Tollis Dax, Radium No. 80

Begonnen von Standlinie, 20. Januar 2013, 21:59:15

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Standlinie

Dieses französische Rasiermesser habe ich in einem NOS-Zustand erworben. Es ist jungfräulich und hat noch keine Rasur ausgeführt. Das Messer wurde von Tollis in der im Südwesten von Frankreich gelegenen Stadt Dax hergestellt. Es könnte aus den späten 60er Jahren des letzten Jahrhunderts stammen, hat eine Klingengröße zwischen 6/8 und 13/16 und einen spanischen Kopf. Die Heftschalen sind aus schwarzem Kunststoff. Auf der Klinge waren noch Restspuren eines Konservierungsöles erkennbar, was allerdings auf den Bildern nicht gut zu erkennen ist. Ich nehme an, dass es sich um ein Öl auf pflanzlicher Basis gehandelt hat, welches im Laufe vieler Jahrzehnte eingetrocknet ist. Jedenfalls hat es die Bildung von Flugrost an vielen Stellen auf dem Klingenkörper nicht mehr verhindern können.

Inzwischen hat dieses Rasiermesser eine Wellnesskur angetreten. Es badet zur Zeit ausgiebig in einem Petroleumbad. Sobald der Reinigungs- und Restaurierungsprozess abgeschlossen ist, werde ich Bilder einer wiederhergestellten Schönheit einstellen.









Die Nachhaltigkeit einer gründlichen Nassrasur zeigt sich 24 Stunden später an nur gering und gleichmäßig nachgewachsenen Bartstoppeln.

Standlinie

Der Reinigungs- und Restaurierungsprozess ist inzwischen abgeschlossen. Durch den Einfluss des vierwöchigen Bades in Petroleum, hat diese Flüssigkeit den vorhandenen Flugrost am gesamten Klingenkörper durch ihre Langzeiteinwirkung angelöst. Zur Entfernung der verbliebenen Rostspuren habe ich den Klingenkörper mit einem Korken abgerieben. Das auf der linken Klingenseite eingeätzte Markenemblem blieb so in seiner ursprünglichen Form erhalten. Anschließend erfolgte nur noch eine leichte Politur mit Autosol.

Zur Wiederherstellung einer neuen und rasurbereiten Facette habe ich einen guten Rat von Guilty befolgt und die ursprüngliche Facette weg geschliffen. Denn die alte Facette wies einige Rostnarben auf, die die Schneide bereits vollständig durchdrungen hatten. Nach dem Steinabzug hätten an diesen Schadstellen Ausbrüche entstehen können. Auch mit der neuen Facette ist das Rasiermesser immer noch etwas größer als 6/8. Es liegt bei der Rasur sehr gut in der Hand und rasiert sanft.

Die vorgenommenen Reinigungs- und Restaurierungsmaßnahmen haben die Korrosionsstellen nicht restlos beseitigen können; die Angriffsstellen der Korrosion sind an diesem Rasiermesser teilweise immer noch ein wenig sichtbar. Dies könnte der ein oder andere von Euch jetzt zum Anlass nehmen, um danach zu fragen, warum ich den Klingenkörper nicht auf Hochglanz poliert habe. Meine Antwort darauf: Ich bin erstens kein Fachmann auf dem Restaurationsgebiet, der sicherlich noch etwas mehr herausgeholt hätte. Und zweitens beabsichtigte ich keine Wiederherstellung eines annährenden Werksneuzustandes. Es reichte für mich aus, den Verfallsprozess an diesem aus meiner Sicht sehr schönen französischen Rasiermesser durch eine behutsame Reinigung und Pflege zu stoppen. Und eine alte Schönheit darf ihr Alter zeigen.





Die Nachhaltigkeit einer gründlichen Nassrasur zeigt sich 24 Stunden später an nur gering und gleichmäßig nachgewachsenen Bartstoppeln.

Azuro

Sehr schöner Franzose, gefällt mir!
Grüße vom Niederrhein,
Stefan

Alaun

Ich finde es gut, dass Du dieser alten Klinge ihren Charme gelassen hast.
Man darf das Alter schon sehen. Ich persönlich mag diese totrestaurierten Messer überhaupt nicht.

R1

Sehr hübsch! ich würde es auch so lassen  dh:
Gruß,
Mark

Drei

Ein schönes Stück Zeitgeschichte!
Zitat von: Standlinie am 20. Januar 2013, 21:59:15
...Es könnte aus den späten 60er Jahren des letzten Jahrhunderts stammen...
Die Ätzung scheint vom nuclear hype inspiriert. War das nicht früher?

titanus

In Frankreich dauert der hype ja leider noch an...
Das Messer gefällt mir gut und die Kartonnage ist ja der Hammer.
Für mich muss ein Messer auch nicht glänzender sein.  dh:

titanus
Es ist sinnlos, von den Göttern zu fordern, was man selber zu leisten vermag.

Epikur

UbuRoy

#7
Schöne sanfte Arbeit! Schönes seltenes Messer.

Die Ätzung ist vermutlich zu Ehren der Entdeckung des Radiums durch das Ehepaar Curie oder vielleicht Bezugnehmend auf Konrad Röntgens Entdeckung der Radioaktivität, bedenkt man den französischen Nationalstolz (wobei Frau Curie ja Polin war), dann sicherlich ersteres. Paßt auch besser :-). Das Messer dürfte gut datierbar sein:

"Radium wurde am 21. Dezember 1898 in Frankreich von der polnischen Physikerin Marie Curie und ihrem Ehemann, dem französischen Physiker Pierre Curie, in der Joachimsthaler Pechblende entdeckt. Wegweisend war dabei der Befund, dass gereinigtes Uran (als Metallsalz) nur einen geringen Bruchteil der Radioaktivität des ursprünglichen Uranerzes aufwies. Stattdessen fand sich der größte Teil der Radioaktivität des Erzes in der Bariumsulfat-Fällung wieder. Für das abgetrennte Element wurde dann die ausgeprägte Strahlungseigenschaft zur Namensgebung herangezogen." (Wiki)

Das Radium hat sie übrigens umgebracht. Sozusagen das erste in einer Reihe sogenannter "Radium Girls". Zungen- und Lippen- sowie Kehlkopfkrebs ist nicht lustig. Insofern ist die Ätzung nicht positiv Werbewirksam...
Aber was wußte man 1900 schon davon. Da mußten leider noch locker 25 Jahre und viele viele Tote vergehen.

Paul II.

Tja, wer weiss?!? Schonmal einen Geigerzähler an das Messer gehalten?
art isn't about aesthetics, it's about truth and heart

UbuRoy

Zitat von: Paul II. am 13. März 2013, 10:53:53
Tja, wer weiss?!? Schonmal einen Geigerzähler an das Messer gehalten?
Geigerzähler nicht nötig. Es müßte im Dunkeln lumineszieren...

Ocrana

Das ist eine sehr gelungene Restaurierung. Und ein hübsches Messer obendrein!

Standlinie

Ich habe leider keinen Geigerzähler, um Eure Vermutungen überprüfen zu können. Von der Tatsache ausgehend, dass Radium-226 eine Halbwertszeit von gut 1600 Jahren hat, müßte ich dieses Messer an einem entsprechend sicheren Ort einlagern. Da ich ein eher ungeduldiger Mensch bin und nicht so lange bis zu einer dann wohl eher möglichen Rasur warten möchte, gehe ich das Risiko einer gewissen Verstrahlung bewußt ein.   ;)

Ich habe da aber noch eine Frage an die Experten. Wenn ich mich morgens mit genau diesem Messer rasiere, strahlt mich da immer so ein gewisses angeweißtes "Etwas" morgens im Badezimmerspiegel an. Ist diese Art von Strahlung auch schon als gefährlich einzustufen?  ;D
Die Nachhaltigkeit einer gründlichen Nassrasur zeigt sich 24 Stunden später an nur gering und gleichmäßig nachgewachsenen Bartstoppeln.

Rockabillyhelge

Hehe,
ich habe ja auch noch ein Radium und vorgstern einmal einen Geigerzähler dran gehalten der mit einem Durchschnittswert von 7 µS/h nur die normale Umgebungsstrahlung angezeigt hat, ein Vergelcih mit meiner 1949er Taschenuhr welche dank der bemalten Ziffern auf stolze 64 µS/h gekommen ist lässt mich daher vermuten das das Radium Messer aus den 20ern nicht radiaktiv beschichtet worden ist, wobei ich nicht ausschließen möchte das angesichts des Hypes um die Radioaktivität im ersten Drittel des 20 Jh. nicht andere Messer ggf. beschichtet worden sein könnten.
Via Google habe ich zumindest Werbeanzeigen für radioaktive Rasierklingen und Kondome gefunden (letzteres ist übrigen kein Witz! Mit solchen Dingen scherzt ma(n) nicht, Glows in the Dark sag ich nur  ;D).
Auch mit Bart immer gut rasiert :)