denke auch, das ev. Unterleg- / Abstandsscheiben klemmen oder sich was darunter gesetzt hat. Aufmachen und nachsehen.
Das Licht kam in die Finsternis. Doch die Finsternis begriff es nicht.

mich

Zitat von: Iltis am 17. August 2016, 17:00:26
Es kann sein, das wenn du nacher den Erlbereich in seher heissem Wasser aufwärmst, und dann unter ständige Bewegung mit kalten abkühlst, das es besser wird.

Das hat tatsächlich geholfen, das Messer ist nun wieder etwas leichtgängiger. Ich hoffe, das bleibt so.

Was meinen denn die Experten zu der Vermutung, das 100 Jahre alte Ebonitheft könnte beim Neuvernieten einfach so wegbröseln?

strawinski

klar kann es wegbröseln, weil man ja nie weiß wie, wo und unter welchen Umständen das Messer gelagert wurde. Ich habe schon oft schöne Griffe geöffnet, in der Hoffnung sie zu kopieren und dann sind sie mir unter Hand zerbröselt. Dann heißt es echt restaurieren...
Das Licht kam in die Finsternis. Doch die Finsternis begriff es nicht.

Jos

Im Prinzip kann alles wegbröseln, was 100 Jahre alt ist ... Allerdings hat, nach aller Erfahrung, Ebonit eher weniger Neigung zu bröseln.
"Geh Deinen Weg und lass die Leute reden!" Dante Alighieri

Iltis

Ebonit ist im Prinzip mega-vulkanizierte Latex, und im Vergleich mit Galalith, Celluloid, Bakelit eher geneigt zum zerbröseln. Wenn du es wissen willst, kannst du ein heisse Nadel irgendwo an die Innenflächen die Schalen halten, die Dämpfe beschnuppern, und Google quälen bis du es raushast, was dem Geruch bedeutet, um der Plastiksorte zu bestimmen. Der Risiko, das Schalen beim Neuvernieten kaputtgehen besteht im Prinzip immer - es ist weniger das Entnieten als das Klopfen auf der neuen Nietstift das ein Gefahr mit sich bringt. Von daher wäre ich eher geneigt, die Schalen so zu lassen, wie sie sind. Falls sie drohen, wieder schwergängig zu werden kannst du auch folgendes probieren: die Schalen leicht aufwärmen (Fön), dann mit dem Messer 90º geöffnet, die Schalen mittig zwischen die 2 Nieten mit Gefühl zusammen drücken, und versuchen an die Erlende, zwischen Schale und Messererle ein Stück 400er Schleifpapier reinzuschieben (Reibefläche zür Schale hin), einmal ganz auf und zu machen, Schmirgelpapie entfernen und schauen, ob es leichtgängiger wird. Notfalls mehmals wiederholen. Auch dabei könnte es sein, etwas geht kaputt - alte Plastik ist keine sehr tolerante Werkstoff!!
Auch wenn Ballistol als "kunststoff-freundlich"  von vielen angepriesen wird, bin ich skeptisch, und benutze lieber Kerzenwachs wo es um Plastik, oder etwas, das kein Staub einfangen soll geht (Stimmmechaniken bei Saiteninstrumente, z.B.). Mein Nachbar betreibt ein Fahrradladen und verkauft sehr teueres Öl aus der Lebensmittelindustrie (Klüberoil) für Fahrradketten. Als wir es einmal davon hatten, erklärte ich ihn das mein Vater mir es gezeigt hat wie man die Kette mit eine Kerze kräftig einreibt, dann mit eine Lötlampe einschmelzen lässt, was seine Meinung nach besser als Vaseline schmiert, und die Kette vor Staub schutzt; mein Nachbar sagte mir, die Idee sei gut, ihn nicht fremd (er ist gelernte Mechaniker der alte Schule und seit sein Jugend Moppedbastler), aber heutzutage würde sich keine mehr die Mühe machen, wo es Schmiere in die Sprühdose gibt.

Gruß

Iltis
de gustibus, aut bene aut nihil

mich

Zitat von: Iltis am 18. August 2016, 13:32:02
Ebonit ist im Prinzip mega-vulkanizierte Latex, und im Vergleich mit Galalith, Celluloid, Bakelit eher geneigt zum zerbröseln. Wenn du es wissen willst, kannst du ein heisse Nadel irgendwo an die Innenflächen die Schalen halten, die Dämpfe beschnuppern, und Google quälen bis du es raushast, was dem Geruch bedeutet, um der Plastiksorte zu bestimmen. Der Risiko, das Schalen beim Neuvernieten kaputtgehen besteht im Prinzip immer - es ist weniger das Entnieten als das Klopfen auf der neuen Nietstift das ein Gefahr mit sich bringt. Von daher wäre ich eher geneigt, die Schalen so zu lassen, wie sie sind. Falls sie drohen, wieder schwergängig zu werden kannst du auch folgendes probieren: die Schalen leicht aufwärmen (Fön), dann mit dem Messer 90º geöffnet, die Schalen mittig zwischen die 2 Nieten mit Gefühl zusammen drücken, und versuchen an die Erlende, zwischen Schale und Messererle ein Stück 400er Schleifpapier reinzuschieben (Reibefläche zür Schale hin), einmal ganz auf und zu machen, Schmirgelpapie entfernen und schauen, ob es leichtgängiger wird. Notfalls mehmals wiederholen. Auch dabei könnte es sein, etwas geht kaputt - alte Plastik ist keine sehr tolerante Werkstoff!!

Für das Thema Schwergängigkeit habe ich jetzt in jedem Fall genügend Ansätze, um das ohne Neuvernietung zu lösen (danke!) - allerdings berührt nach wie vor das Messer an der Spitze die linke Heftschale. Grosser hatte, als er mir das Messer geschäft hat, die Vermutung geäußert, dass der Erlniet schief ist. Diese Ursache wird vermutlich nur durch Neuvernietung zu beheben sein - die Frage ist, ob ich trotzdem z.B. durch Wärme eine Besserung erzielen kann. Es handelt sich ja nur um ca. 1mm, den die Messerspitze gegenüber der Mitte zwischen den Schalen verschoben ist - wäre der Keil nicht so schmal, würde man das gar nicht merken.

deligo

Wenn es lediglich dieser eine mm ist dann kannst Du versuchen das ganze mit Wasserdampf z.b. über dem Außgießer des Wasserkochers zu erwärmen und dabei zu biegen.
Alternativ geht auch der Fön.

Zusätzlich würde ich einen Zahnstocher o.ä. von unten zwischen die geschlossene Klinge und das Heft klemmen damit die Klinge vom Heft weggedrückt wird.
Das ganze dann mal ein paar Tage weglegen.
Zumindest bei verzogenen Hornheften habe ich so gute Ergebnisse erzielt.  dh:

mich

Zitat von: deligo am 19. August 2016, 21:44:35
Wenn es lediglich dieser eine mm ist dann kannst Du versuchen das ganze mit Wasserdampf z.b. über dem Außgießer des Wasserkochers zu erwärmen und dabei zu biegen.
Alternativ geht auch der Fön.

Zusätzlich würde ich einen Zahnstocher o.ä. von unten zwischen die geschlossene Klinge und das Heft klemmen damit die Klinge vom Heft weggedrückt wird.
Das ganze dann mal ein paar Tage weglegen.
Zumindest bei verzogenen Hornheften habe ich so gute Ergebnisse erzielt.  dh:

Danke für den Tipp, habe ich sofort ausprobiert. Das Messer liegt seit zwei Tagen mit Zahnstochern gespickt auf der Seite - bin gespannt, ob es hilft. Um mal eine Idee von den Platzverhältnissen am Keil zu schaffen: Damit ein handelsüblicher Zahnstocher die Klinge in die Mitte des Hefts drückt, musste ich einige Zentimeter vom Keil entfernt ansetzen. Direkt am Kopf hätte ich die Klinge sonst gegen die andere Seite des Hefts gepresst.

mich

Nach vier Tagen habe ich die Zahnstocher entfernt, und es scheint was gebracht zu haben - 100% mittig sitzt die Klinge zwar immer noch nicht, aber sie hat jetzt auf beiden Seiten Abstand zum Heft. Wollen wir mal hoffen, dass es so bleibt. Noch mal vielen Dank an deligo für den Tipp!