Überschärfe

Begonnen von Iltis, 10. September 2008, 19:08:42

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Iltis

Hallo Zusammen,
Hier ein etwas abstruse Frage: Was genau ist eine Überschärfe, und wie entsteht sowas?
Seit ich Messer schleife ( ca. 3 Jahre ) habe ich 2X eine Überschärfe produziert, beide Male, denke ich durch zu eifriges Schleifen, nicht ellenlange Ledern. Mein Wissensstand ist, das Überschärfe=ein zu lange bzw. instabile Grat, und das der Grat entsteht durch Ledern/Pasten. Ich habe bisher geglaubt, das ein Grat nötig ist, das man der Haartest erfolgreich durchführen kann, beobachte aber, das nach Polieren mit Kieselerde oder auf ein neu zugelegtes 12000er chinesische Stein, die Messer auch der Haartest bestehen.
Also folgenden Fragen
1 Ist Überschärfe wirklich als eine unnutze Grat zu verstehen, oder kann man eine Schneide so schleifen, das es nachher instabil
   ist, ohne das ein Grat vorhanden ist?
2 Ist ein Grat notwendig, um das der Haartest klappen kann?

Alles ein Bisschen theoretisch, ich weiss, aber mich interessierts, und zumindest der Pepe auch, von was ich weissmitgekriegt habe, also was meint Ihr?

Grüß
Iltis
de gustibus, aut bene aut nihil

Senser

Ich finde den Begriff Überschärfe eigentlich falsch. Was soll das denn heißen?  " Überscharf"???     scharf, sehr scharf, super scharf, rattenscharf, hyperscharf....alles noch irgendwie in Ordnung, aber überscharf ist ja eigentlich ein unmöglicher Begriff.
Gemeint ist wohl tatächlich das, was Iltis beschreibt, nämlich ein überzüchteter Grat, der zu breit und damit instabil ist. Wo dieser Grat erzeugt wird, ist eigentlich unerheblich. Bisher war ich nur mittels Ledern, meist mit Pastenriemen, manchmal aber auch nur mit blankem Leder, imstande diesen Grat zu erzeugen. Diesen Grat definiere ich ja bekanntlich als die Restmaterialstärke, die sich nicht mehr weiter ausdünnen lässt, weil das Material jedem Widerstand, egal ob Stein oder Leder ausweicht, und sich somit jeder weitern Bearbeitung entzieht. Dabei ist es völlig unerheblich, ob man diesen Zustand mittels Leder oder Stein erzeugt. Ich habe bisher noch keinen Stein, der so dünn schleifen kann, dass dieser Grat entsteht, aber ich hoffe, dass der seit langem bestellte Spyderko endlich mal eintrudelt.
Ob ein Grat notwendig ist,um einen Haartest durchzuführen, weiß ich nicht. Aber offensichtlich funktioniert dieser nur, wenn wenn das Material Höchstschärfe erreicht hat, und das ist nun mal der anfänglich beschriebene Zustand. Direkt vom Stein, und das ist bei mir ein 10.000er King, finktioniert bei mir jedenfalls kein Haartest.
Gruß Senser

Dullblade

Zitat von: Senser am 11. September 2008, 10:13:17
...Wo dieser Grat erzeugt wird, ist eigentlich unerheblich. Bisher war ich nur mittels Ledern, meist mit Pastenriemen, manchmal aber auch nur mit blankem Leder, imstande diesen Grat zu erzeugen. ..., ob man diesen Zustand mittels Leder oder Stein erzeugt. Ich habe bisher noch keinen Stein, der so dünn schleifen kann, dass dieser Grat entsteht, aber ich hoffe, dass der seit langem bestellte Spyderko endlich mal eintrudelt.

Ich denke, dass eine wie oben definierte "Überschärfe" in der Hauptsache nur auf den Pasten und beim Ledern erzeugt wird. Nicht aber wegen des Mediums an sich, sondern wegen der Bewegungs- bzw. Schleifrichtung. Ich stell mir das so vor, dass beim Schleifen auf dem Stein sich die Facette gegen den Stein drückt, und die Schleifmittel Partikel spanend abtragen. Die Richtung ist also gegen die Schneide.
Beim Abziehen auf den Riemen (oder auf Stein falls das jemand macht) wird das Material vom Messer weg spanend abgetragen. Bei jedem Mikroschneidvorgang wird aber das Material durch das Schleifmedium  zunächst elastisch verformt und erst dann geschnitten. Dieses drückt sich dann noch vom Schleifmittel weg, dadurch entsteht dann der  Grat. Beim schleifen auf dem Stein gegen die Richtung entsteht ein Grat, bzw. auch ein Bart nur durch dieses vom Schleifmittelwegdrücken, beim Pasten in die Richtung eben zusätzlich durch die Verformung vorm eigentlichen Abtrag.

Mit meinem ultrafeinen Spyderco gelingt ein Haartest meist schon nach diesem. Durch meine gestrigen Erfahrungen mit einem W&B bin ich übrigens zur Überzeugung gelangt dass prinzipiell weniger mehr ist, also auf den 1.000 bis die Facette durch ist, aber nicht länger, da Bartfördernd, auf dem Spyderco medium nur bis die Spuren den 1000er weg sind, da reichten gestern 30-50 Züge, danach auf den Fine, ebenfalls nur 30-50 Züge und dann auf dem Ultrafeinen bis eben wieder die Spuren des Vorgängers verschwunden sind, wozu auch 30-50 Züge ausreichen. Die Dinger arbeiten hervorragend. Dadurch wird die Bartbildung wohl reduziert, ich hatte heute einer meiner besten Rasuren überhaupt.


abc123


Iltis

Zitat von: Senser am 11. September 2008, 10:13:17
ich hoffe, dass der seit langem bestellte Spyderko endlich mal eintrudelt.
Ob ein Grat notwendig ist,um einen Haartest durchzuführen, weiß ich nicht. Aber offensichtlich funktioniert dieser nur, wenn wenn das Material Höchstschärfe erreicht hat, und das ist nun mal der anfänglich beschriebene Zustand. Direkt vom Stein, und das ist bei mir ein 10.000er King, finktioniert bei mir jedenfalls kein Haartest.
Gruß Senser

Als "Polierstein" kann ich dir auch der 12000er Chinesischer Wassersteion der im Moment in der Bucht schwimmt. Bei ca. 23 € inkl. Versand (aus Polen) halte ich ihn für extrem preiswert, und damit habe ich bisher keine Probleme gehabt Messer haartestscharf zu bekommen.
Grüß
Iltis
de gustibus, aut bene aut nihil

Senser

Zitat von: Dullblade am 11. September 2008, 15:01:59
....
Beim Abziehen auf den Riemen (oder auf Stein falls das jemand macht) wird das Material vom Messer weg spanend abgetragen. Bei jedem Mikroschneidvorgang wird aber das Material durch das Schleifmedium  zunächst elastisch verformt und erst dann geschnitten. Dieses drückt sich dann noch vom Schleifmittel weg, dadurch entsteht dann der  Grat. Beim schleifen auf dem Stein gegen die Richtung entsteht ein Grat, bzw. auch ein Bart nur durch dieses vom Schleifmittelwegdrücken, beim Pasten in die Richtung eben zusätzlich durch die Verformung vorm eigentlichen Abtrag.

Diese Gedanken sind auch nicht verkehrt und widersprechen meiner Theorie eigentlich nicht. Jedenfalls ist es richtig, dass der Grat eher entsteht, wenn man die Klinge mit dem Rücken voran zieht, die Schneide also nicht in Schleifrichtung zeigt.
Lediglich diese Aussage möchte ich anzweifeln: "...zunächst elastisch verformt und erst dann geschnitten ..." Lässt man das "dann geschnitten" einfach weg, ist wieder alles logisch, denn wenn sich das Schleifgut wegbiegt, wird es ja nicht mehr geschnitten.
Was mir außerdem noch eingefallen ist, dass wir bisher noch gar nicht die thermeischen Veränderungen berücksichtigt haben, die beim Ledern, bzw. beim abziehen auf den feinen Steinen entstehen. Denn über die ausreichende Haartestschärfe nach dem Stein wird doch eigentlich erst geredet, seitedem Spyderkos oder Shaptons ins Spiel gekommen sind, die ja ohne Wasser und damit auch ohne Kühlung verwendet werden, ebenso wie Leder, Pastenriemn u.ä.
Und es ist doch vorstellbar, dass beim Schärfen  mit trockenen Materialien die Temperatur in der Spitze derart ansteigt, dass der Stahl fast, oder sogar tatsächlich kurz schmilzt und sofort wieder erkaltet und den Grat bildet. ?!?
Gruß Senser

Senser

@ Iltis
Ja, ich liebäugle auch mit diesem Stein, möchte aber erst warten, bis der Spyderko eintrifft. Der müßte ja eigentlich noch feiner sein.
Gruß Senser

abc123

Zitat von: Senser am 11. September 2008, 20:30:25
Und es ist doch vorstellbar, dass beim Schärfen  mit trockenen Materialien die Temperatur in der Spitze derart ansteigt, dass der Stahl fast, oder sogar tatsächlich kurz schmilzt und sofort wieder erkaltet und den Grat bildet. ?!?

Das ist jetzt aber nicht Dein Ernst.

Lord Vader

also ich kann mir nicht vorstellen, dass das material kurz schnmilzt und dann wieder erstarrt. ich würde vielmehr sagen, dass der grat beim voranschieben - er ist ja sehr empfindlich - sofort vernichtet wird. daher könnte er nur bei einer ziehenden bewegung länger überleben bzw. sich ausbilden und wachsen. wenn ein stein so schärft, dass die schneide zu dünn bzw. empfindlich ist, dass sie sofort wegklappt, so wäre das kein außerordentliches phänomen sondern eigentlich immer die regel, da der grenzbereich zwischen noch nicht gut und zu viel sehr gering wäre und allenfalls zufällig getroffen würde. aber möglich wäre es theoretisch, wenn ein sehr feiner stein auf einen sehr schlechten stahl treffen würde. überschärfe würde bei steinen dann nur auftreten, wenn die qualität des  stahls für die feinheit des steins nicht ausreicht. in diesem falle dürfte man den stein für das besagte messer dann nicht benutzen bzw. nur sehr, sehr kurz.

aber es wäre echt mal interessant, die genaue ursache dafür zu finden: wir sagen ja immer, zu langes pasten führt zu überschärfe, allerdings erzeugt das pasten den heiligen grat angeblich. die kollegen mit den normalen messern benutzen - wenn ich das damals richtig verstanden habe - den pastenriemen jedoch, um feinste gradrückstände wegzupolieren, damit dieser nicht umklappen kann. demnach bliebe eigentlich nur noch das leder, auf dem unter gewissen umständen ein grat entstehen kann, der umklappt und eine "überschärfe" erzeugt.

irgendiwie passt das alles noch nicht so richtig schllüssig zusammen!?!


UbuRoy

Den möchte ich sehen, der beim Ledern den Schmelzpunkt von gehärtetem Kohlenstoffstahl erreicht...

O mann. Ihr kommt auf Ideen...

Dullblade

Zitat von: Senser am 11. September 2008, 20:30:25
Lediglich diese Aussage möchte ich anzweifeln: "...zunächst elastisch verformt und erst dann geschnitten ..." Lässt man das "dann geschnitten" einfach weg, ist wieder alles logisch, denn wenn sich das Schleifgut wegbiegt, wird es ja nicht mehr geschnitten.

Stell Dir mal vor, du willst eine 5 cm dicke Hartgummiplatte sägen oder hobeln. Was passiert? Im MOment des Ansatzes biegt sich der Hartgummi ein wenig weg, bis er irgendwo im Sägeblatt einhakt und dann wird er geritzt, bzw. gehobelt. Eine 1 cm dicke Platte biegt sich mehr weg, wird aber auch noch angegriffen. Und bei der 1mm Platte geht gar nichts mehr, die biegt sich einfach weg. So stell ich mir das Ganze im Mikrobereich vor, der Schleifstein ist die Säge und die Gummiplatte die Klinge.

An Schmelzen glaub ich nicht, ob es allerdings bei  trockenenem  Schleifen zu Gefügeveränderungen aufgrund von Reibungshitze kommt, ist nicht von der Hand zu weisen. Bis dato hab ich aber nichts negatives verspürt.

Iltis

Zitat von: Senser am 11. September 2008, 20:30:25

... über die ausreichende Haartestschärfe nach dem Stein wird doch eigentlich erst geredet, seitedem Spyderkos oder Shaptons ins Spiel gekommen sind, die ja ohne Wasser und damit auch ohne Kühlung verwendet werden, ebenso wie Leder, Pastenriemn u.ä.
Und es ist doch vorstellbar, dass beim Schärfen  mit trockenen Materialien die Temperatur in der Spitze derart ansteigt, dass der Stahl fast, oder sogar tatsächlich kurz schmilzt und sofort wieder erkaltet und den Grat bildet. ?!?
Gruß Senser


@ Senser: Ich benutze der Chinesische 12000er mit Wasser, also mit Kühlung, und reibe ihn mit ein Arkansas hard Stein an, ob der Schleifschlamm (der sehr wenig und dünnflüssig ist) von der Chineser oder der Arkansas stammt bin ich mir nicht sicher - beide Steine sind unheimlich hart. Auf jeden Fall bekomme ich damit eine Schärfe hin, der für den Haartest hinreichend ist. Ich kann mir nicht vorstellen, das der thermische Wirkung wirklich eine Rolle spielt - kurz gegooglet und festgestellt, das Stahl eine Schmelzpunkt über 1300 Grad C hat - das erreichst du beim Reiben auf Leder nicht, auch wenn die Schneide sehr fein und dünn ausgebildet ist. Ausserdem,  beim schmelzen würde der Stahl seine Härte verlieren. Was wirklich da stattfindet, da habe ich keine Ahnung, aber an deine These kann ich nicht glauben. Mein Vater vertrat der Theorie, das beim abziehen eines Küchenmessers auf ein Stahlstab, die Moleküle physikalisch von die Schneide weggeschoben würden, und dadurch wurde die Schneide dünner und schärfer - ob das stimmt, weiss ich auch nicht, aber wenn, dann wäre es auch denkbar, das beim Abzug auf ein sehr feine Stein Stahlpartikeln nicht nur entfernt, sondern auch verschoben werden. Das könnte auch zu eine höhere Schärfe führen. Alles Theorie und Halbwissen - ich wünschte mir, ich wüsste wirklich was da passiert.

@ Uburoy: Kannst du das erklären?

Grüß

Iltis

de gustibus, aut bene aut nihil

harrykoeln

Ich find das ausgesprochen spannend hier. Verschiedene Theorien aufgreifen, besprechen und eher unwahrscheinliches ausschließen. So kommen wir dem Kern sein Pudel bestimmt näher.
"The two most common things in the universe are hydrogen and stupidity.
There is more stupidity around than hydrogen, and it has a longer shelf life."
Frank Zappa (1940-1993)

Pepe

Zitat von: Pepe am 10. September 2008, 08:03:01
Zitat von: Iltis am 09. September 2008, 17:54:01
Das ist nur das 2. Mal, das ich ein Messer überschärft habe (das erste Mal war kurz danach ich von schleifen mit Zahnpaste auf Schleifen mit Kieselerde/Zahnpastegemisch umgestiegen bin, und die Schleifwirkung nicht gut einschätzen konnte - das sind alle Erfahrungswerte die man sich irgendwie aneignen muß). Schon seit eine Weile überlege ich mir ein Thread zu eröffnen namens "Wie entsteht Überschärfe" oder ähnliches, weil es mich schon interessiert, aber ich denke immer wieder, das ist zu theoretisch - die meisten Hier sind eher interessiert in was funktioniert, nicht unbedingt was passiert wenn man was falsches macht.
Iltis
Hallo Iltis, ich möchte Dich ermuntern, genau so einen Thread aufzumachen, denn genau von solchen Beiträgen lebt doch ein Rasur-Forum :D
Also nur zu, es gibt viele Interessenten für derartige Beiträge.
Hallo Iltis, war doch gut, diesen Beitrag hier aufzumachen...oder?
Also ich finde es sehr spannend hier 8)

Senser

Natürlich war das Unsinn mir dem Schmelzen. Ich hatte ja auch genügend Fragezeichen dahiter gesetzt. Trotzdem sollte man die Temperaturentwicklung an der Schneide nicht unterschätzen. Stahl muß ja nicht gleich schmelzen um seine Festigkeit zu verlieren. Selbstverständlich würde der Stahl in genau diesem mikroskopisch feinen Bereich seine Härte verlieren. Ist das nicht gerade die Voraussetzung für die Entstehung eines Grates? Jedenfalls bei Ziehklingen ist das so. Die käuflichen Klingen sind meist viel zu hart um mit Ihnen eine arbeitsfähigen Grat zu erzeugen. Ich vZerschneide zu diesem Zweck immer die Blätter von Feinsägen. Obwohl dieser Stahl etwas weicher ist, hat der damit erzeugte Grat erstaunliche Standzeiten. Und zumindest beim arbeiten mit solchen Ziehklingen muß man aufpassen, dass sich nicht die Finger verbrennt, obwohl diese ja nur auf der Fäche anfssen. Man stelle sich vor, welche Temperaturen am Arbeitspunkt herrschen.
@ Uburoy
Stimmt, wir haben Ideen. Du hast nichts als überhebliches Geschwätz. Und zuweilen Märchen aus 1001er Nacht.
Gruß Senser