Dauertest I Coloniali RS

Begonnen von Drei, 29. Dezember 2011, 05:31:10

Vorheriges Thema - Nächstes Thema

0 Mitglieder und 1 Gast betrachten dieses Thema.

Drei

Die I Coloniali soll standesgemäß im Tiegel aufgeschäumt werden. Erstens kommt sie ja in einem solchen Gefäß und zweitens schaffe ich es nicht, sie vom Boden zu lösen. Erstanden habe ich sie im Italienurlaub für 14,80 EUR, ein echter Schnäppchenpreis. Eigentlich dachte ich, ich hätte das sagenumwobene ASB mit Mangoöl in der Tragetasche, nach dem ich dem Kleingedruckten aber zu Hause mit Brille zu Leibe rückte wurde der Verdacht wach, dass es sich um die Seife handeln könnte (Italienisch verstehe ich nur mit Händen und Füßen - waren keine dabei). Zu Hause bestätigte sich der Fehlkauf. Mein Missmut hielt sich jedoch in engen Grenzen, schließlich bin ich Fan der Seife.

Im Sinne einer unvoreingenommenen Berichterstattung versuche ich es einmal ohne die rosarote Brille.

Wenn wir ehrlich sind, ist bei Rasierseifen der Duft der erste Blender. Wenn dieser wegfällt bleibt: eine Seife bei der mit viel Aufwand ein mäßiger Schaum zu erzeugen ist. Der Schaumteppich bietet unterdurchschnittliche Gleiteigenschaften, was bei näherer Betrachtung gut ist. Die Seifenreste lassen sich im Handumdrehn abspülen. Die Neigung zu Mikroverletzungen ist geringer als bei anderen Produkten. Das Gefühl nach der Rasur ist erhaben, es fühlt sich sauber und trocken an, ohne dass sich trockene Stellen bilden. Aus eigener Sicht dufte ich nach einer Rasur mit der IC gut, der Fremdkommentar meiner Liebsten, die nichts von diesem euphemistischen Göttliche-Geschwafel weiß: bubble gum. Aber für solche Fälle gibts ja schließlich AS.

Die viel gepriesenen Gleiteigenschaft einer RS ist eine heilige Kuh, der oft gehuldigt wird. Wer die IC kennt und schätzt weiß, das diese Eigenschaft ebenfalls zu den Blendungen der Rasierneuzeit gehört.
Eine beeindruckende Tensid-Rutscherei gaukelt oft Sicherheit vor, wo es keine gibt. Wenns so richtig schön fluppt wird der Eindruck vermittelt, dass es kinderleicht von der Hand geht, dass der Schaumteppich die Haut schützt und ihr die Klinge nichts anhaben kann. Besonders der anglo-amerikanische Markt findet markige Worte für den schönen Schein der Sicherheit. Wer dem Eindruck der Protektion erliegt, für den kann das Erwachen in Form von zu viel Abrasion und einem ordentlichen Rasurbrand enden.
Die IC tut ihr Bestes, um das Feedback der Klinge an die Hand zu maximieren. Mehr kann mann in Sachen Gleiteigenschaften von einer guten Rasierseife nicht verlangen. Meine Notizen vom 55. Tag der Benutzung zum Thema: Minimaler Flutsch bei maximaler Kontrolle sorgen für einen hohen Spassfaktor.

Der getiegelte Puck ist übrigens mit 85g 15% kleiner als der Refill. Die geringere Füllmenge sieht vermutlich harmonischer aus als der Refillbrocken.

Das Aufschäumverhalten der IC teilt die Gemeinde in zwei Lager, die einen mokieren sich über die Schaumzicke, die anderen sehen keinen Unterschied zu anderen Seifen. Unter Berücksichtigung der speziellen Art der IC gehöre ich ab sofort in beide Lager. Die IC ist sehr wohl eine Zicke, wenn man sie wie jede andere Seifen behandelt. Wer beispielsweise seine RS in 20er Rotation mit feinstem Silberspitz bearbeitet, wird sehr wohl einen Unterschied zwischen der IC und sagen wir mal TOOBS, Palmolive oder Tabac bemerken. Im Vergleich zu diesen schäumt sie nämlich nahezu homöopathisch. Bei täglicher Benutzung jedoch nimmt die Seife viel Wasser auf und wird mit der Zeit cremig (ohne Schleimbildung wie bei TOOBS). In diesem Zustand nahm ich sie einmal mit auf Reisen und war perplex, als sie - mit dem Reise-Nichtsilberspitz nahezu schaumexplodierte. Also: Wenn man den Seifenverbrauch aber auf das Doppelte einer normalen RS erhöht, denn dass will sie, ist sie absolut unproblematisch und schäumt wie ein Palmostick.
Dem höheren Seifenverbrauch als zuträglich haben sich folgende Methoden erwiesen (jeweils optional):
- Seife einweichen
- länger rühren
- tägliche Benutzung
- härtere Pinsel verwenden



Diese These lässt sich am Seifenverbrauch eindrucksvoll nachweisen. 1,3g beträgt der durchschnittliche Seifenverbrauch pro Tag, das ist mehr als doppelt so viel wie Mühle:
Hersteller

[g/Tag]
0,60   Mühle Sandelholz RS
0,61   Palmolive Stick RS
0,68   Taylor of Old Bondstreet Traditional Luxory RS
0,77   Taylor of Old Bondstreet Sandelholz RS
1,33   I Coloniali RS mit Mangoöl / Tiegel

Die IC ist also preislich ein absolutes Luxusgeschöpf. Wenn ich mich ausschließlich mit so einem wie dem gehabten Tiegel rasieren würde und die Refilloption nicht nutzte (ich rechne den sehr günstigen italienischen Kurs), würde mich das 83 EUR pro Jahr kosten! Dagegen ist eine TOOBS sandal wood, auch als Luxusseife bekannt, gerade mal halb so teuer. Die Kosten holt man auch durch einen geringfügig geringeren Klingenverbrauch nicht mehr auf.

Mit der Tiegelversion in Tiegelschäumung konnte ich mich 64 Tage lang rasieren. Einen Puck von der IC habe ich noch. Da jetzt hier so schnell und wider erwarten Schluss ist, werde ich den Refillpuck gleich dranhängen. Damit nicht alle Parameter gleich sind, werde ich mit dem Punk direkt im Gesicht aufschäumen, mal sehen ob die Verbrauchswerte sich dadurch senken lassen.

Wie ein reifer französischer Käse:


Cremischkeit kennt keine Grenzen:


Rasierer

Hast du die Seifen vor und nach der Benutzung abgewogen ?

ron

Super Bericht, Drei! dh:
Sehr angenehm zu lesen und überaus Interessant Deine Tests!
Vielen Dank dafür!
Auf die Menschen die sich an Grenzen stoßen, die sich zum Schmuggeln eignen und die das Zeug zum Eroberer in sich spüren.

Platzger

Klassebericht! Immer wieder schön, an deinen Tests teilzuhaben - Danke  dh:
Good, cheap, beautiful - pick only two

Lord Vader

wie hast du die seife denn so schön in den tiegel kneten können. bei mir sind die seifenstücke in den tiegeln immer knüppelhart.

zum thema seifenverbrauch kann ich nur sagen, dass ich zu der "lieber länger als kürzer auf der Seife bleiben" fraktion gehöre. mit 20 umdrehungen ist hier definitiv nichts zu machen. deinen verbrauch von 1,3 gramm finde ich aber trotzdem sehr hoch. bei mir hat die seife gut 83 rasuren geschafft, was ungefähr einem verbrauch von 1g je rasur entspricht. allerdings wässer ich nicht vor und spüle den tiegel nach der rasur auch nicht aus. kann aber natürlich auch sein, dass sich unser aufschäumverhalten einfach etwas unterscheidet. dein kostenberechnungsmodell kann ich aber so trotzdem nicht stehen lassen, da sich der tiegel ja nicht abnutzt und man durchaus auch auf refills zurückgreifen kann. dann wären es nach deiner rechnung je nach bezugsquelle um die 60 euro, was natürlich auch nicht wenig ist.

auf jedenfall finde ich deinen bericht sehr gelungen und informativ!

Leider habe ich die IC schon länger nicht genutzt, da meine seife anfang des jahres aufgebraucht wurde. aber pünktlich zum nun anstehenden jahreswechsel werde ich endlich den nächsten puck von ihr in betrieb nehmen.

Floid_Maniac

Toller Bericht und sehr gut geschrieben. Der leider sehr hohe Verbrauch pro Rasur deckt sich mit meinen Erfahrungen die ich auch mit der I Coloniali gemacht habe.

Gruß, Floïd_Maniac.

Onkel Hannes

Super Bericht, Drei! dh: (<- "Gefällt mir"-Button ;))

Ich hatte schon befürchtet, Dir sei die Lust an Deinen Dauertests vergangen - die gehören für mich immer zu den Lieblingsbeiträgen!

Der von Dir für die Tiegelversion entrichtete Preis ist übrigens der ganz normale Durchschnittspreis in Italien; auch die RC ist merklich billiger als in Deutschland.
Hungrig vom schlafen und müde vom essen.

Drei

Vielen Dank für den Zuspruch! Es ist mir eine Freude, meine Lieblingsthemen mit einem fachlich versierten Publikum zu diskutieren.

@razor: Ja, die Seife wurde gewogen. Tiegelunterschale (ohne Deckel) mit unbenutzer Seife 242g, leere Tiegelunterschale 157g, also 85g Einwaage.

@Lord Vader: Es handelte sich um eine bereits eingetiegelte Seife, da gabs nichts zu kneten. Gestern bin ich mir mit dem Refill erstmalig durchs Gesicht gefahren. Die Seife ist wirklich sehr wasserhaltig und weicher als sie zunächst scheint.
Zum Verbrauch: Ich habe die Seife nicht gewässert - was bei täglicher Benutzung auch gar nicht notwendig ist, den Schaum aber nach Beendigung jeder Rasur abgespült. Geschäumt wurde hingegen so lange, bis meine "übliche" Schaummenge (für 3x einschäumen + Rest x) erreicht war.
Klar, der Kostenvergleich hinkt, wer kauft sich schon jedes Mal einen neuen Tiegel! Ich wollte die Rohdaten nicht durch Nebenüberlegungen (1x Tiegel, danach Refill) verfälschen.

Drei

Was ist der Unterschied zwischen einer Seife in Tiegelform und Stickform? Ist es nur die äußere Gestalt oder benötigt man bei RS-Sticks tatsächlich eine andere Rezeptur? Die einen sagen, der Stick muss weicher sein als eine Tiegelseife, die anderen behaupten, dass es egal ist welche Seife man in Stickform presst und dem geneigten Forumsmitglied (und dem Rest der Welt) zur Nutzung anbietet.
Um meine Neugierde zu befriedigen verwendete ich bereits die TOOBS luxory soap, eine Tiegelseife, als Stick. Natürlich schäumte ich sie hierzu nicht zwischen den Fingern auf, sondern rieb sie übers nasse Gesicht. Die Bartstoppeln bieten hierbei als reibeisenartiges Gegenstück den idealen Partner für genügend Seifenabtrag, aufgeschäumt wird im Gesicht. Die TOOBS war eine eher harte Seife, trotzdem harmonierte sie ideal im Stickverfahren. Interessant wäre damals der direkte Vergleich zwischen Stick und Tiegel gewesen, dafür wurde mir der intensive Duft der TOOBS aber über. Mit der IC kann das nicht passieren, also nun direkt im Anhang die Nutzung eines IC Refill (101g, gewogen) als Stick.

Aus dem Rasurtagebuch:
29.12.2011    1. Tag: Butterweich, diese Seife ist eine Creme in Festform. Beim Fahren durchs Gesicht zeigt sich tixotrophes Verhalten: fest im Ruhezustand, weich unter mechanischer Beanspruchung. Hier ein Bild der Seife nach der ersten Benutzung:

30.12.2011   Harte Stoppeln raspeln an weicher Seife, dass gleich ein ziemlicher Platten am Puck prangt.
31.12.2011   95g Gewicht! Und das obwohl ich mich mit dem Verbrauch heute extrem zurückgehalten und im zweiten Durchgang nur einen sehr dünnen Schaumschicht im Gesicht hatte.
02.01.2012   Ich habs wirklich probiert heute! Mit wenig Seife und viel Tüddelei habe ich das Minimum an Schaum erzeugt, das für eine gute Rasur nötig ist. Mann war das anstrengend. Erik Kormann hatte mir die Technik mal live in seinem Laden vorgeführt. Seife aufnehmen, rühren, Schaum in die Hand streifen, drei Tropfen Wasser dazu, wieder rühren, kneten, in die Hand abstreifen, weitere drei Tropfen Wasser dazu etc. Man könnte sagen, ich habs ihr richtig besorgt! Reine Handarbeit! Männer, sagt was ihr wollt, die IC ist ne Superzicke, vorausgesetzt man verwendet die üblichen Seifenmengen.
03.01.2012    Krampf! Die 26mm Silberspitz schluckt die 2g Seife weg wie nichts. Eine komfortable Rasur ist zwar möglich, aber unter dem Diktat des Mengenverbrauches anstrengend. Es sieht so aus, als verlange die IC nach einfachen Pinseln.
04.01.2012   Die IC mag die hjm Sauborste. Kaum Verlust durch Seifenaufnahme, gutes Aufschäumen durch das festere Pinselhaar. Ein kürzeres Einweichen sorgt für weniger Microverletzungen.
05.01.2012   diesmal wieder mit der Dachsborste.
06.01.2012   Wieder Sicknote (26mm, Seifenschlucker): ohne Vorschäumen, des Verbrauchs wegen. Geht auch. Die Klinge leidet.
07.01.2012    Das Stück wiegt nach der Rasur nun 84g nach 10 Tagen, das macht einen Verbrauch von 1,7g/Rasur. Bei deutlicher Zurückhaltung. Diese Seife wäre für einen Stick nicht geeignet. Das liegt aber auch daran, dass sie mehr Zuwendung benötigt. Vice versa: mangelnde Zuwendung kann durch einen höheren Seifenverbrauch wett gemacht werden.
10. Tag:


srge01

Mag vielleicht reißerisch klingen, oder polemisch, ich frage mich aber, ob manch einer auch seine Butter auf dem Brot abwiegt, den Benzinverbrauch einmal mit leichter und schwerer Kleidung berrechnet, Taschentücher mehrfach benutz usw, weil es "günstiger" ist?
Deine Akrebie in aller Ehren, ich kann mich dennoch nicht mit solch einem Test identifizieren.

Stellar

#10
Ich finde Drei's tests super! Sie geben antworten, die man sonst nirgends erhalten kann.
Zudem sind sie für mich kurzweilig zu lesen. dh: dh:
srge01's Ansicht kann ich zwar nachvollziehen, aber ich mag die tests

srge01

Deshalb auch jedem das Seine.

srge01

Man kann ja beim Bäcker auch 4 Berliner für 1€ Kaufen obwohl man nur 3 braucht, aber dem Einzelkauf gegenüber 11cent spart! Wers braucht......

SLB04

Mich würde viel eher bei Deiner Dauerbenutzung interessieren, ob sich Deine Haut verändert hat. Beim Palmolive Stick meine ich mich zu erinnern, dass es Deine Haut stärker ausgetrocknet hat und diese dann mit erhöhter Talgproduktion geantwortet hat. Bei der TOBS hattest Du dann geschrieben, dass das Hautbild besser wurde und Du keine glänzende Haut bekommen hast.

Wie sieht es da mit der IC?

Den Verbrauch finde ich dennoch sehr interessant, aber gerade bei der IC wäre der mir fast egal, weil ich die Seife einfach zu sehr schätze.
Lieben Gruß
Alex

Stellar

Geiz scheint mir nicht das Hauptmotiv zu sein, sonst würde Drei sicher einen Palmostick "vermessen". ;D

Auf meine Kaufentscheidung, werden die Tests wohl kaum einen Einfluss haben, nichtsdestotrotz mag ich sie.

Jeder so wie er will und kann.