Metallurgie im Altertum

Begonnen von buzzer, 28. Oktober 2008, 12:03:01

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NegatroN

Zitat von: buzzer am 29. Oktober 2008, 09:53:09
Es reicht mir eben nicht, wenn einfach nur behauptet wird, dass eine Rasur mit einem Messer aus Bronze funktioniert oder mit den Artefakten, die als Rasiermesser angenommern werden. Für mich stellt sich die Frage schon weit vorher so: Wurde das Teil tatsächlich zur Rasur benutzt?

Wenn diese Annahme gelten soll, dann muss sie auch bewiesen werden. Sonst ist sie von der Wahrheit weit entfernt.

Ich denke mal, die erste interessante Frage ist, was man überhaupt unter Rasur versteht. Ein wirklich glattes Gesicht war wohl in der Vergangenheit zu vielen Phasen weder üblich noch erstrebenswert, da der Bart in vielen Kulturen mit Männlichkeit assoziiert worden ist (und ja auch teilweise immer noch wird). Von dem her ging es vermutlich oftmals eher darum, diesen Bart in Form zu bringen als darum, einen Babypopo im Gesicht zu haben, der wohl eher als weibisch gesehen wurde.

Einen Bart zu kürzen (auch auf das Maß einer heutzutage schlechten Rasur) dürfte wohl recht früh möglich gewesen sein. Eine wirklich glatte Rasur im heutigen Sinn hingegen würde ich jetzt aus dem Bauch raus eigentlich nicht vor dem 16. oder 17. Jhdt. sehen. Eben auch aufgrund der technischen Möglichkeiten. Davor wurden "kahle" Stellen vielleicht auch eher durch Auszupfen der Haare erzeugt als durch Rasieren im heutigen Sinn. Aber das sind jetzt alles nur Spekulationen meinerseits.

Nikita

So denke ich das aber auch.  ;)
Calani-Seifenmanufaktur

Sisko

#32
Zitat von: Harvey am 28. Oktober 2008, 16:28:33
In der Serie Rome wird in der ersten Staffel Caesar von seinem Sklaven rasiert, müsste mir die Folge nochmal ansehen und auf den geschichtlichen Kommentar hören.
Marc Anton wird einmal gebadet und zwar wird er mit Öl eingerieben und anschließend mit etwas ähnlichem wie einer stumpfen Sichel abgeschabt, wird im Kommentar sehr gut erklärt.

Diese "stumpfe Sichel" heißt Strigilis (frz. le racloir, dtsch. das Schabeisen) und war ein unverzichtbarer Toilettenartikel für die Körperpflege im griechisch-römischen Kulturbereich. Der sich nach dem Wettkampf mit einem Strigilis von Öl und Sand reinigenden Athleten war eine beliebte Darstellung, eine bekannte Skulptur ist «Der Schaber des Lysipp» - so eine Schaber heißt Apoxyomenos.

Und auch der Strigilisreiniger, also nicht der sich selbst reiningender Athlet, sondern der Sklave, der mit den Fingern der linken Hand die benutzte Strigilis reinigt ist eine beliebte Darstellung. Hier ein Foto von «Der Schaber des Lysipp» http://www.skulpturhalle.ch/sammlung/highlights/2006/03/apoxyomenos.html

Schrauben, Zahnräder, Triebriemen, Ventile, Dampfmaschinen gehören alle zum großen Sammelsurium von Erfindungen die spätesten seit dem antiken Alexandria Anwendung fanden.

Wer Euklids "Optik" und Archimedes "Über die Methode" und das "Mechanismus von Antikythera" zum kulturen Gepäck hat, kann sich selbstverständlich auch rasieren  ;)

olkin

#33
Als Geschichtsstudent hat man einiges zu Hause. Deshalb hier ein Zitat aus dem "Kleinen Pauly", einem Standardwerk für Altertumswissenschaftliche Geschichtswissenschaft:

Rasiermesser (novacula, cultellus, culter tonsorius) Das R. zum Rasieren des Bart- und (bei Trauer) des Haupthaares ist seit vorgr. Z. bekannt. Bis in die röm.Z. waren halbmondförmige R. aus Bronze oder Eisen beliebt (Außenseite als Schneide, Innenseite, oft mit Ring, zum Anfassen), so am Kairos des Lysippos, der die Waage auf "R.s Schneide" balanciert. Daneben sind andere Formen, gradlinige, auch zweischneidige R. aus Funden belegt. Das R. konnte in einem Etui ((curva) theca) aufbewahrt werden (vgl. z.B. Petron 94).

Walter Hatto Groß: Artikel "Rasiermesser". In: Konrat Ziegler, Walther Sontheimer (Hg.): Der Kleine Pauly. Lexikon der Antike auf der Grundlage von Paul´s Realencyclopädie der classischen Altertumswissenschaft, Bd. 4. München 1979. S.1339f.

Nein, ich werde nicht zur SuUB fahren, um im "richtigem" Pauly oder im "Neuen Pauly" nachzugucken  ;D
"Wer immer das letzte Wort haben will, spricht bald mit sich allein."
Sprichwort aus der Bretagne

"Wer sich ärgert, büßt für die Sünden der anderen."
Konrad Adenauer

buzzer

Ich denke, das mit den halbmondförmigen Dingern (Wiegemesser) ist ein Missverständnis.

Die Berührung mit der Haut sähe so aus:

Haut )( Messer

Eine solche Punktförmige Berührung macht keinen Sinn.

Mehr Sinn macht sowas: Haut )) Messer.

Eine scharfe Klinge ist nicht zu spüren. Eine stumpfe Klinge schon.

Jericho

Das stimmt aber nur für einen steilen Winkel und das würde in der Tat keinen Sinn machen. Wenn das Wiegemesser aber eher flach geführt wird, ergibt das durch die gebogene Klinge einen Effekt wie bei einem Schrägschnitthobel.
Liebe Grüße

Dirk

olkin

Den Ausführungen des Pauly würde ich, entgegen deinen Einwänden, lieber buzzer, hier nun doch einen Wahrheitsanspruch zugestehen. Zu 100%.

Seltsam? Aber so steht es geschrieben...
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Sprichwort aus der Bretagne

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Konrad Adenauer

Guilty

#37
Zitat von: olkin am 01. November 2008, 20:55:43


Seltsam? Aber so steht es geschrieben...

War das nicht der  berühmte Abschluss Satz aus den Gespenster Comics?

olkin

 ;D

Du glaubst ja nicht, welche Angst die graeco-römische Antike vor Geistern hatte. Das Wasser, mit dem die Toten gewaschen wurden, musste aufgefangen und an Wegkreuzungen ausgekippt werden. Als Nahrung für die Geister. Hat wohl schlicht damit zu tun, dass an Kreuzungen immer wieder Unfälle passier(t)en und dafür eine Erklärung gefunden werden musste.

...´tschuldigung...Ja, es ist von diesen Comics!
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Konrad Adenauer

UbuRoy

Zitat von: buzzer am 28. Oktober 2008, 16:05:08
Btw., ich habe in meiner Küche ein Buntmesser, gefühlte Härte wie Bronze. Wenn mir das einer auf Rasierschärfe bringt, heiße ich Hugo.
@Hugo: Die halbmondförmigen Schaber der Gerber haben einen erheblich anderen Radius und sind meist zu groß für ein Männergesicht.
Außerdem darf sicher stark bezweifelt werden, das Adligen/Edlen in grauer Vorzeit oder später Lederschaber als Grabbeigaben mitgegeben wurden. Rasur dürfte ziemlicher Luxus oder wenigstens (Kosten-/Zeit-)Aufwand gewesen sein.
Und Bimsstein hat eigentlich nicht mal eine undefinierte Schneide, sondern gar keine, wage ich zu behaupten.
Trotzdem ist wohl belegt, das Legionäre tatsächlich auf die Art die Stoppeln geschoren haben. Welcher civilisierte Römer wollte schon mit einem Barbaren verglichen werden.

Größenteils sind vermutlich alle stählernen Rasierutensilien, die 2000 Jahre alt (oder auch nur 1000) sind, komplett wegoxidiert. Ich hab ja schon Rostprobleme mit 'nem neuen Messer im Bad nach dem Duschen... Also soo abwegig ist das nicht.

Bronzemesser bekommt man sehr wohl rasiermesserscharf. Die alten Griechen dürften das perfektioniert haben. Die alten Ägypter hatten unzählige bronzene chirurgische Instrumente aus Bronze, denen heutige chirurgischen Instrumente häufig aufs I-Tüpfelchen gleichen (u.a. belegt durch erhaltene Erwähnungen eines altägyptischen Arztes namens Sinuhe)

Ihre Marmorbüsten und Statuen etc. haben sie übrigens wohl mit Kupfer/Bronzemeißeln bearbeitet. Man braucht halt mehr davon... Der Letzte Feinschliff dürfte Sand, Holz etc. gewesen sein.


Obihörnchen

Also, dass sich sehr wohl rasiert wurde und zwar relativ gründlich würde ich z.b. auf reliefs etc sehen, welcher Römer hatte da schon nen Bart?

Guilty


Das hat nicht viel zu sagen.Die Künstler längst vergangener Tage verstanden es ihre"Modells"schön und Makellos aussehen zu lassen.

Obihörnchen


Guilty

#43
Diesen Auszug finde ich sehr interessant.

"Die grassierende Bartflechte und mehr noch die Furcht vor Ansteckung führte unter anderem zum Verschwinden der Rasur beim Friseur. Häufig wurde auch über die mangelnde Qualität der Rasur geklagt.  "Es würde unseren Geschäften vielleicht mancher Rasierkunde erhalten," klagte ein Barbier selbstkritisch, "wenn die Bedienung schmerzloser wäre. Man braucht sich nur einmal in verschiedenen Geschäften rasieren zu lassen. Manchmal scheint es, als schabe ein Kartoffelschäler über das Gesicht."

Und das war das vorletzte Jahrhundert.Wie es dann aber weit früher mit der Rasur und dessen Gründlichkeit bestellt war und wie sie auf uralten Gemälden zu sehen und dargestellt ist bleibt offen.

Iltis

Ich steige etwas spät in diese Diskussion ein (habe ich irgendwie übersehen).
Das man nicht nur aus Bronze sondern sogar aus Kupfer Rasiermesser machen kann wurde in die 30er Jahre der Letzte Jahrhundert bewiesen, s. hier: http://blog.modernmechanix.com/2008/10/17/timely-tips-for-the-inventor (leider nur auf Englisch). Aber wie der Autor schreibt, Stahl ersätzte Bronze (oder Kupfer) als Werkstoff weil es dafür geigneter ist. Buzzer, ich kann dir aus eigene Erfahrung berichten, das Feuerstein nicht schwierig zu bearbeiten ist - der einzige Spielregel bei "flint knapping" (feuersteinbearbeitung) ist das die zu bearbeitende Kante ein Winkel von weniger als 90 grad hat, sonst ist der Abschlag nicht kontrollierbar. Als Student habe ich auf eine eisenzeitliche Ausgrabungen in Südwestengland ein Praktikum abgelegt: da war es gang und gebe unter die Mitarbeiter, unsere Bleistifte mit selbstgeschlagene Klingen aus der reichlich vorhandene Feuerstein zu spitzen. Einmal gezeigt, zwei oder dreimal geübt und es klappt. Obsidian ist natürlich vorkommenden Glas; ich habe auch einmal um die Wette mich mit eine gebrochene Flasche rasiert - ich wurde es Niemanden raten, sich regelmässig so zu rasieren, aber es geht.
Sicherlich sind einige antike Techniken in vergessenheit geraten - man kan nur vermuten, wie Wootz, zum Beispiel, produziert wurde.
Zweifellos verfügten unsere Vorfahren über Wissen den wir nicht mehr besitzen, aber sie würden auch mit viele unsere gegenwärtige Werkzeugs und Haushaltsartikeln schnell überfördert. Ob eine neuere Technologie besser oder schlechter ist, ist eine Frage der zeitlich-räumlich-kulturelle Betrachtung. Ein Beispiel: als Autos ursprunglich durch Herr Ford in Amerika zum ersten Mal (relativ) billig zu bekommen waren, wurde dieses gefeiert als eine saubere Alternativ zu Pferdetransportation, weil Pferdekot, und der Staub davon wenn es trocknete, ein grosses Problem in größere Städte war. Ein Paar Jahrzehnte später ereifert sich der englischer Autor W. Somerset Maugham über lärmende, stinkende Autos, und Heute  gibt es Feinstaubplaketten.
Das es kaum noch neue taugliche Rasiermesser gibt wird nicht von der Können der Menschen, sondern der Markt geregelt - will kaum jemand; und das die Handwerker der diese Technik beherrschen aussterben eine bedauerliche Selbstverständlichkeit.
Gruß
Iltis
de gustibus, aut bene aut nihil