Fragen zur Restauration: Rasiermesser ca. 1775-1800

Begonnen von Stefan T., 05. Januar 2015, 15:21:10

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Stefan T.

Ich habe das Rasiermesser ja bereits hier:https://www.gut-rasiert.de/forum/index.php/topic,28708.0.html vorgestellt.
Jetzt ergiebt sich für mich aber die eine oder andere Frage zur Restauration.
Mein Plan ist dem Messer eine sanfte und schonende Erneuerungskur zukommen zu lassen. Am Griff selbst gibt es bemerkenswert wenig zu tun, mit sanfter Seifenlauge und Zahnbürste waschen wird wohl genügen.
Die Klinge ist ebenfalls nicht all zu verrostet. Deshalb dachte ich mir ich werde sie vorsichtig zuerst mit dem Glasfaserradierer von den göberen Rostflecken befreien und dann mithilfe von Sidol Polish (Inhaltsstoffe 15-30% aliphatische Kohlenwasserstoffe, 5-15% Salmiakseife, Polierkreiden und Hilfsstoffe) Korkstoppel, Wattestäbchen und Zahnstocher den tiefer liegenden Rost entfernen und die Klinge aufpolieren. Den Nieten werde ich die selbe Behandlung zukommen lassen.
Bleibt nur ein kleines Problem: der hintere Niet ist etwas locker, wodurch die Schneide bei unvorsichtigem Schließen schnell mal durch an der falschen Seite des Griffs durchrutscht. Das würde sich wohl mit ein paar sanften Hammerschlägen beheben lassen. Kann ich das riskieren?

Ich will den ursprünglichen Charakter weitest möglich erhalten. Ich dachte sogar schon daran die Patina nicht zu entfernen, jedoch sind sehr viele aktive Roststellen auszumachen.
Wie würdet ihr vorgehen? Ich bin für jeden Tipp offen.

Schöne Grüße, Stefan


"Jeder tut was er am besten kann. Ich mache nichts"

titanus

Also wie schön eine alte Klinge glänzen soll, da scheiden sich die Geister zwischen
dem König der Ubu's und Stravinski ist alles möglich.

Ich finde die Klinge nicht sehr rostig und würde ein bisschen Ölbad machen, dann etwas auspolieren und fertig.

Was ich nicht tun würde, weil mir da die Erfahrung fehlt, ist mal eben leichte Schläge auf den Niet zu machen.

Das würde ich anderen Leuten überlassen, obwohl ich jetzt auch einen Kugelhammer habe.

Grüße

titanus
Es ist sinnlos, von den Göttern zu fordern, was man selber zu leisten vermag.

Epikur

Tim Buktu

Im Prinzip ist es nicht schwer einen Niet wieder festzuklopfen. Wenn man es aber noch nie gemacht hat, ist eine Übungseinheit schon zu empfehlen. Grundsätzlich ist es am Wichtigsten, nicht zu stark zu hämmern. Lieber 50 leichte als 5 starke Schläge. Hast Du kein Übungsobjekt herumliegen?

Zur Klinge: da bin ich auch eher ein Vertreter des "weniger ist mehr". Spiegelpoliert mag zwar an manchen Messern schön sein, aber meiner Meinung nach darf man einem solchen Messer sein Alter und die erlittenen "Qualen" auch ansehen. Hauptsache nach der Restauration ist es keine Qual das Messer anzusehen! ;)
Tranquilo - In der Ruhe liegt die Kraft...

PS: Alles nur meine persönliche Meinung, die sich durchaus beeinflussen lässt und sich deshalb gelegentlich auch ändert!

Stefan T.

Spiegelpolitur ist bestimmt nicht mein Ziel! Keine Sorge.
Um das Rasiermesser aber so lange wie möglich zu erhalten ist es mir ein Anliegen allen Rost zu entfernen. Das bedeutet auch dass ich den Rost aus den vorhandenen Rostfraß-Löchern heraus haben will. Und da ich das Messer nicht versemmeln will habe ich natürlich zuerst einmal meine Methode mit einer anderen Klinge getestet. (Fotos davon werde ich demnächst noch mit euch teilen) Und hier hat sich gezeigt dass es mit den von mir beschriebenen Mitteln äußerst schwer bis unmöglich ist die Pittings zu entrosten.
Wie sieht es denn mit Essigsäure (Essigessenz, oder normaler Speiseessig) aus? (Natürlich nur mit dem geeigneten Arbeitsschutz) Hat da jemand von euch Erfahrung? Oder hat jemand von euch noch andere Tipps und Tricks auf Lager?

Grüße, Stefan
"Jeder tut was er am besten kann. Ich mache nichts"

harrykoeln

#4
Den Rost zu entfernen kann kein Anliegen sein, sondern ist in dem Fall sogar ein absolutes Muss. Sonst geht der Fraß weiter und das wäre definitiv zu schade.
Dein Plan hört sich ansonsten gut an!

Kein Teufelswerk ist das Nieten:
Schraubstock, Türstopper, anderen Hammer, Fäustel etc als Unterlage nehmen. Mit dem leichtestem Hammer, 100g max für nen Anfänger, besser 50g, nieten. Faustregel für den Anfänger: JEDEN EINZELNEN SCHLAG SOLLTEST DU AUF DEN FINGER-, UND DAUMENNÄGELN LOCKER AB KÖNNEN, JEDEN! Anfänglich nach allen 5 Schlägen gucken, ob es straffer läuft. Dann bekommst Du allmählich ein Gefühl dafür, wie Du dengeln musst, um bestimmtes zu erreichen. Auch wenns besser läuft, keinesfalls fester kloppen. Sinds 100, 200 oder gar 500 oder mehr Schläge, ist das auch okay. Dann wird das schon. Kannste Melodien aus dem Radio mithämmern, Melodienraten, Drumgrooves üben... was auch immer - ist, wie gesagt, kein Teufelswerk.

Viel Erfolg!
"The two most common things in the universe are hydrogen and stupidity.
There is more stupidity around than hydrogen, and it has a longer shelf life."
Frank Zappa (1940-1993)

Senser

Ich würde zwecks Entrostung die Klinge mit Kriechöl (früher Caramba, heute WD 40, Brunox usw.) einsprühen und nach ein paar Stunden mit feiner Stahlwolle und Zahnbürste, Messingbürste, Kupferbüste oä. säubern.
Zum Nieten ist alles gesagt. Dann mit Balistol konservieren und mich an der kleinen Antiquität erfreuen. Bitte erst gar nicht versuchen, das Messer rasierfertig zu machen. Wozu auch?
Gruß Senser

Stefan T.

Hehe. Zum nicht rasierfertig machen ist es quasi schon zu spät. Es muss heute nur noch über den Abschlussstein dann wird es mal proberasiert. Immerhin sollte man auch einem alten Rasiermesser nicht seinen Zweck nehmen. (Ich bin nun mal nicht der Typ der sich unnütze Dinge in die Vitrine stellt.)
Entrostet habe ich es mit Hilfe eines Glasfaserradierers und einer 1:1 Mischung aus Essigessenz und Kamelinöl. Danach habe ich die letzten paar rostigen Überbleibsel mit Sidol Metalpolish entfernt. Und ich habe TUNLICHST darauf geachtet nicht den Charakter des Messers durch überreinigung zu zerstören. Werde das Endergeniss heute Abend mal online stellen. (Neben ein paar anderen Messern die ich in den letzten Wochen schon zeigen wollte aber keine Zeit dafür hatte.)

Grüße, Stefan
"Jeder tut was er am besten kann. Ich mache nichts"

leutnantbrown

Hallo Stefan.

Bei der mittlerweile seltsamen Klingengeometrie hätte ich das Messer so belassen (Nach Reinigung und Pflege). Ich bin eher ein Vertreter Rost restlos zu entfernen und das Messer komplett brauchbar zu machen. Aber eine so alte Klinge gehört in die Rente. Ist aber natürlich Deine Entscheidung und ich hoffe, dass Dir das alte Messer dann noch gute Dienste leistet.
Gruß
Peter
Wer als Werkzeug nur einen Hammer hat, sieht in jedem Problem einen Nagel

titanus

Ich denke, ihr habt beide recht.

Ruhig mal damit rasieren- aber dann erst mal weglegen und sich dran freuen.

titanus
Es ist sinnlos, von den Göttern zu fordern, was man selber zu leisten vermag.

Epikur

Stefan T.

Das ist mein Plan. Es soll sagen wir mal ein "Feiertagsmesser" werden. Also sicher nicht im täglichen Einsatz. Natürlich wird es bei Nichtbenutzung gut geölt und gelagert.
"Jeder tut was er am besten kann. Ich mache nichts"