Die Rotation und ihre Auswirkungen auf Standzeit und Qualität der Klinge

Begonnen von Peter123, 20. März 2013, 14:10:51

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Peter123

Vom Rasiermesser oder SE-Hobeln her kommend, interessiere ich mich für die Frage, wie sich die Rotation auf die Klingenqualität auswirkt. In der Vergangenheit hatte der gepflegte Herr einen Wochensatz mit Messern, um die Rasurqualität über die Klingenqualität zu optimieren. Wenn die Klinge ruht, so die Theorie, richten sich die Mikrograte an der Schneidkante von alleine zumindest teilweise wieder auf, während die zu häufige Nutzung ein und derselben Klinge die Schneidkante schneller verschleißen lässt und ein Nachschleifen erfordert.

Im Forum gibt es sicher zwei Anwendungsarten: Die einen, die ihren Nonplusultra-Hobel gefunden haben und nur ihn verwenden und solche, die einfach mal einen Hobel über längere Zeit nutzen sowie jene, die eine beständige Rotation von Hobel und somit ihrer Klingen haben. Daher möchte ich meine Frage auf den Hobel beziehen:

Ist die Qualität der Rasuren - wie beim Messer - besser, wenn man die Klinge länger ruhen lässt, bevor man sie wieder verwendet? Richtet sich hier ein Grat wieder neu auf? Ich bin auf Eure Meinungen und Erfahrungen gespannt, vor allem mit Blick auf die Rasurqualität und die Standzeit einer Klinge in Rotation bzw. bei Dauernutzung ein und derselben Klinge.
"40 Jahre brauchst Du, um an der richtigen Stelle das richtige zu sagen, fast das ganze Leben, um an den richtigen Stellen zu schweigen." – frei nach dem alten Phrasendrescher Churchill.

Standlinie

Ich kann zu einigen Rasierklingen Langzeiterfahrungen vorweisen (siehe hierzu die entsprechenden Themenstränge). Einige Rasierklingen haben bei mir eine Standzeit von mehr als 20!! Rasuren erreicht. Sie wurden über einen Zeitraum von zwei bis drei Monaten eingesetzt, so dass einer Klinge zwischen den Rasuren auch schon einmal mehrtägige Erholungspausen gegönnt wurden. Die Rasuren erfolgten mit verschiedenen Hobeln und Seifenprodukten. Ich habe mich dabei nicht auf ein bestimmtes Exemplar beschränkt, sondern wollte durch eine bunte Vielfalt meine Rasurvorlieben pflegen. Für mich wäre es sehr langweilig, an jedem Tag einer Woche und dies über Monate und Jahre immer nur einen einzigen Hobel und nur eine Rasierseife zu verwenden. Ich liebe halt die Abwechselung, die dann ja auch einer gewissen Rotation entspricht.

Während meiner Testphasen habe ich die Rasierklingenschneiden auf dem Handballen abgezogen in Analogie zum Rasiermesser, das ja vor einer Rasur geledert wird. Anfangs erfolgte der Handballenabzug bei mir noch unmittelbar im Anschluss an die vollzogene Rasur. Diese bisherige Vorgehensweise habe ich aktuell eingestellt und führe den Handballenabzug erst unmittelbar vor der Rasur aus, um einen Grat - von dem ich nicht weiß, ob es ihn auch bei einer Rasierklinge gibt - aufzurichten, so wie es ja auch beim Rasiermesser erwünscht ist.

Hier einige Zahlen zur Standzeit der von mit getesteten Rasierklingen:

Gillette bleue-extra:                        26 Rasuren
No-Name-Rasierklinge von Dr. Müller: 22 Rasuren
Derby (Testbericht steht noch aus):  22 Rasuren
Isana (Testbericht steht noch aus):  27 Rasuren
Feather (gesehen unter RdT):          > 17 Rasuren
Personna Platinum:                         befindet sich bei mir in der Langtestphase

Meine Rasierklingenteste zeigten mir, dass sich die Standzeit einer Rasierklinge durch gewisse Voraussetzungen beeinflussen läßt. Hierzu zählen aus meiner Sicht die gleichbleibende penible Rasurvor- und auch Nachbereitung. Dazu zählen:
     - gutes Einschäumen der Rasurflächen,
     - Beachten einer gewissen Schaumeinwirkungszeit, die das Barthaar einweicht (>= 3 Minuten),
     - Handballenabzug,
     - Abwaschen der Rasierklinge nach jeder Rasur zur Entfernung vorhandener Schaum- und Stoppelreste,
     - Einräumen von Ruhepausen (mindestens 24 Stunden, wie für Rasiermesser auch),
     - Haartest zur Prüfung der Restschärfe,
     - sorgsamer Umgang mit der Rasierklinge (z.B. beim Abwaschen und beim Ablegen der Klinge auf Fliesenspiegeln).
Die Nachhaltigkeit einer gründlichen Nassrasur zeigt sich 24 Stunden später an nur gering und gleichmäßig nachgewachsenen Bartstoppeln.

Drei

Zitat von: Standlinie am 20. März 2013, 15:48:41
...

Gillette bleue-extra:                        26 Rasuren
No-Name-Rasierklinge von Dr. Müller: 22 Rasuren
Derby (Testbericht steht noch aus):  22 Rasuren
Isana (Testbericht steht noch aus):  27 Rasuren
Feather (gesehen unter RdT):          > 17 Rasuren
Personna Platinum:                         befindet sich bei mir in der Langtestphase
...

Meinem Gefühl nach kann eine lange Ruhezeit die Klingenstandzeit deutlich verlängern. Durch einen Aufschrieb gestützt ist meine Aussage natürlich nicht.
@Standlinie: Wie groß ist etwa die jeweilige Stichprobe? Gab es Marken mit Ausreissern (besonders hohe und besonders geringe Standzeiten in einem Paket)? Was ist Dein Auslöser für einen Klingenwechsel? Entnimmst Du die Klingen nach jeder Rasur?

acillus

Gerade die Fallstudien von Standlinie sind sehr interessant. Schade, dass sich die Ergebnisse solcher Fallstudien nicht 1:1 auf andere übertragen lassen (zu viele Variablen wie u.a. die Rasurtechnik). Abgesehen davon lässt sich durch ein gutes Pre-Shave Produkt die Standzeit weiter ausbauen (Quelle: Männersache Rasieren).

Das Abziehen auf dem Handballen führe ich auch nach jeder Rasur durch. Den Tipp von Standlinie das Abziehen auf vor die Rasur zu verschieben werde ich gerne testen, was allerdings eine Umgewöhnung erfordert. Derzeit baue ich den Hobel nach jeder Rasur auseinander, säubere alles gründlich, ziehe die Klinge ab und baue im Anschluss inkl. Klinge alles wieder zusammen. So ist der Hobel für die nächste Rasur fertig.

Ich halte mich wie in den Fachbüchern "Männersache Rasieren" und "Gourmet Shaving" an die inhaltlichen Hinweise, dass man den Hobel und die Klinge für die Klingenstandzeit nicht wechseln sollte, jedenfalls nicht solange man kein Vollprofi ist der sich seit xx Jahren im Schlaf rasiert. Ich nutze Hobel demnach Wochenweise, genauso wie die Klinge. Nach 3 bis 5 Rasuren (Pro Woche) fliegt die Klinge raus, wobei ich schon evaluiert habe wann eine Klinge bei meiner Technik und bei meinem Bartwuchs anfängt nachzulassen (die rP ab der 4. Rasur, die Feather ab der 6. Rasur, ASP ab 4. usw.). Ich wechsel die Klinge also quasi automatisch bevor es unangenehm wird.

Die Begründung liegt laut den Autoren u.a. darin, dass jeder Hobel + Klinge sich anders verhält und bei ständiger Rotation sich keine Automatismen bilden können. Die Rasur wird demnach fehleranfälliger.

Standlinie

Zitat von: Drei am 21. März 2013, 05:26:39
Meinem Gefühl nach kann eine lange Ruhezeit die Klingenstandzeit deutlich verlängern. Durch einen Aufschrieb gestützt ist meine Aussage natürlich nicht.
@Standlinie: Wie groß ist etwa die jeweilige Stichprobe? Gab es Marken mit Ausreissern (besonders hohe und besonders geringe Standzeiten in einem Paket)? Was ist Dein Auslöser für einen Klingenwechsel? Entnimmst Du die Klingen nach jeder Rasur?

Früher habe ich mich mit einer Rasierklinge im Normalfall sechsmal rasiert (montags bis samstags). Am Sonntag erfolgte in der Regel keine Rasur, damit sich die Gesichtshaut erholen konnte.
In der Vergangenheit und aktuell habe ich unterschiedliche Rasierklingenmarken verwendet. Eine so genannte Hausmarke habe ich nicht. Unabhängig hiervon galten meine Vorlieben der Derby, Astra, Isana, Rotbart-extradünn, Supermax-Platinum und der Gillette-bleue-Extra. Mit diesen durchschnittlich guten Klingen bin ich immer gut zurechtgekommen. Ich habe mich aber auch mit anderen Klingenmarken rasiert (Lada, Feather, Street, u.a.).

Meine Rasierklingentests gehen auf eine mit der Gillette-bleue-Extra gewonnene Erfahrung zurück. Die genauen Details (Testbedingungen) dazu habe ich in meinem Text zu einem Rasurrekord mit dieser Rasierklingenmarke genannt. Diese Testbedingungen habe ich bei meinen anschließend durchgeführten Rasuren mit anderen Rasierklingenmarken beibehalten.

Bezüglich der Stichprobe verwende ich irgendeine Klinge aus dem Rasierklingenspender, die dann auch meine Testklinge bildet. Es ist nicht die oberste oder unterste Klinge. Meine Tests sind auch nicht durch zusätzliche Testrasuren mit Rasierklingen der gleichen Marke aber aus anderen Verkaufschargen abgesichert. Ich führe also keine wissenschaftlich abgesicherten Tests aus. Dazu müßte ich den Test mit mindestens vier weiteren anderen Rasierklingen wiederholen, um so eine im Sinne der Statistik exaktere Auswertung vornehmen zu können. Dazu fehlt mir die Geduld, denn ich würde mich zeitlich zu sehr auf eine Klingenmarke einschränken müssen. Und selbst für den Fall, dass ich für eine bestimmte Rasierklingenmarke durch meine Tests eine Standardabweichung von +- 2 Rasuren nachweisen könnte, wäre diese Aussage rein akademisch zu bewerten. Für den normalen Rasuralltag würden sich aus meiner Sicht keine Auswirkungen ergeben. Aber es wäre sicherlich eine Herausforderung des sportlichen Ehrgeizes.

Mir reicht eine durch meine Tests für mich nachgewiesene zentrale Aussage, dass man sich mit einigen (bestimmt nicht mit allen) Rasierklingen auch mehr als zwei Wochen lang rasieren kann, wenn man gewisse wiederkehrende Rasurabläufe beibehält. Eine Notwendigkeit, eine bestimmte Rasierklinge auch bis zum Ende ihrer tatsächlichen oder theoretisch möglichen Standzeit zu verwenden, liegt nicht vor. Aber es bereitet schon Spaß, einmal für sich selber Grenzen festzustellen.
Die Nachhaltigkeit einer gründlichen Nassrasur zeigt sich 24 Stunden später an nur gering und gleichmäßig nachgewachsenen Bartstoppeln.

Wingfield

Interessant zu lesen was die Rasurgemeinde so erlebt, bezüglich der Lebensdauer der Klingen.

Ich rasiere mich in der Regel, wenn geschäftlich nicht anders erforderlich, alle 2 Tage.
Die Lebensdauer der Klingen hat sich nicht groß unterschieden, spätestens nach 12 Rasuren ist in der Regel Sendeschluß.
Das galt früher im Merkur 34c, seit über einem Jahr im Mühle R89. Wenns mal mehr als 2 Tage gewachsen ist, ist der 12c von Merkur an der Reihe, wobei ich die Klinge nicht umziehe, sondern im jeweiligen Hobel belasse.

Was mich etwas verblüfft hat ist, dass z.B. die Derby (gilt z.B.auch für Müllers Drogeriemarkt Eigenmarke) ganz langsam nachlässt und ich immer das Gefühl hatte, geht schon noch, während bei der Astra (mein Favorit) relativ abrupt zu spüren ist, dass Schicht im Schacht ist.
Natürlich ist der Bartwuchs bei der Rasurbruderschaft nicht identisch, aber die Unterschiede der persönlichen Erfahrungen sind manchmal durchaus lesenswert.
Mühle R89 / Derby / Calani, Haslinger und andere scharfe Sachen..

Peter123

Astra ist auch meine Lieblingsklinge, mit der Derby dagegen komme ich gar nicht klar. Letztere ist bei den ersten zwei Rasuren sehr ruppig, danach geht es zwar, aber ich mag mir das dann nicht antun - wenn es für mich bessere Klingen genauso günstig gibt.
"40 Jahre brauchst Du, um an der richtigen Stelle das richtige zu sagen, fast das ganze Leben, um an den richtigen Stellen zu schweigen." – frei nach dem alten Phrasendrescher Churchill.

Lord Vader

Ich habe auch den Eindruck, dass sich die Klingen nach einer gewissen Ruhephase erholen. Erst am letzten Freitag habe ich nach der Rasur mit meinem 37c die eingelegte Supermax-Klinge eigentlich schon entsorgen wollen, da sie stark nachgelassen hat. Als ich den 37c dann am Mittwoch mit derselben Klinge wieder verwendet habe, so hatte ich den Eindruck, dass die Klinge wieder deutlich besser war. Und selbst am Donnerstag konnte ich mir ihr noch eine Rasur durchführen. Diese war vielleicht nicht mehr ganz so gründlich wie mit einer frischen Klinge, aber gerupft und geziept hat da nix, obwohl am Freitag zumindest auf einer Klingenseite schon eine starke Tendenz dazu war.