alte "Kuriose" Geschichten, Ratschläge und Literaturquellen

Begonnen von doorsch, 10. Dezember 2014, 16:40:12

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BastlWastl

Zitat von: doorsch am 17. Januar 2015, 10:54:46
Zitat von: Stefan T. am 16. Januar 2015, 18:44:32
Fragt sich nur wer von euch Schurken nun das Messer und den Stein versteckt. Ich habe da sehr den Bastlwastl in Verdacht.  ;)

Ja das passt zu Ihm, der der Gerne Belgier klaut ;-)

O0 Ertappt........

Grüße wastl.

Stefan T.

"Jeder tut was er am besten kann. Ich mache nichts"

Paula

Aus: "Das Hauslexikon: vollständiges Handbuch praktischer Lebenskenntnisse für alle Stände" von Breitkopf und Härtel, 1834

gefunden auf google.books:

https://books.google.de/books?id=QRZCAAAAcAAJ

Ab der S. 41 geht es um das Herstellen von Streichriemen. Zitat: "Aubril in Paris hat Streichriemen verfertigt, deren Krümmung sich nach jener der Messerkinge verändern läßt. - Als Leder wendet man (für beide Seiten) am besten gut geöltes rothgares Kalbs- oder Kuhleder an. am besten einen 2 Zoll breiten Streifen von gutem russ. Juchtenleder, den man zusammengerollt 8 Tage lang in einem zugedeckten Gefäße Menschenurin. dann einige Stunden lang in Fluß- oder Regenwasser weicht, abspült, noch naß aufspannt oder festnagelt (die Narben- oder Fleischseite auswärts gekehrt) u., vor dem Einölen oder Schwängern mit Schleifpulver oder Polirpulver, vollkommen eben schleift...".

Danach wird dann noch genauer erklärt wie man den Riemen z.B. mit einem Bimsstein glätten kann. Außerdem werden auch noch diverse Streichriemenrezepturen u.A. für Eisenoxyd angegeben.

Ab S. 43 geht es dann um das Abziehen auf dem Stein. Bemerkenswert finde ich hier den Tipp, das Messer Abends abzuziehen. Wenn man fertig ist, soll man es aber nicht komplett trocken wischen, sondern die Schneide minimal feucht lassen. Den Grund dafür müsst ihr selbst lesen  :).


Dieses Buch ist auch gut: "Kunst- und Gewerbeblatt des Polytechnischen Vereins für das Königreich Bayern", Band 39, Fleischmann 1835

https://books.google.de/books?id=275DAAAAcAAJ

Über das Schleifen und Abziehen der Rasirmesser. Ab der Seite 362 fängt die Beschreibung des Schleifens und des Abziehens/Schärfens an.


Wenn man auf google.books z.B. nach "Rasirmesser", "Streichriemen" und ähnlichen Begriffen sucht, findet man schnell einige interessante historische Bücher. Auch welche in denen von drei unterschiedlich gewölbten Schärfsteinen beim Abziehen gesprochen wird. Der erste, ein Sandstein, über die Länge leicht gewölbt (konvex, soll heißen, an den Enden schmaler in der Mitte dicker). Der zweite, ein Ölstein oder gelber Stein und als letztes ein Thüringer Schiefer, die dann aber beide plan sind. D.h am Anfang hat man einen kleineren Schneidenwinkel der dann mit den feiner werdenden Steinen etwas größer wird. Ich meine, irgendwo hatte ich auch mal gelesen, daß der mittlere Stein auch noch ganz leicht gewölbt sein soll, das will ich aber nicht beschwören.

Seite 500 in "Handbuch der mechanischen Technologie, Band 1" von Karl Karmarsch, 1857

https://books.google.de/books?id=us6OuLU3Q30C&pg=PA500&dq

Das wäre dann sowas, wie der "gotische Bogen" von dem Alvaro hier und da mal gesprochen hat oder eben der "zweite Winkel" oder die "Microconvexity". Ganz schön schlau, die Jungs damals und das ganz ohne SEM.

alvaro


MRetro

Zitat von: Paula am 18. Oktober 2020, 18:06:20
... Juchtenleder, den man zusammengerollt 8 Tage lang in einem zugedeckten Gefäße Menschenurin, ... weicht, ...

So wird Juchtenleder verarbeitet?  :o  :-\

Onkel Hannes

Hungrig vom schlafen und müde vom essen.

Paula

Wenn dann heutige Streichriemenhersteller mit ihren "traditionellen" Herstellungsmethoden werben, bin ich mir allerdings nicht sicher, ob damit wirklich dieses Rezept gemeint ist.... oder? :angel:

alvaro

Soll ja schon früher beim Militär so ein Trick gewesen sein

Tim Buktu

Super Hinweise auf die alten Texte, vielen Dank für's posten!
Tranquilo - In der Ruhe liegt die Kraft...

PS: Alles nur meine persönliche Meinung, die sich durchaus beeinflussen lässt und sich deshalb gelegentlich auch ändert!

Paula

Zitat von: Paula am 18. Oktober 2020, 18:06:20
..... Ich meine, irgendwo hatte ich auch mal gelesen, daß der mittlere Stein auch noch ganz leicht gewölbt sein soll, das will ich aber nicht beschwören.....
Gefunden! Es ist nämlich im ersten Buch, das ich oben verlinkt habe, dem "Hauslexikon" von 1834 auf der Seite 39.

Zitat: "zum A. drei Steine von zunehmender Feinheit des Korns nach einander an, zum ersten schärfsten einen convexen Wasserschleifstein, zum zweiten einen minder convexen levantischen Oelstein, zum dritten einen ganz flachen blauen Schleifstein (Schiefer) von sehr feinem Korne wählend. Nach einer neuen Notiz soll man den besten Abziehstein für Rasirmesser auch mit Vortheil durch ein, mit Polirroth mattgeschliffenes, Spiegelglas ersetzen können, worauf man nach gewöhnlicher Weise mit Wasser oder Oel abzieht; ja Gordon und Bakewell in Nordamerika haben sich ein Patent auf solche gläserne Abziehsteine (ganz von der Form der gewöhnlichen Abziehsteine) auf beiden Seiten mit verschiedenem Grade der Feinheit mattgeschliffen, geben lassen".

Anm: Polierroth ist Eisenoxyd, so wie es in der roten Paste drin ist und Glassteine gab es als Finisher schon 1834!

alvaro

1834 !!!!!!!!!!!!!!!!!
Sag das nicht den Fans der Natursteine.

Paula

Hinzuzufügen ist noch, damals hat man sich mit derben Rasiermessern rasiert, weil die Hexe noch garnicht erfunden war und es erst ab dann die vollhohlen Schliffe gab. Wenn ich mich nicht irre.

Eine Kuriosität hätte ich noch, wenn ich sie denn wieder finden könnte. Es gab nämlich eine Beschreibung, nach der man das Messer auf dem Stein Rücken vorran abziehen soll. Um den Grat solle man sich, nach Aussage des Autors, keine Gedanken machen, weil er mit dem Pastenriemen von alleine entfernt werden würde.

Ich hatte schon öfter mal nach genau dieser Beschreibung gesucht, aber sie nicht mehr gefunden. Und ich meine dabei nicht diese Simple Razor Honing Methode von scienceofsharp, sondern das stand wirklich so in einem historischen Buch auf google.books.
Wie gesagt, wenn ich es doch bloß wieder finden würde.

Sparschäler reloaded

Zitat von: MRetro am 18. Oktober 2020, 19:41:29
Zitat von: Paula am 18. Oktober 2020, 18:06:20
... Juchtenleder, den man zusammengerollt 8 Tage lang in einem zugedeckten Gefäße Menschenurin, ... weicht, ...

So wird Juchtenleder verarbeitet?  :o  :-\

Nicht nur dort wurde Urin verwendet. Auch bei der Küpenfärbung (z.B. mit Indigoblau bei der Jeans oder beim Blaudruck) wurde der Farbstoff klassischerweise mit Urin reduziert. Macht man heute aber anders (meistens ;) ).

Paula

Zitat von: alvaro am 19. Oktober 2020, 17:29:27
1834 !!!!!!!!!!!!!!!!!
Sag das nicht den Fans der Natursteine.

Es gibt Fälle, in denen ein Naturstein womöglich nicht das Ende der Fahnenstange markiert. Das hängt immer von den Vorlieben des Anwenders, seinem eigenen Anspruch, Härte des Barts und der Empfindlichkeit seiner Haut ab. Darüber hat man sich sicherlich auch schon früher Gedanken gemacht. So z.B. in diesem Buch:

Im "Conversations-Lexikon der Berg-, Hütten- & Salzwerkskunde und ihrer Hülfswissenschaften", herausgegeben von Carl Harmann, 1841.

https://books.google.de/books?id=j-BgAAAAcAAJ&pg=PA188#v=onepage&q&f=false

Dort heißt es zum Abziehen der Messer auf S. 188 Zitat: "Der letzte Stein ist blauer feinkörniger Schiefer, auf dem man das Abziehen auf Wasser verrichtet. Die höchste Verfeinerung der Schneide wird durch das Abziehen auf dem Riemen (Abziehriemen, Streichriemen, cuir à rasoir, f., razor strop, e.) erlangt, einem bekannten Werkzeuge, welches man auch bei dem Gebrauch der Rasirmesser anwendet. Die Streichriemen haben gewöhnlich zwei mit Leder bespannte Flächen, von welchen die eine mit Polirroth, die andere mit geschlämmtem Reissblei (beide Pulver mit Öl oder Talg angemacht) eingerieben ist. Die rothe Seite wird zuerst, die schwarze Seite später angewendet."

Hört hört, der Pastenriemen bringt die höchste Verfeinerung, ein Freund im Geiste hat da gesprochen. ;D

In diesem Buch hört das Abziehen nicht beim Schiefer auf, sondern es wird mit dem Fe2O3 Pastenriemen gearbeitet und zwar gar nicht mal so schlecht, wie man auf der nächsten Seite lesen kann. Dort heißt es, Zitat: "Ein vollkommen gut abgezogenes Rasirmesser schneidet ein aufrecht frei gehaltenes Menschenhaar,. ohne es zu liegen, bei der ersten leichten Berührung ab;...."

Heutzutage nennt man das HHT5 und wie man sieht ist das alles ein alter Hut, den unsere Ur-Urgroßväter schon (oder noch?) drauf' hatten.

EasyRider

@Paula

Sensationell diese Quellen! Vielen Dank fürs Posten!
Damit hast du dir einen Ehrenplatz in der erlauchten Schar der (Fach-)Literaturhistoriker gesichert! dh: :)
Die "Urin-Methode" muss umgehend ausprobiert werden... ;D
Gut, dass ich ein besonders feines Stück Juchtenleder gerade da habe. :)