Siemens-Halske Rasierklingenschärfer / Sieger Gebr. Schmidt Zella-Mehlis

Begonnen von Rockabillyhelge, 28. April 2013, 22:44:36

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Rockabillyhelge

Zugegeben,
der ein oder andere wird sich jetzt sicher fragen, man was will der Typ mit dem ollen Rasierklingenschärfer denn jetzt, den haben wir
hier schon wirklich zu genüge gesehen und wisst ihr was, ihr habt Recht  :)
Gesehen oft, drüber geredet, meines Erachtens nicht ausreichend, den dieses kleine Teil ist ein Helfer dort wo die Zeit so mancher Klinge
ein Ende gesetzt hat und überdies ein kleines Kunstwerk deutscher Ingenieurskunst das mit weniger Handgriffen zu reparieren und zu
warten ist, für mich ein Grund den kleinen Racker mal etwas besser vorzustellen.

Soweit ich es vermuten kann ist der Sieger in den 20er Jahren wohl auf den Markt gekommen, da ich ihn in den ältesten (Vollmetal) Versionen
nur von Siemens kenne wage ich einmal zu vermuten das es eine Erfindung/ein Patent von Siemens-Halske Berlin war.
Das Gerät besteht weitesgehend aus Messing, das Getriebe im inneren aus lackiertem (Prävention vor Zinkpest) Zinkdruckguss, die federgelagerten
Schleifbacken bestehen IMHO aus einem Schleifpulver bzw. einem Schleifmittel welches in einer Kunststoffmatrix (ggf. Bakelit, Resopal) gebunden ist.
In der Nachkriegszeit wurde der Rasierklingenschärfer sowohl unter Siemens wie auch unter Sieger (als Marke der Gebr. Schmidt in Zella-Mehlis DDR) weiter gebaut, auch habe ich schon ein paar ungemarkte Sieger gesehen welche aber wahrscheinlich auch aus DDR-Produktion stammten.
Bei den Gebr. Schmidt ist davon auszugehen das es sich um einen Teil des VEB Feinmechanik handelt, stammte doch auch der Brillant Deluxe und wahrscheinlich auch der Brillant aus Zella-Mehlis. Es kann aber auch gut sein das infolge der Auslagerung von Produktionslinien seitens Siemens in den letzten beiden Kriegsjahren, Teile der Produktion an Fremdfirmen abgegeben wurden.

Das Schärfprinzip beruht (siehe Anleitung) auf einem rotierenden Abschleifen der Rasierklinge.

Das Gerät lässt sich mittels Schraubendreher sehr einfach in seine Einzelteile zerlegen und warten (es braucht ggf. etwas Öl und/oder die Schleifbacken verlangen nach einem vorsichtigem (!) abrichten wie jeder andere Schleifstein auch), auch kleine Reparaturen wie der Austausch der Schnur sind problemlos auch für den schlechtesten Handwerker zu bewältigen.
Bei dem abgebildeten Sieger waren die Wellen des Getriebes (3 kleine Zapfen die am Gehäuse befestigt sind und auf denen die Zahnräder aufsitzen) leicht verbogen wodurch das Getriebe sich nicht mehr drehen konnte, ein sehr leichtes abbiegen mittels Kombizange konnte dieses Problem allerdings wieder beheben, wobei vorsicht geboten ist, da die Wellen in Messing verankert sind und dieses (wir kennen es von verbogenen Zahnkamm Zähnen) nur wenig Bewegung verträgt.

Was den Sieger für mich (und ggf. auch andere) so besonders macht ist das sich damit relativ problemlos alte Klingen wieder richten lassen.
Habe heute das erste mal meinen Segal testen können, mit einer Klinge die vom Sieger geschärft wurde  :)
Die alten Klingen besitzen den Vorteil das oftmals Beschichtungen, Legierungen und der ganze Schnickschnack fehlen und sie sich einer Dicke erfreuen (man denke mal an die URA Dreiloch) die sich noch gut abschleifen lassen.
Zudem hat der Sieger den Vorteil das auch so manche Exotenklinge damit wieder auf Rasurschärfe gebracht werden kann, neben der Segal habe ich heute eine Gibbs Mince Klinge für meinen Reglable so wieder hinbekommen, es empfiehlt sich aber ausdrücklich vor der Rasur die geschärfte Klinge nochmal über dem Handballen abzuziehen da die Schleifblöcke doch eher brachial wirken und eine etwas rauhe, ruppige Schneide hinterlassen die aber nach Handballenabzug sehr sanft wird (die Segal Klinge war mit einer LORD Super Stainless / RP vergleichbar, wobei der Härtere Stahl der rostenden Klinge durchaus spürbar ist).









Ich würde mich sehr freuen wenn der ein oder andere durch meinen Bericht dazu animiert wird seinen Sieger/Siemens einmal auszuprobieren und auszutesten und dann seine Erfahrungen dazu kund tut damit dieses kleine Stück Rasurgeschichte die Würdigung erhält die es nach über 70 Jahren auch verdient  :)

Ich möchte hierbei auch sehr herzlich Hans danken ohne den ich dieses wunderbare Gerät nicht haben würde  :) dh: dh:
Auch mit Bart immer gut rasiert :)

Onkel Hannes

Hungrig vom schlafen und müde vom essen.

henning

Geschrieben wurde schon über ein paar Klingen"schärfer". Ich meine man kam darüber zu dem Schluß, daß es sich heute einfach nicht mehr lohnt bei den gegebenen Klingenpreisen eine Klinge so lange wie möglich am Leben zu erhalten. Das wird früher gewiß anders gewesen sein, sonst hätte man nicht allerlei Gerät dafür erfunden. Vielleicht gibt es aber auch den einen oder anderen Pfennigfuchser der heute noch Sinn darin sieht. Ich hatte auch mehrere, aber mich aus erstgenanntem Grund nie weiter damit befasst, als die bloße Funktionsüberprüfung durchzuführen. Aber ich fand sie immer dekorativ.

Ciao

Onkel Hannes

So wie ich die Vorstellung lese, verwendet Rockabillyhelge den Schärfer, um damit historische, nicht ohne weiteres beschaffbare Klingen wiederzubeleben, und aus Sammlerleidenschaft. Pfennigfuchserei ist wohl was anderes.
Hungrig vom schlafen und müde vom essen.

Rockabillyhelge

Hehe, Hannes hat da Recht, ich benutze den Schärfer nicht um eine 5ctDerby etc. wieder aufzupeppen,
dafür sind die neuen Klingen, und vor allem jene die ich bevorzugt benutze (Isana, LORD, Hema) deutlich zu preiswert
um aus ihnen das Maximum herauszuholen.
Der Schärfer dient bei mir dem wieder nutzbar machen (wird das eigentlich zusammen geschrieben  ???) historischer
Klingen in Spezialformen damit ich die zugehörigen Hobel wieder nutzen kann, bzw. zwischendurch an besonderen
Tagen wieder nutzen kann.
Der große Vorteil dieser alten Klingen (besonders Gibbs, Ille de France, Beline, Segal) ist das sie zwar auf die entsprechenden
Hobel angepasst waren, aber auch auf 3-Loch Hobeln zu benutzen waren und somit im Sieger geschärft werden können.
Das Problem das so manche Klinge  nach langer Lagerzeit (siehe URA-Thread) an Schärfe und Sanftmut verliert kennen wir
ja, so ist der Sieger für mich ein passabeles, sehr gut geeignetes Gerät um Hobel mit Spezialklingen wieder in Dienst
nehmen zu können welche ansonsten tief in den Sammlungsschubladen schlummern würden.
Auch mit Bart immer gut rasiert :)

henning

Zitat von: Onkel Hannes am 01. Mai 2013, 12:28:40
So wie ich die Vorstellung lese, verwendet Rockabillyhelge den Schärfer, um damit historische, nicht ohne weiteres beschaffbare Klingen wiederzubeleben, und aus Sammlerleidenschaft. Pfennigfuchserei ist wohl was anderes.

Das habe ich schon verstanden und Helge auch nicht als Pfennigfuchser bezeichnet. In den anderen Diskussionen gab es allerdings Leute, die ernshaft das Leben ihrer ganz normalen Double Edge damit verlängern wollten. Pfennigfuchser paßte und paßt dafür ganz gut.

Ciao

Rockabillyhelge

Pffenigfuchser passt da im wahrsten Sinne des Wortes wirklich sehr gut, muss gestehen, ich bin eigentlich auch einer,
aber ne normale DE damit strecken, ne, das muss nicht sein, kann ehrlich gesagt auch nicht wirklich verstehen warum man
heute schon preiswert erhältliche Klingen damit noch auffrischen muss.
Aber ich hoffe das der ein oder andere Besitzer eines Sieger mal den Versuch macht und eine Vintage Klinge damit schärft
und etwas darüber berichtet, also ich habe bisher sehr gut Erfahrungen damit machen können.
Auch mit Bart immer gut rasiert :)

Rockabillyhelge

#7
So, habe gestern dank eines sehr lieben Freundes einen weiteren Siemens Rasierklingenschärfer erhalten und es scheint mir
das Vorgängermodell des bereits weiter oben gezeigten Schärfers zu sein.
Der Ältere ist etwas gröber und schwerer, zudem schließt es nicht fest sondern muss während der Benutzung zusammengedrückt
werden, habe die Unterschiede einmal durch Kreise hervorgehoben.
Im Inneren sind beide jedoch genau gleich aufgebaut, nur das Getriebe ist in der älteren Version nicht lackiert, das Material zudem
etwas schwerer.



PS: Der Ältere ist Links
Auch mit Bart immer gut rasiert :)

Berliner Junge

Zitat von: Rockabillyhelge am 01. Mai 2013, 14:39:07
Hehe, Hannes hat da Recht, ich benutze den Schärfer nicht um eine 5ctDerby etc. wieder aufzupeppen,
dafür sind die neuen Klingen, und vor allem jene die ich bevorzugt benutze (Isana, LORD, Hema) deutlich zu preiswert
um aus ihnen das Maximum herauszuholen.
Der Schärfer dient bei mir dem wieder nutzbar machen (wird das eigentlich zusammen geschrieben  ???) historischer
Klingen in Spezialformen damit ich die zugehörigen Hobel wieder nutzen kann, bzw. zwischendurch an besonderen
Tagen wieder nutzen kann.
Der große Vorteil dieser alten Klingen (besonders Gibbs, Ille de France, Beline, Segal) ist das sie zwar auf die entsprechenden
Hobel angepasst waren, aber auch auf 3-Loch Hobeln zu benutzen waren und somit im Sieger geschärft werden können.
Das Problem das so manche Klinge  nach langer Lagerzeit (siehe URA-Thread) an Schärfe und Sanftmut verliert kennen wir
ja, so ist der Sieger für mich ein passabeles, sehr gut geeignetes Gerät um Hobel mit Spezialklingen wieder in Dienst
nehmen zu können welche ansonsten tief in den Sammlungsschubladen schlummern würden.

ich habe heute mal versucht eine "Scharpol"-Klinge wohl aus den 40 er Jahren wieder scharf zu bekommen mit so einem kleinen Bakelitwunder, aber nach 15x hoch und runter fahren, war die Klinge doch noch deutlich stumpf  :(
War die Anzahl zu gering? Man kann an den Schndeiden schon erkennen, dass da kreisförmig gearbeitet wurde, und die Schneiden strahlen auch frisch, nur eben scharf ist sie nicht. frisch Helge mach uns mal schlau machen bitte. Ich habe eine Unzahl von wunderbar dünnen (0,08 mm) Klingen historischer Bauart, von denen ich die eine oder andere gerne mal für eine Rasur opfern würde....
Helge mach uns mal schlau machen bitte und sagen, was ich falsch mache?!

Rockabillyhelge

Hehe, das ist schon ein Zufall das du schreibst, gerade letzte Woche hatte ich meinen Sieger wieder in Benutzung um eine Gibbs Klinge zu pushen  :)

Also es gibt schon mehrere Möglichkeiten weswegen der Sieger nicht richtig läuft.

A. Der Sieger kann nur auffrischen, nicht neu schleifen, ist eine Klinge also mal wirklich stumpf kann auch der Sieger (ich schätze die Körnung mal auf den Bereich von Barber Hones bei Messer >12k) ihr keinen neuen Grundschliff verpassen, die Ausgangsklinge muss also noch ihre ursprüngliche Geometrie und zumindest Basisschärfe haben.

B. Die Schleifbacken müssen wirklich gerade sein, gerade bei älteren, häufig benutzten Modelles sieht man deutliche Wölbungen innerhalb der Schleifbacken was zur Folge hat das diese im geschlossenen Zustand kein V sondern mehr ein U an der Spitze bilden und eine Klinge dadurch zwar Schleifspuren aufweist, die Spitze der Klinge aber abgestumpft wird.

C. Die unter den Schleifbacken befindlichen Federn drücken unterschiedlich stark auf die Backen und damit auf die Klinge (Alterserscheinung), dadurch wird ebenfalls der V Schliff der Klinge beeinträchtigt und die Klinge kann stumpf werden.

D. Klingt etwas merkwürdig, aber die Klinge ist geschliffen und trotzdem wirkt sie stumpf (kommt hin und wieder auch bei Messern vor), versuch einfach mal die Klinge vorsichtig, einem Messer gleich, auf der Jeans abzuziehen und prüfe nochmal, manchmal kanns daran liegen.

E. Die Schleifbacken sind durch Abrieb verschmutzt wodurch sich die Poren der quasi Minischleifsteine zusetzen und der Schleifeffekt vermindert wird und im schlimmsten Fall gänzlich ausbleibt. Einfach mal versuchen mit einem Tropfen Waschbenzin auf einem Trockentuch die Backen vorsichtig abzureiben, es gelangt ja auch Fett und Öl auf die Backen, bzw. ist im Laufe des Sieger Lebens vllt. drauf gelangt.

Die Menge an Zügen bei einem wirklich tadellos funktionierenden Siegers variiert im Bezug auf die Dicke und den Stahl der Klinge, da habe ich ehrlich gesagt noch nie auf die Menge an Zügen geachtet, bei der einen gehts schneller, bei der anderen langsamer, was aber auch nicht heissen soll das es bei jeder Klinge klappt, obige Punkte musste ich ja selbst schon erfahren, ich würde mal sagen (pi mal Daumen), von 10 NOS Klingen im Originalpapier kriege ich bei den Gibbs in der Regel fast alle hin, bei den Solinger Klingen klappt es häufiger auch mal nicht.
Auch mit Bart immer gut rasiert :)

MudShark

Das ist ja mal ein thread der momentan genau in meine Kerbe haut. Morgen wird ein französischer Klingenschleifer bei mir eintreffen, den ich explizit für meine 30 alten Gibbs Mince-Klingen ersteigert habe, ein Radium No.1.
Bin gespannt ob ein fühlbares Resultat erzielt werden kann, falls nicht, werde ich den Sieger mal genauer ins Visier nehmen. Sind ja noch einige in der Bucht unterwegs...

Grüße
"Wenn man bedenkt, dass wir alle verrückt sind, ist das Leben erklärt."
Mark Twain

Berliner Junge

hey helge, vielen Dank für die wie immer erschöpfende Antwort  :D

Ich hab die Klinge mal durch dünnes Papier geschnitten, das macht sie locker, nur am Kinnbart bleibt sie hängen und rupft, gekorkt hab ich sie auch schon, über dem handballen abgzogen auch, die Jeans muss ich noch probieren. Es wär nur schade, wenn die Klinge unbrauchbar bleibt, sie ist so klasse dünn...

Rockabillyhelge

Scheinbar gab es auch eine englische Version  :D

http://www.historyworld.co.uk/content/keenedge.jpg

PS: Die Bilder sind im Mom etwas zu groß, werde das in Kürze richten  ;)
Auch mit Bart immer gut rasiert :)