Neues aus Strawinskis Restaurationsbuchte

Begonnen von strawinski, 03. April 2012, 17:17:43

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Iltis

Neutral zu sein ist mir unmöglich, ich vertrete eine Einstellung zu Kulturgut das zugegegebenerweise Kompromißlos ist, dazu stehe ich. Ich bin nicht vehement gegen die Arbeit von strawinski (hätte er die gleiche Arbeit in die funktionelle Erhaltung und Nutzlichmachung des Messers, oder die Verschaffung eines Faksimiles, stunde ein ganz andere Beitrag von mir), und seine Gefühle will ich auch nicht verletzen - ich gehe aber davon aus, das er auch ein Mensch ist der nicht nur über Gefühle, sondern auch Verstand verfügt. Deswegen versuche ich mit rationelle Argumente dafür zu plädieren, das man Altes alt sein lässt, und bin fest davon überzeugt, das es dafür handfeste Argumente gibt. Das ignorieren solche Argumente hat dazu geführt, das es gewisse Tier- und Pflanzenarten auf unsere Welt nicht mehr gibt, das komplette Zivilisationen ausgerottet wurden, und das wir und unsere Kinder mit eine Klimaerwärmung (das nicht mehr unvermeidlich gewesen wäre, aber zu mindern) konfrontiert werden. Das sind die grosse Auswirkungen eine solche Mentalität, und hätte es keine Fortschritte gegeben, würden wir alle noch in der Steinzeit leben, was ich mir nicht wünsche. Auch der Argument, das es besser ist, Strawinski rasiert sich mit diesen Messer, als es vor sich hinrostet hat Gewicht, aber meine Meinung nach geht es auch kulturgeschichtlich besser. Wer sagt "mir ist es egal" - dagegen habe ich kein Argument ausser ein Finger hoch zu heben und zu sagen "denk an der Dodo" (oder, es banaler zu sagen, an der Kreidler Florett).

Gruß

Iltis
de gustibus, aut bene aut nihil

crazor

Und die Hauptsache ist das wieder ein Messer in einen rasurtauglichen Zustand gebracht worden ist und nicht mehr vor sich hinrostet. Eine schöne Arbeit, ob sie nun auch anders gemacht werden kann oder nicht.

LG,
Werner

Marodeur

Ich verstehe die Vehemenz der Angriffe auch nicht, wie sollte denn der Meinung der Kritiker nach dieses Messer restauriert werden? Also ganz konkrete Beispiele...


Beste Grüße,
Daniel
"Nature is above all morals, destiny a shameless whore".
(Sol Invictus - Black Easter)

Tim Buktu

Prinzipiell denke ich in Bezug auf die Behandlung alter Kulturgegenstände wie Iltis.
Allerdings geht es mir mit diesem Messer so, dass wenn ich meine prinzipielle Haltung außer Acht lasse, die Arbeit von strawinski für sehr gelungen halte. Die Spiegelpolitur und das leuchtend rote Kunststoffheft bilden zum eigentlichen Gegenstand und dessen Alter einen Kontrapunkt, der mir sehr gut gefällt.
In seiner neuen Erscheinung kann ich in dem Messer ein Kunstobjekt sehen das mich beeindruckt, grade weil ich hin und her gerissen bin.
Tranquilo - In der Ruhe liegt die Kraft...

PS: Alles nur meine persönliche Meinung, die sich durchaus beeinflussen lässt und sich deshalb gelegentlich auch ändert!

Iltis

Zitat von: Marodeur am 03. April 2012, 22:00:14
Ich verstehe die Vehemenz der Angriffe auch nicht, wie sollte denn der Meinung der Kritiker nach dieses Messer restauriert werden? Also ganz konkrete Beispiele...


Beste Grüße,
Daniel

https://www.gut-rasiert.de/forum/index.php/topic,11601.0.html

Gruß

Iltis
de gustibus, aut bene aut nihil

Marodeur

Aus einem 200+ Jahre alten Objekt DIESES (also das gezeigte Objekt) zu machen ist für mich ein kreativer Akt.

Wenn man das Heft aussen vor lässt, welches natürlich ungewöhnlich ist, weiß ich nicht, wo das Problem ist. Die Essenz dessen, was es (das Messer) ist, wurde ja nicht verändert... Es ist ein Rasiermesser, und dazu eins, welchem man seine 200+ Jahre nicht ansieht. Nur weil dies eine andere Herangehensweise ist, finde ich sie nicht schlechter.


Beste Grüße,
Daniel
"Nature is above all morals, destiny a shameless whore".
(Sol Invictus - Black Easter)

Iltis

#21
Zitat von: Marodeur am 03. April 2012, 22:21:17
Wenn man das Heft aussen vor lässt, welches natürlich ungewöhnlich ist, weiß ich nicht, wo das Problem ist.

Stell dir vor, man nehme ein Fossil, der einmalig ist, und schnitzt daraus ein Anhänger als Kunststück daraus - kreativ ist das gewiss, und handwerklich kann es auch ganz toll sein, aber die Information das uns diese Fossil über die Entwicklung eines Artes gibt geht dadurch verloren. Findest du das gut?

Gruß

Iltis
de gustibus, aut bene aut nihil

Marodeur

Was für Informationen gingen denn durch die Bearbeitung verloren?
Weiterhin find ich den Vergleich mit dem Fossil unpassend, da, wie gesagt, nicht die Art des Gegenstandes verändert wurde.

Beste Grüße,
Daniel
"Nature is above all morals, destiny a shameless whore".
(Sol Invictus - Black Easter)

Iltis

Die komplette Oberfläche ist abgeschliffen - das heisst, jeder Information wie das Messer geschliffen und poliert ist nicht mehr vorhanden (und darüber wissen wir verschwindend wenig). Auch der Ansatz ist abgerundet, also der ursprungliche Form ist nicht mehr vorhanden, was sehr wohl eine Veränderung der Form des Gegenstandes darstellt.

Gruß

Iltis
de gustibus, aut bene aut nihil

Ocrana

#24
Um es vorweg zu sagen: Ich habe nichts gegen alte Messer, die spiegelpoliert sind.

Ein altes Messer auf diese Art zu restaurieren, birgt allerdings auch die Gefahr, dass die Konturen der Klinge so weit verrrundet werden, dass wesentliche ursprüngliche Erscheinungsmerkmale kaum noch erkennbar sind. Wie Iltis schon schrieb, ist insbesondere der Ansatz nicht mehr so markant wie zuvor. In der Ausgangsform war das Messer von einer puristischen Form, in der der kantige Ansatz im Zusammenspiel mit dem breiten Erl besonders ins Auge fiel. Das ist jetzt nicht mehr so, der Ansatz fügt sich nunmehr eher fließend in die Klinge ein. In meinen Augen ist damit die Klinge in ihrem Wesen verändert worden, was mir nicht zusagt, da mir die Klinge nicht mehr so viele Informationen preisgibt wie zuvor.

Rein handwerklich hingegen scheint mir die Arbeit sehr gelungen zu sein.

marki

Iltis hat schon Alles gesagt! Bitte nimm die Beiträge nicht als Kritik an Deiner Person, sondern versuch das Ganze zu verstehen. Es geht hier auch nicht um persönlichen Geschmack.

Beim Anblick solcher Messer ist mein erster Gedanke immer: Schei..e, wieder eins weniger.

Strawinski Du interessierst Dich doch genau wie ich für die Geschichte die das Messer erzählt! Allerdings hast Du diesem Messer seine Geschichte gerade genommen. Das was es uns erzählt hat, ist für immer verloren......

Schöne Grüsse

In_Je_Ner

Ach kommt schon....Menschenskinder...das ist doch mal wieder eine typische never ending Diskussion ;D ;D ;D

so ein altes verrostetes Teil, wurde ich mir niemalls ins Gesich halten(die Stoppeln wurden nur vom ekelgefühl herausfallen). Gleichzeitig ist mir die Polierte variante viel zu modern. Aus diesem Grund versuche ich es gar nicht erst mit solchen antiquitäten und überlasse es den jenigen, die davon was verstehen.
Der Fakt ist, diesem Messer ist die Seele geraubt worden :'(
doch gleichzeitig habe ich Respect vor der Arbeit die zur Aufbereitung und neuanfertigung der Schalen notwendig war.
Dazu waren auch ein Paar Stunden Fleißarbeit notwendig dh:

Ich glaube der Herr Strawinski wurde es auch zu einem Hersteller der Rasiermesser schaffen können,
dann müssen wir nicht mehr darüber diskutieren o)
Willkommen in meiner Herstellerecke

UbuRoy

#27
VORSICHT. Klare Meinungsäußerung... Nicht das das wieder ausartet hier.  o)

Ich stimme Iltis was das "restaurieren" angeht voll und ganz zu.
Strawinski sollte das NICHT restaurieren nennen. Er ist definitiv kein Restaurator. Denn was er hier macht ist definitiv auch KEINE Restauration.

Über die Rettung der Schalen kann man streiten. Ich hätte sie vermutlich auch ersetzt. Allerdings gegen andere möglichst ähnliche antike Hornschalen gleich Couleur, samt entsprechender Nieten!

Falls das nicht geht, kann man identische Hornschalen anfertigen. Geht notfalls klar.

Aber diese Beschalung und dann noch in Plaste in Knallrot und die grausige Spiegelpolitur ist absolutes no-go. Wie ein getunter, tiefergelegter Brezelkäfer mit Karbonhülle und Porschemotor.
Das Ding mag für Eisdielenposer noch als toll gelten. Ansonsten ist es aber aus kultureller und äthethischer Sicht absolut wertlos geworden. Von so was subjektivem und schwer zu erlangendem wie Stil gar nicht erst zu reden.

Im übrigen finde ich, Patina, etwaige leichte Schäden durch Rost, Wurmfrass etc. sowie Verfärbungen gehören einfach zu einem so alten Messer.

Das gilt m.E. nicht nur für Rasiermesser, sondern auch antike Möbel, Oldtimer, Lampen, Brillen, Waffen etc. Eigentlich zu allem was alt ist.
Man sollte allem ruhig ansehen, was es mitgemacht hat. Den das (be)zeugt (von) Charakter und Authenzität.

Aber was solls. Historisches Bewußtsein war noch nie der Leute stärke. Heute sogar noch viel weniger und demnächst halt gar nicht mehr.

Wer sich die Visage mittels Botox und Skalpell straffen läßt, obwohl er 80 Jahre alt ist, dem ist schließlich auch nicht zu helfen.

Es ist nur schade für das historische Kulturgut (das eigentlich auch ein Volks- und damit Allgemeingut ist), das der äußere Schein mittlerweile alles ist. Was ja inzwischen auch in jeder Hinsicht gilt. Außen hui, inne pfui.

Was jetzt aber weniger mit diesen (für mich persönlich aber trotzdem vollkommen ruinierten und wertlosem) Rasiermessern zu tun hat.

Nicht persönlich gemeint, nur deutlich gesagt wie immer.

Um noch ein gutes aktuelles Beispiel zu nennen:

Das entspräche Strawinskis bearbeitung:
http://www.autoscout24.de/Details.aspx?id=205200948

Das wäre das Original:
http://www.supercars.net/Pics?viewPi...627&first=true

Ein JAMMER! Ich könnte kotzen als Fan alter Citroens...

harrykoeln

Sorry, aber ich sehe das ähnlich wie Iltis, Uburoy etc.

Vorher war es ein tolles altes Schätzchen, eines von nur noch wenigen erhaltenen (und btw, auf diese Art und Weise werden es täglich weniger). Auf dem ersten Bild hat es - sogar auf dem Foto schon - eine wundervolle Geschichte erzählt über alte Besitzer die es in Ehren gehalten haben (denn für so ein altes Messer, war es noch erstaunlich gut in Schuß) und von längst vergangenen Zeiten. Doch dann kamen Knebel und Fesseln in Gestalt von Schleifbock, Sandpapier, Polierpasten und Plaste in knalligen Farben und --- Tataaaaa. 
Jetzt, in Mäntelchen aus roten Kunststoff gehüllt spielt es in einer Liga in die es gar nicht gehört und nimmt den chromblitzenden Kampf gegen moderne Massenware auf, bei dem es nur noch eines von vielen ist.
In meinen Augen hast Du es ruiniert, nicht restauriert, geschätzen 150 Jahren (vielleicht mehr) Geschichte den Garaus gemacht. Jetzt wirkt es nur noch tot und ist verstummt für immer.

Schade.

"The two most common things in the universe are hydrogen and stupidity.
There is more stupidity around than hydrogen, and it has a longer shelf life."
Frank Zappa (1940-1993)

strawinski

es tut mir leid...das ich so eine Diskussion ausgelöst habe....Hätt ich nicht gedacht.....
Wenn die Moderationen möchten, können sie diesen Thread gern löschen, bevor noch mehr Differenzen auftreten.

Natürlich halte ich Kritik von allen Seiten aus. Dafür bin ich ja auch ein Mann.
Was mich bedenklich stimmt, ist, das ich in einem anderem Land nur Feudentränen dafür bekomme.
Ich persönlich lehne ja immer Haarspaltereien über das Wort Restaurierung oder Schärfen ab. Merkwürdigerweise höre ich immer wenn ein schöner Chagall im Keller gefunden wurde, das er hervorragend restauriert wurde. Auch mit Brücker oder alten denkmalgeschützten Häusern ist es nicht anders. Nur hier im Forum nicht.
Villeicht ist es ja auch ne anderes Sprache.

Was solls.
Das Licht kam in die Finsternis. Doch die Finsternis begriff es nicht.