Rasiermesser mitte 18. Jarhundert

Begonnen von Stefan T., 30. Dezember 2014, 20:57:46

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Stefan T.

Kurz vor Weihnachten bin ich im Internet über ein spitzen Angebot gestolpert. Neben einem Zwicker (einer bügellosen Brille) stand auch ein Rasiermesser zum Verkauf, das mir Anfangs durch seine Griffschalen aufgefallen ist. Beim genaueren Hinsehen kam mir aber schnell ein Fred von Herrn Iltis in den Sinn, in dem er über das Aussehen von Rasiermessern aus der Zeit vor 1800 schreibt. Also habe ich nicht lange gefackelt und zugeschlagen.
Heute ist dann endlich das Paket eingetroffen und jetzt gerade freu ich mich wie ein Honigkuchenpferd! Aber seht selbst:





Natürlich habe ich sofort angefangen zu recherchieren und bin zu meiner Überraschung hier:http://www.museen-nord.de/Objekt/DE-MUS-789911/lido/RM170 recht schnell fündig geworden. Die beiden sehen sich doch zum Verwechseln ähnlich. Es sieht so aus als wäre ich da auf einen echten Urgroßvater von einem Rasiermesser gestoßen.






Der Erl ist sehr kurz und keilförmig ausgeschliffen, neben der Stempelmarke des Herstellers sind auch Buchstaben eingeprägt: IBM
Nieten und Nietrosetten sind ebenfalls aus Stahl oder Eisen und sind relativ groß (Bullseyenieten?)



Die Griffschalen scheinen aus bemaltem hellem Horn zu bestehen, eventuell aber auch Knochen.



Ein Paradebeispiel für derbe Klingen.  :D Der 4mm dicke Rüchen ist nicht rund sondern ehr eckig verarbeitet und neigt sich beträchtlich (einen knappen mm) nach links.



Ausserdem sind Rücken und Schneide in etwa einen halben Millimeter gebogen. Ich freu mich jetzt schon aufs Schärfen...  :-\

Ich denke daher dass es ein Messer aus der Mitte des 18. Jahrhunderts ist. Wie schätzt ihr meine Chancen ein das ich richtig liege?

Grüße, Stefan


"Jeder tut was er am besten kann. Ich mache nichts"

titanus

Sehr schönes Messer, mein Lieber!

Ich werfe mal 1800 - 1810 in den Ring.

Grüße

titanus
Es ist sinnlos, von den Göttern zu fordern, was man selber zu leisten vermag.

Epikur

efsk

Ui. Da wird man richtig Eifersüchtig! Gratuliere!
Verzeih mir mein Deutsch. Ich bin ein Holländer.
lG - Richard

Stefan T.

@titanus: Verrat mir mal wie du auf 1800 - 1810 kommst. (Gleich mal klarstellen: DEFINITIV kein persönlicher Angriff sondern die GROßE Neugierde!  :angel:)
Vom Friseurmuseum wurde ja sein Fastzwilling auf etwa  1740 - 1770 (2. Drittel des 18.Jahrhunderts) datiert.
Was haben meine Ungeschulten Augen übersehen?  ???
"Jeder tut was er am besten kann. Ich mache nichts"

BastlWastl

Sehr schönes Messer, da ist freihandschärfen angesagt ;D, sonst kostet dir das Klebeband mehr wie das Messer ;D.........


Wirklich ein tolles Teil, und das beste ist die Rasieren wunderbar.

Grüße Wastl.

titanus

Zitat von: Stefan T. am 30. Dezember 2014, 21:59:28
@titanus: Verrat mir mal wie du auf 1800 - 1810 kommst. (Gleich mal klarstellen: DEFINITIV kein persönlicher Angriff sondern die GROßE Neugierde!  :angel:)
Vom Friseurmuseum wurde ja sein Fastzwilling auf etwa  1740 - 1770 (2. Drittel des 18.Jahrhunderts) datiert.
Was haben meine Ungeschulten Augen übersehen?  ???

Mein ältestes Messer ist von 1775 + 10
Und das sieht wirklich älter aus.
Müßtest du  finden unter Bramall Joppa.
Das hat noch nicht diese eingezogene Schulter.
Deins sieht noch etwas moderner aus, als mein Bengall (s. dort), was ich auch in die Zeit stellen würde, aber etwas älter.
Das Bengall hat z. B. noch keinen Einzug am Erl, ist aber mit "Cast Steel" gemarkt.
Es geht mir nicht darum ein Messer vor oder zurückzudatieren, sondern um eine realistische Einschätzung.
Schau mal bei H. T. Lemmus.
Auf Stravinskis Seite ist  ein Link- oder war immer.
Von den Proportionen der Griffschalen und aus der Ferne, könnte es auch etwas Anderes als Horn sein.
Horn wurde nicht gern mit so ausgeprägten Kanten verarbeitet, weil es dafür zu weich/flexibel ist.

Grüße

titanus

PS: Angriff sehe ich überhaupt nicht. Alles gut.  dh:




Es ist sinnlos, von den Göttern zu fordern, was man selber zu leisten vermag.

Epikur

Iltis

#6
Ein sehr schönes Messer hast du da erstanden, Stefan, und in Verhältnis zu seinem Alter sehr gut erhalten!
M.E. wäre nach 1800 zu jung geschätzt, vor 1790 würde ich schon meinen - da (wie es auf der von dir verlinkte Museumsseite auch steht), Messer diesen Alters sehr schwer datieren lassen (Sheffield hatte sich noch nicht als Produktionszentrum etabliert und der Typologie vermutlich regional sehr unterschiedlich ist - es fehlt auch an genug dokumentiertes Vergleichsmaterial), wage ich eine genauere Datierung nicht.
Von die Fotos sehen mir die Schalen wirklich nach Knochen aus - wenn sie in der Tat original sind (was ich glaube), sind sie in ein hervorragenden Erhaltungszustand.
Mit die Schärferei solche Klingen habe ich immer sehr viel Mühe gehabt - sie sind dafür gedacht "freihand" mit angehobenen Rücken zu schärfen, was mir nie gelungen ist - mit vielfach abkleben mit Isolierband habe ich auch keine gute Erfahrungen gemacht; bei das letzte solche Messer das ich geschärft habe klebte ich dünne Blechstreifen an der Schulter mit Sekundenkleber um eine feste Facettenwinkel zu definieren, klebte noch einmal mit Isolierband ab um die Facette mit ein 1000er zu setzen, nacher entfernte ich der Band und "korrigierte" die Facette (die dann leicht spitzer wird) auf GBB, und Schloss auf Schieffer ab. Beim Pasten (was ich gerne praktiziere) blieben die Blechstreifen noch dran, dann löste ich der Sekundenkleber mit Aceton und lederte mit etwas mehr Durchhang als sonst.
Wenn die Schärfe nachlässt habe ich bisher auf "korrektes Schärfen" gepfiffen und mit leicht angehobene Rücken ein Paar Schübe auf Schieffer, ebenso Abzüge auf Paste (Polierrot) und der HT war wieder da.
Ich hoffe, das hilft.

Gruß

Iltis
de gustibus, aut bene aut nihil

Stefan T.

@ titanus: Da bin ich aber beruhigt! Immerhin geht es bei geschriebenem Wort recht schnell dass man etwas in die falsche Kehle bekommt. Deshalb hab ich das ja auch gleich klargestellt.  :)
Deine Info zu den alten Rasiermessern ist auf jeden Fall sehr aufschlussreich. Mal sehen ob ich trotzdem noch mehr über das genaue Alter herausfinden kann.
@ Iltis: Danke dir jetzt schon mal für den heißen Tipp fürs Schärfen. Ich werde es wohl ähnlich machen. Habe da an eine Art Röhrchen wie zum schleifen von Mikrotommessern gedacht.

Das Messer macht für sein Alter wirklich ein tolle Figur! Die Griffschalen scheinen wirklich aus Knochen zu sein. Da sie relativ elastisch sind dachte ich zuerst an Horn. Aber ich hab das Material soeben mit den Griffschalen eines Messers verglichen das ich gerade restauriere.
Hier mal die Bilder (50fache Vergrößerung) zum vergleich:


Hier der Knochengriff des J.B.S aus Solingen dessen Klinge ich gerade entroste. Der Knochen wird ebenfalls noch ordentlich gereinigt dann sollten die "Poren" auch wieder etwas sauberer aussehen.

Und zum Vergleich der bemalte Griff des Uropas. Man kann ebenfalls die "Poren" erkennen. Auffällig ist der starke Gelbstich, der mir von der Möbelrestauration bekannt vorkommt. Über die braune Farbe könnten unter Unständen einige Schichten Schelllack sein. Oder womit wurden solche Messergriffe damals behandelt bzw lackiert?

Zu den Fragen die sich bei mir aufwerfen wenn ich an die Restoration denke, werde ich aber wohl in den Restorations-Fred wechseln. Entweder gleich zu "Wir kochen uns mal schöne Messer, oder aber ein Extra-Fred. Sagt mir einfach was euch lieber ist.

Einen guten Rutsch schon mal.

Gruß

Stefan
"Jeder tut was er am besten kann. Ich mache nichts"

titanus

Mach nicht zuviel.
Die Poren müssen nicht "sauber" sein.
Das sieht ja aus wie die benachbarte Farbe = original.

Guten Rutsch

titanus
Es ist sinnlos, von den Göttern zu fordern, was man selber zu leisten vermag.

Epikur

Stefan T.

#9
Die Poren will ich doch nur bei den nicht gefärbten offenporigen Griffschalen des J.S.B reinigen! Die Griffschalen meines Oldies werde ich wohl höchstens einmal vorsichtig von oberflächlichem Schmutz reinigen. Mehr ist auch gar nicht notwendig! Sie sind bei weitem besser in Schuss als viele der Rasiermesser die ich sonst so zum restaurieren habe, ich würde sogar sagen quasi neuwertig!
Aber keine Sorge: bevor ich das Messer in irgend einer Art und Weise restauriere werde ich mir noch das Fachwissen von euch Spezialisten holen! Immerhin will ich dem Messer auf keinen Fall seinen Charakter und auch nicht seinen Wert nehmen...
Wenn wir schon mal beim Wert sind: Rein aus Interesse (das Messer geb ich sicher nicht freiwillig her ;) ) welchen Wert hat denn so ein altes Messer denn cirka? (Ich glaube ich habe unverschämt wenig dafür bezahlt und will unter anderem aber fair zum Verkäufer sein, sonst hätte ich wohl das gefühl jemanden übers Ohr gehaut zu haben.)
"Jeder tut was er am besten kann. Ich mache nichts"

strawinski

also was steht denn genau auf dem Tang...Ich denke, das ist ein sogenannter Stubtailmesser. Ein Entenschwanz...Wenn man mal eine genaue Detailaufnahme hat, dann könnte man das weiter verfolgen....
Der Wert, tja, so um die 60 Euro..oder auch mehr.
Das Licht kam in die Finsternis. Doch die Finsternis begriff es nicht.

Stefan T.

So, nun schau ich wie die Kuh vor dem neuen Tor! Was ist ein Stubtail?  ??? Bei Tail denke ich sofort an den Erl... stimmt das? Sobald ich weiß was denn abgelichtet werden muss, mach ich ein zwei Fotos und teile sie mit euch.

Grüße, Stefan
"Jeder tut was er am besten kann. Ich mache nichts"

titanus

Hallo stefan,

ich will noch mal erläutern wie ich auf meine Jahreszahl komme.

Also erst mal darf Mann nicht alles glauben, was geschrieben steht.
Das Messer in dem Museumslink hat vermutlich auch keine Hornschalen und genau so sehe ich das auch mit der
Zeitstellung des Museumsmessers.  dr:

Ich habe dir mal meine ältesten Messer fotografiert (mehr habe ich leider nicht).
Das älteste (Bramall Joppa) ist rel. gut datierbar, weil Herr Bramall oder Bramhall seine Firma erst 1775 aufgemacht.
hat. (das Heft ist nicht original)
Die anderen drei sind natürlich jünger.
Das zweitälteste (ein Bengall) würde ich ~1790 + - 10 geben,
das 3. (Bengall) und das 4. (Joseph Rodgers) nach 1810 und vor 1830.

So. Und jetzt schau dir mal den Schliff und das Design deines Messers an.
Es ist vom Stil her (m. Erachtens!) jünger als das Messer Nr. 2 und älter als das Messer Nr. 3.
Das sind natürlich typologische Einstufungen, die nicht stimmen müssen.
Aber woran wollen wir uns halten- wir waren nicht dabei.

Deshalb würde ich, im Gegensatz zu Herrn Iltis, das Messer auf 1800 +- 10 einstufen.
Sonst müßte ich an der Zeitstellung von Messer 1 oder 2 zweifeln.

Trotzdem und gerade mit den schönen Knochenschalen ein außergewöhnliches Messer, über das du
dich wirklich freuen kannst.

Grüße

titanus







Es ist sinnlos, von den Göttern zu fordern, was man selber zu leisten vermag.

Epikur

Iltis

Hallo titanus,

Ein paar fragen zu deie Erläuterung:

1) Laut die Lummus Artikeln, die auf fundierte Recherchen zu basieren scheinen, war die Fa. Bramall 1770-1800 tätig; hast du eine Quelle für die Firmengründung in 1775?

2) Ich stimme mit dir überein bei deine Datierung deine 2 jüngsten Messer, bei der ältere Bengall (bei den ich nicht mal sicher bin, ob es einen "echten" von Cadman ist - der Phenomen Raubkopie ist keineswegs neu) würde mir deine Begrundung für deine Datierung 1790 + - 10 interessieren. Ich würde (wie immer mit Vorbehalt) das Messer, wie immer einfach "vor 1790" einstufen.

Ob Stefans Messer jünger, älter oder zeitgleich wie deine ältere Bengall ist wage ich nicht zu sagen - da dein Messer so ein Verschleiss  aufweist, das man die ursprungliche Klingenform nicht rekonstruieren kann - ob er der durchgehende Klinge/Angelform oder eine leichte "Schulter" aufwies kann man nicht mehr wissen. Der leichte Schulter bei Stefans Messer spricht für eine spätere Datierung, dagegen aber spricht der Prägung "IBM" (es sei den wir haben mit ein uns unbekannten Druckerersatzteil ;)), solche "sinnlose Buchstabenaufreihungen" (Wie Lummus sie beschreibt) sollen schon aus der Mode gekommen sein bis der Schulter sich ausprägt, ebenfalls laut die akzeptierte typologische Entwicklung sollte das Messer dann eine ausgeprägterer Angel haben, das fehlt auch.
Das es "älter aussieht"  wurde ich nicht bestreiten, aber Aussehen alleine zu trauen kann sehr gefährlich sein - vergleich mal neolithische mit bronzezeitliche Keramik im mitteleuropäischen Raum!

Lange Rede, kurze Sinn - du kannst recht mit eine spätere Datierung als 1790 haben, titanus, aber so spät wie 1810 (es sei den, wir haben mit einen handwerklichen Produkt neben die Industrie zu tun, was nicht auszuschliessen ist) liesse sich das Messer m.E. nicht einordnen.

Gruß

Iltis
de gustibus, aut bene aut nihil

titanus

Hallo Iltis,

zu 1)
ich habe ein schlechtes Gedächtnis und nicht noch einmal nachgesehen. dr:

zu 2)
ich habe den Eindruck, dass es sich deutlich von dem Bramall unterscheidet.
Wenn wir das Bramall spasseshalber auf 1775 +- 5 ansetzen, also in die Anfangszeit des Herrn Bramall,
dann kommen wir mit 1790 +- 10 schon auf 1780 wie beim Bramall.
Deine Datierung mit "vor 1790" gefällt mir natürlich auch. Keine Einwände.

Ich fand, dass der Erl schon etwas archaischer aussieht, als bei dem Messer von Stefan.
Deshalb, nach dieser kleinen Diskussion, kann ich mich natürlich auch mit 1790 - 1800 anfreunden, auch ein paar Jährchen früher können durchaus drin sein, wer weiß das schon- glaube ich aber nicht. Damit würde ich die oberen 10 Jahre meiner Schätzung eliminieren.  Das fällt mir nicht schwer.

Damit wären wir allerdings weit entfernt von:"Mitte des 18. Jahrhunderts"

Grüße

titanus


Es ist sinnlos, von den Göttern zu fordern, was man selber zu leisten vermag.

Epikur