was musste Opa zum rasieren ausgeben?

Begonnen von goldfisch, 11. August 2011, 20:22:51

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goldfisch

....diese Frage beschäftigt mich schon lange. Da ich leider meine Opas nicht mehr fragen kann, stelle ich die Frage hier.
Mich interessiert der Tagessatz einer bestimmten Zeit, welchen man fürs rasieren ausgeben musste.
z:B. 2011: 50 € verdient man im Durchschnitt pro Tag, dafür kann man sich einen Merkur Rasierer einen billigen Dachs und Rasiercreme kaufen. Oder man braucht 7 Tagessätze für einen Feather Hobel einen Thäter Silberspitz der Göttlichen und der entsprechende AS.
Fragt bitte mal Eure Bekannten oder Opas was damals ein Rasiermesser, Rasiercreme usw. gekostet haben.

Eugen Neter

Vom Alter her bin ich zwar schon "Opa", in der Realität habe ich's allerdings nur zum mehrfachen Vater gebracht. Aber zum Thema: Ich kann mich sehr gut entsinnen, daß ein Gillette Adjustable Slim Boy in einer deutschen Apotheke (jawohl, in einer Apotheke!) in den 1960er Jahren unter 10,-- DM gekostet hat. Wässerchen wie Tarr z. B. waren ebenfalls sehr günstig zu haben. Dosenschaum und Systemrasierer gab es Mitte der 60er meiner Erinnerung nach noch nicht. Kamen da nicht die Schick-Injectoren in Mode? Das Gedächtnis trügt manchmal.

Elbe

Zitat von: goldfisch am 11. August 2011, 20:22:51
Oder man braucht 7 Tagessätze für einen Feather Hobel einen Thäter Silberspitz der Göttlichen und der entsprechende AS.

Ich weiß es nicht, aber Klingen beispielsweise waren sauteuer, wenn man das Einkommen zugrunde legt. Wie praktisch alles teurer war als heute, vom Lebensmitteln zur Bekleidung usw. Jedes Gut verlangte ein Vielfaches an Arbeitszeit als es heute dafür benötigt.
Andererseits gab es weniger Gimmicks, die Geld fraßen: Keine Smartphones, PCs, Elektronik-Firlefanz, keine Fernreisen, kostspielige Autos usw.

Der normale "kleine Mann" hatte auch keine Super-Duper-Luxushobel, Klingen aus exotischen Ländern und Seifen und exquisite Aftershaves wie ein Fürst. Das können wir uns erst jetzt leisten. Damals wurde eine Klinge auch noch benutzt, wenn sie längst fertig war, und statt After Shave gab es kaltes Wasser und Klopapier-Fitzelchen auf die Cuts.

goldfisch

wenn 1960 ein Adjustable ca. 10 DM gekostet hat, musste man wahrscheinlich auch (fast) einen Tag dafür arbeiten. Was wird denn ein Rasiermesser um die Jahrhundertwende gekostet haben? War das damals ein Luxusartikel?

Eugen Neter

#4
Zitat von: Elbe am 11. August 2011, 20:57:09Klingen beispielsweise waren sauteuer, wenn man das Einkommen zugrunde legt. Wie praktisch alles teurer war als heute, vom Lebensmitteln zur Bekleidung usw. Jedes Gut verlangte ein Vielfaches an Arbeitszeit als es heute dafür benötigt.
Der normale "kleine Mann" hatte auch keine Super-Duper-Luxushobel, Klingen aus exotischen Ländern und Seifen und exquisite Aftershaves wie ein Fürst. Das können wir uns erst jetzt leisten. Damals wurde eine Klinge auch noch benutzt, wenn sie längst fertig war, und statt After Shave gab es kaltes Wasser und Klopapier-Fitzelchen auf die Cuts.
Das ist so nicht richtig. Ich weiß nicht, wie alt Du bist, Elbe, aber solltest Du zu meiner Generation (Jahrgang 1949) gehören, dann wüßtest Du, daß damals - auch gemessen am durchschnittlichen Monatseinkommen - einiges billiger war. Z. B. auch Rasierklingen. Ein 10er-Päckchen Gillette-Klingen kostete seinerzeit grade mal 30 Pfennig. Und Aftershaves haben wir auch damals benutzt. Beispielsweise das erwähnte Tarr - oder Pitralon. Und was die Hobel betrifft: Da gab es bereits eine breite Auswahl - aber hier muß ich wohl keine Namen nennen, die Hobel sind aus dem antiquarischen Handel zweifellos sattsam bekannt.

Elbe

Ich bin 5 Jahre jünger als Du. Wenn man hier historische Klingenbilder sieht, dann kosteten die damals aber einen Groschen das Stück oder so. Bei einem Stundenlohn von einer Mark ist das aber wesentlich teurer als Derbys für 5 Cent das Stück heute...

Natürlich gab es After Shaves. Aber doch nicht irgendwelche abgedrehten Blenheim Bouquets, sondern die altbekannten deutschen Marken. Und auch da musste man für ein Pülleken deutlich länger arbeiten als heute, so daß da auch gern drauf verzichtet wurde.

Egal wie, eine derart große Auswahl erlesener Hilfsmittel zur Rasur, auf die wir zugreifen können, hatte man vor 50 Jahren nicht. Vor dem Hintergrund ist es Geschichtsklitterung zu behaupten, wir hielten eine alte Tradition aufrecht. Nein, wir haben ganz andere Möglichkeiten, unterschiedlichste Seifen, Cremes, Klingen, Pinsel usw. zu nutzen, und nicht das, was der Dorf-Edeka anbietet. Ich kann mich nicht erinnern, mal einen guten Dachspinsel bei meinem Vater oder Großvater gesehen zu haben. Ein olle abgeschrappte Sauborste, ein Gillette-Hobel und fertig war die Laube.

Auch wenn sich in der Retrospektive vieles verklärt, bleibt es einfach eine Tatsache, daß für praktisch jedes Ding länger gearbeitet werden mußte als heute. Schau mal, wie lange man für ein Stück Butter vor 50 oder 60 Jahren gearbeitet hat und vergleiche mit heute.

Cordy

Zitat von: goldfisch am 11. August 2011, 21:06:13
Was wird denn ein Rasiermesser um die Jahrhundertwende gekostet haben? War das damals ein Luxusartikel?

Hier hab ich mal eine alte Preisliste von Wade und Butcher gefunden, müsste etwa aus der Zeit sein,
vielleicht können die Messerexperten dazu näher Auskunft geben....
http://strazors.com/uploads/gallery/wb_page_1.jpg
Zur Information und Unterhaltung: Videosammlung * Abkürzungsverzeichnis und Glossar

Eugen Neter

Zitat von: Elbe am 11. August 2011, 21:43:58Auch wenn sich in der Retrospektive vieles verklärt, bleibt es einfach eine Tatsache, daß für praktisch jedes Ding länger gearbeitet werden mußte als heute. Schau mal, wie lange man für ein Stück Butter vor 50 oder 60 Jahren gearbeitet hat und vergleiche mit heute.
http://extranet.medical-tribune.de/volltext/PDF/2005/MT_Deutschland/50_mtd/MTD_50_S094.pdf
http://www.was-war-wann.de/historische_werte/monatslohn.html

strawinski

ich glaube der denkansatz ist irgendwie falsch...rasieren war damals ein notwendiges übel des mannes...wenn sie sich überhaupt täglich rasiert haben. die arbeiter wohl net.villeicht sonntags für die kirche...wert wurde da nicht wert drauf gelegt..wir heut und das hat nix mit internet oder handys zu tun, leben im überlfuss. wir suhlen uns in unseren 59 messern, 7 pinseln und 10 seifen...mehr, mehr, mehr...speglein, spieglein an der wand gehabe.....das die butter nur nen euro kostet und fleisch auch ist ne echte schande aber wir fressen und fressen.....was wir betreiben ist ein echtes rasierhobby, hat nichts mit jeglicher rationalität zu tun...ich kenn ne menge leute, die auch nur nen rasierer, ne seife und nichtmal nen pinsel haben, weil sie auch keinen wert drauf legen.....
Das Licht kam in die Finsternis. Doch die Finsternis begriff es nicht.

oldtimer70


An einige Preise glaube ich mich noch erinnern zu können. So um 1950 herum kosteten 10 ROTBART Extradünn Rasierklingen DM 1,00, ein Rasierseifenstick kostete 0,50 DM und ein Haarschnitt beim Herrenfrisor war für 0,60 DM zu haben und ich meine, dass eine Rasur bei diesem 0,30 DM gekostet hätte.

Maurer und Handlanger erhielten einen Stundenlohn von 0,50 - 0,70 DM brutto und ein Monatsgehalt von DM 350,00 für einen Angestellten galt schon als außergewöhnlich.

Mein erstes regelmäßiges Taschengeld erhielt ich ab 1952; es betrug 0,30 DM jeweils für eine Woche.

oldtimer70

tintin1

Laut meinem Vater hatte mein Opa ein Rasierabo beim Friseur und evtl. kein eigenes Messer. Man hat da wohl die Jahresgebühr bezahlt und ging dann einmal die Woche zum Rasieren.

Aber leider keine Ahnung wann das war.

strawinski

naja täglich konnten sich die barbierbesuche wohl nur geschäfstleute und gutverdienende angestellte leisten...also wie heute, wenn die frauen mit viel geld täglich die kosmetikrunde drehen.....sicherlich war es mehr als rasieren..eher ne kommunikationszentrale mit zeitungslesen , kaffeetrinken und nachrichten aus dem kietz bequatschen...kann mir das sehr gemütlich vorstellen, in alten amifilmen bekommt man sowas des öfters mit, vor allen in den schwarzen salons
Das Licht kam in die Finsternis. Doch die Finsternis begriff es nicht.

UbuRoy

Um 1880 bis 1920 kostete ein einfaches Gebrauchsmesser zwischen 1$ und 3,50$ bzw. 1-2 RM. Die Seifen dürften sich im Pfennigbereich bewegt haben. Die Pinsel (meist Schweineborste) so um 50 Pfennig bzw. wenige Groschen.

Die Rasur beim Barbier erfolgte in der Regel Freitagnachmittags oder Samstagvormittags. Mein Großvater nahm um 1950 herum ca. 30-50pf pro Rasur (je nach Kunde ;-).
Aber schon zu der Zeit ließen die Kundenbesuche zwecks Rasur nach, weil die meisten zu Hause begannen zu rasieren.

Um 1900-1930 herum sah das wohl noch anders aus:

Arbeiter ließen sich einmal die Woche für den Kirchgang und den Sonntag rasieren. Beamte, Apotheker, Lehrer, Offiziere gingen täglich oder hatten beim Militär sogar einen eigenen Barbier.

Verkäufer, Vertreter etc. gingen 4-7 mal die Woche zum Rasieren.
Je nach Einkommen.
Dauerkunden mit Rasierabo hatten meist beschriftete eigene Becher/Schalen, Pinsel und Messer beim Barbier hinterlegt.

Celli

#13
ich pers. glaube daß, damals wie heute, es sehr stark davon abhängt, wie viel einem das pers. auftreten wert ist.

ich kenne zb. einen sehr begüterten zahnarzt, der nach der tägl. rasur nur kaltes wasser als AS nimmt und mich, ob meines "rasurwahns" milde belächelt !                andererseits habe ich auch "finanzschwächere" freunde, welche sich die teuersten AS leisten und ganz stolz sind gut zu duften.

seinerzeit kam dann noch dazu, daß gute AS gar nicht allgemein erhältlich waren.
bei uns in A war ja schon das pitralon was besonderes, dann auch das pitrell !
"MÄßIGUNG IST FATAL. NICHTS IST ERFOLGREICHER ALS DER EXZESS."    O.W.

liebe grüße von
peter

slimboy

#14
Im ErbStg gibts zu §5, Abs. 1 gibt es eine Tabelle der "Wertsteigerung infolge Kaufkraftschwunds", die Indices für Verbraucherpreise nennt. (Siehe Schönfelder). Ich habe hier zwei Indices rausgepickt:
1960: 27,4
2008: 106,6

Nach der Tabelle waren Verbraucherpreise 2008 3,89 mal höher als 1960.

Nach  EugenN.s Tabelle Tariflohn
1960: 212 EUR
2008: 2008 EUR
sind die Tariflöhne in der gleichen Zeit um den Faktor 9,47 gestiegen.

Daraus folgt, dass der mittlere Verbraucherpreis für Tariflohnempfänger zwischen 1960 und 2008 ca. 2,5 mal günstiger geworden sind.

Mir scheint, die Preise für Rasierbedarf sind im genannten Zeitraum eher im gleichen Maße wie die Tariflöhne gestiegen.

Beispiel:
1960: 10 DE-Klingen 1 DM
2008: 10 DE-Klingen 5 EUR

Allerdings haben wir die Wahl, Derby oder Feather oder eine von 100 anderen Klingen in unseren Pils oder Wilkinson-Classic Hobel zu stecken. Mein Vater hatte im wesentlichen die Wahl zwischen Gillette oder Wilkinson für seinen Fatboy. 


Gruß, slimboy