Die Ölrasur - Grundlagen und Techniken

Begonnen von Stellar, 16. März 2011, 17:36:08

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neophyte

Zitat von: Lu-Ku am 15. März 2014, 23:06:37
So wie ich Eugen Neter verstanden habe, ging es ihm darum, dass "unser Hauptthema" nichts mit Kultur zu tun habe. Unser Hauptthema ist aber die Rasur, und nicht die Rasur mit Öl.
Ich denke, dass ist auch, was Marantha21 meinte.

Zitat von: Eugen Neter am 14. März 2014, 07:54:47
Zitat von: maranatha21 am 14. März 2014, 06:58:33Und wer wollte hier sagen, dass unser Hauptthema nichts mit Kultur zu tun hat?
Ich. Aber die Begründung würde hier zu weit führen und hätte mit Rasur nur noch sehr entfernt zu tun.

Und ich glaube, du - und manch anderer hier - haben Eugen Neter falsch verstanden. Er meinte, wie ihr mit dem Hauptthema umgeht, hätte nichts mit Kultur zu tun und die Begründung hierfür führe zu weit.

Summa summarum: Ihr schweift zu sehr vom Thema ab und werdet zu persönlich. Kleiner (inzwischen schon größerer) Kaffeklatsch eben. Aber das sagte ich bereits.

LG, Hannes





Wenn wenigstens um das Gewicht der Barthaare, die ich verloren, mein Verstand zugenommen hätte!
Frei nach Giacomo Casanova (1725-98)

hanspech

Zitat von: Siegfried Sodbrenner am 15. März 2014, 23:03:02
Zitat von: Frank OZ am 15. März 2014, 22:38:36
Besser?

Nöö.



Klar, eine "klassische" Rasur mit Schaum. Offensichtlich nicht gerade angenehm und augenscheinlich alles andere als nachhaltig. Hätte er mal ein gutes Öl probiert ...
.
..
...
"Planung ersetzt Zufall durch Irrtum."
Albert Einstein

Eugen Neter

Zitat von: maranatha21 am 14. März 2014, 06:58:33Und wer wollte hier sagen, dass unser Hauptthema nichts mit Kultur zu tun hat?
Da das eine – wenn auch rhetorische – Frage war, habe ich sie, wie das meine höfliche Art ist, beantwortet mit
Zitat von: Eugen Neter am 14. März 2014, 07:54:47Ich.
Allerdings auch mit dem Nachsatz:
Zitat von: Eugen Neter am 14. März 2014, 07:54:47Aber die Begründung würde hier zu weit führen und hätte mit Rasur nur noch sehr entfernt zu tun.
Offenbar ist das nicht jedem verständlich.

Iltis

#363
Zitat von: Frank OZ am 15. März 2014, 22:38:36
OK, ich versuche es noch einmal in möglichst kurzen Sätzen...

Besser?

Glatter Gruß, Frank

Ja, vielen Dank.

Das mit der Pinsel als Statussymbol trifft auf jeden Fall bei manchen zu, ich kann mich daran erinnern, als ich diesen Pinsel vorstellte, das ein anderen Forianer empört danach fragte, ob Klobürsten als nächstes kommen werden. Aber wie man sieht bei Diskussionen um iKon Hobeln, Gibbs Seife, gewisse "High End" Steine, undundund, diese "Fetischismus" betrifft nicht nur Pinseln.

Meine (subjektive) Einwände nach (1 mal) Ausprobieren  eine Rasur mit Öl liegen nicht daran, das ich mich lieber einschäume, sondern das ich die Rasur als ruppiger und ungründlicher als mit Seifenschaum, was ich (theoretisch) zurückführte auf ein wenig effektive Einweichungseffekt durch Öl als mit Seifenschaum. Es ist auffällig das mir als Messerrasierer auffiel, wärend ich den Eindruck habe, die Begeisterten hier eher Hobler sind. Auch Herzi schrieb
Zitat von: herzi am 14. März 2014, 10:21:51
Geht es nur mir so oder ist eine Ölrasur mit einer shavette weniger genussvoll als mit einem Hobel? Ich meine nur die Rasur. Das Reinigen nicht. Das geht bei der Shavette mit Dicherheit genußvoller weil man das Öl mit den Borsten an sauberem Klopapier abputzen kann.

Was das hier oft zitierte Verbindung zwischen Rasur und Kultur betrifft, möchte ich (zugegebermaßen OT und spitz ausgedrückt) bemerken: Die Rasur mit ein Sicherheitsrasierer ist eine Zelebration der Wegwerf und Massenkonsumkultur - K.C. Gillette erfand die Rasierklinge ganz gezielt als etwas was man ein paar mal gebraucht, dann wegwerfen muss, und sicherte für sich damit ein Markt mit garantierte Nachfrage; es ist auch bemerkenswert das obwohl Gillette bewies in die 1930er Jahre das sie in die Lage waren, Rostfreie Klingen zu produzieren, sie verkauften nur einfache Stahlklingen um ihre Umsatz zu maximieren, bis der Konkurrent Wilkinson Sword mit die Edelstahlproduktion in die 1960er Jahre anfing und drohte Gillette damit, seine Marktanteil zu wegzunehmen. Sicherlich ist eine Rasierklinge ein zufriedenstellenderer Wahl, ästhetisch sowie was der Preis und die Umweltfreundlichkeit betrifft, als ein 5-Klingen Metal-plastik-verbund-gedöns, aber es ist nach wie vor ein Wegwerfprodukt. Das sollte man sich im klaren sein, wenn man von die "klassischen Hobelrasur"  als Kulturgut schreibt. Wir Liebhaber die alte sheffielder Messer zelebrieren damit ein Artefakt das verursachte, das ihre Schöpfer selten älter als 45 wurden, meist sogar viel jünger starben. Die Liste liesse sich mit bemerkungen zu Dachshaar und einiges anderen weiterführen. Ich glaube,wir sollten es lieber lassen, mit dem Kultur...

Gruß

Iltis
de gustibus, aut bene aut nihil

Tim Buktu

Zitat von: Iltis am 16. März 2014, 17:09:08
...
Das mit der Pinsel als Statussymbol trifft auf jeden Fall bei manchen zu, ich kann mich daran erinnern, als ich diesen Pinsel vorstellte, das ein anderen Forianer empört danach fragte, ob Klobürsten als nächstes kommen werden. ...
Ich kanns nicht gewesen sein, denn der Fischer "Gold Dust" Boar ist noch immer in meiner Rotation!
Tranquilo - In der Ruhe liegt die Kraft...

PS: Alles nur meine persönliche Meinung, die sich durchaus beeinflussen lässt und sich deshalb gelegentlich auch ändert!

Frank OZ

Zitat von: Eugen Neter am 16. März 2014, 06:55:42
Zitat von: maranatha21 am 14. März 2014, 06:58:33Und wer wollte hier sagen, dass unser Hauptthema nichts mit Kultur zu tun hat?
Da das eine – wenn auch rhetorische – Frage war, habe ich sie, wie das meine höfliche Art ist, beantwortet mit
Zitat von: Eugen Neter am 14. März 2014, 07:54:47Ich.
Allerdings auch mit dem Nachsatz:
Zitat von: Eugen Neter am 14. März 2014, 07:54:47Aber die Begründung würde hier zu weit führen und hätte mit Rasur nur noch sehr entfernt zu tun.
Offenbar ist das nicht jedem verständlich.

Nur gut, dass ich bei sprachlichen Fisimatenten abschnalle. Ironie, rhetorische Fragestellungen ... herrjemine und muffelfurzteufel, wenn ich mich da auskennte, wüßt' ich weder ein noch aus. Wann ist eine Klinge scharf (wie die Feather) und wann ist sie scharf (wie die Shark)? In welcher reziprok-proportionalen Relation steht der Nachsatz bei einer rhetorischen Frage zum Vorsatz der Höflichkeit? Was muss Mann erahnen um es verstehen zu können?

Wurscht!, weil es hier um das Grundsätzliche bei der Rasur mit Öl geht und es dabei einfach so ist, dass der Pinsel auf dem Ölfeld ausrutscht und in die Tonne der überflüssigen Dinge flutscht. Die Bedeutung dieser kleinen Verklappung habe ich zumindest bisher unterschätzt. Erst als ich meinen Obelisk hervorkramte, weil ich ihn nun verschenken werde, fiel mir auf, dass so ein Wuschel mehr ist, als nur ein Gerät zur Applikation von Rasierseife. Denn wenn das alles wäre, dann würde es keine so edlen Exemplare geben mit Griffen aus fein gedrechseltem oder naturbelassenem Horn oder gar aufwändig bearbeiteten Knochen! Nein, so ein Ding signalisiert Kennerschaft, Expertise und Leidenschaft und dabei ist es egal, ob es sich um einen der Rasierpinsel von oben aus dem Regal handelt oder um einen Schäumer aus dem Drogeriemarkt um die Ecke. Mehr als alle anderen Rasierutensilien verleiht noch der geringste Pinsel seinem Herrchen Status. Meinen Obelisk in der Hand haltend kann ich gut verstehen, dass manchem die Rasur mit Öl dann wie eine halbe Sache vorkommt, weil dieses Ding "fehlt", ja, dass sich mit dem Verschwinden des Pinsels die Frage nach der Rasurkultur selbst stellt. Und das meine ich jetzt nicht mal ironisch, glaub' ich zumindest.

Glatter Gruß, Frank

Tartuffe

Zitat von: Tim Buktu am 16. März 2014, 18:18:31
Zitat von: Iltis am 16. März 2014, 17:09:08
...
Das mit der Pinsel als Statussymbol trifft auf jeden Fall bei manchen zu, ich kann mich daran erinnern, als ich diesen Pinsel vorstellte, das ein anderen Forianer empört danach fragte, ob Klobürsten als nächstes kommen werden. ...
Ich kanns nicht gewesen sein, denn der Fischer "Gold Dust" Boar ist noch immer in meiner Rotation!

Ich auch nicht: Ich liebe meinen "No. 6" von Besthave für €2 und werde ihn benutzen, bis er auseinander fällt.  :-*
Aber noch eine Frage zur Ölrasur...

Zitat von: Iltis am 16. März 2014, 17:09:08
Meine (subjektive) Einwände nach (1 mal) Ausprobieren  eine Rasur mit Öl liegen nicht daran, das ich mich lieber einschäume, sondern das ich die Rasur als ruppiger und ungründlicher als mit Seifenschaum, was ich (theoretisch) zurückführte auf ein wenig effektive Einweichungseffekt durch Öl als mit Seifenschaum.

Den Eindruck hatte ich auch. Wie umschiffen Ölrasierer denn diese Klippe? Muss man vor dem Ölauftrag länger und gründlicher Waschen und/oder Einweichen als vor dem Schäumen um die fehlende Einweichzeit auszugleichen? Wenn ich's recht verstehe, schützt das Öl ja die Haut, lässt das Barthaar aber mangels Alkalität weitgehend in Ruhe. Oder wird das Einweichen überschätzt?
Der Dachs - Ihr starker Partner, wenn's ums Schäumen geht!

Stellar

@ FrankOz
Deine Frage von wegen Kultur-Pinsel hat schon was. Haare abschaben tun schliesslich auch die Ziegen im Frühjahr. Es kommt wohl schon auf das Wie an.

Andereseits habe ich auch keine Hinweise zur Verwendung von Öl bei Ziegen. Also nur am Pinsel kann es auch nicht liegen?

shavior

Zitat von: Tartuffe am 16. März 2014, 20:29:06
Den Eindruck hatte ich auch. Wie umschiffen Ölrasierer denn diese Klippe? Muss man vor dem Ölauftrag länger und gründlicher Waschen und/oder Einweichen als vor dem Schäumen um die fehlende Einweichzeit auszugleichen? Wenn ich's recht verstehe, schützt das Öl ja die Haut, lässt das Barthaar aber mangels Alkalität weitgehend in Ruhe. Oder wird das Einweichen überschätzt?

Es ist doch afaik das Wasser, was das Haar erweicht. Die Rasierseife dient nur dazu das Fett vom Haar zu entfernen um das Wasser ins Haar eindringen zu lassen.
Das Öl hält nach dem heißen Handtuch die Feuchtigkeit im Haar und speichert Wärme (wenn man nach dem Öl nochmal ein heißes Handtuch auflegt).
Aber dazu kannst du 2 Leute fragen und bekommst 10 Antworten ;)

Wobei ich mich auf Öl als Preshave beziehe.  :angel:

maranatha21

Ich denke, dass hängt natürlich auch wieder von den sehr individuellen Gegebenheiten ab. Auch einer Seife brauche ich persönlich nicht mehr als 20 Sekunden geben und dann zupft da nichts mehr. Andere weichen ihr Barthaar 4 Minuten lang ein und haben erst dann ein zufriedenstellendes Resultat. Aber die Öle arbeiten da auch unterschiedlich intensiv. Klar weichen die auch das Haar ein, das Crew, TSS und das Cade sind nach meiner Erfahrung ziemlich gut darin. Vermutlich muss man auch mit dem Öl einfach erst einmal heraus finden wie lange für einen selber genug ist. Pauschal lässt sich auch hier sowieso nichts sagen.

Lu-Ku

ich hatte heute Abend mal wieder eine wunderbare, ölfreie Hobelrasur, wie sie besser nicht sein könnte :D
Und da ich mich beim Rasieren nicht mit meinem Hobel unterhalte (nein, mein Hobel spricht nicht zu mir!)
nutze ich die Stille für eigene Gedanken...diesmal kreisten sie um die Rasur mit Öl, Anfänge der Rasur, Öl kontra Schaum etc. und ich merkte ziemlich bald, dass mein historisches Wissen doch einige Lücken aufweist.
Ich geh mal davon aus, dass man sich in der Anfangszeit der Rasur sehr wohl mit Hilfe von öl- oder fettartigen Substanzen rasiert hat, oder? Wann ging Mann dann eigentlich dazu über, Seife zu benutzen, die ja dann letztendlich das Öl bis auf gewisse Randerscheinungen verdrängt haben muss? Ich meine, jahrhundertelang wurde sich (bis der Schaum aus der Dose aufkam) nahezu ausschließlich mit Schaum aus Seife oder Creme rasiert, und da waren früher ja schließlich zum großen Teil auch Profis am Werk, warum haben die Barbier-Profis der letzten paar Hundert Jahre die hier geschilderten enormen Vorteile von Rasuröl nicht genutzt und stattdessen ihre Kunden mit Schaum barbiert? Profis nehmen immer das beste und effektivste Werkzeug, oder nicht? Das mit dem Pinsel als Statussymbol habe ich zumindest dem Sinn nach verstanden, Profis dürfte aber auch das ziemlich egal sein. Und wie sieht es heute in den Kulturkreisen aus, in denen Männer immernoch für die Rasur einen Barbier aufsuchen? Ich hab mal bei youtube geschaut, aber nur Schaumrasuren gefunden. Haben die denn alle den Schuss nicht gehört? Versteht mich nicht falsch, mir geht es nicht gegen die Ölrasur, ich frag mich halt bloß, wenn sie so gut ist, warum rasieren sich dann geschätzte(!) 99% der Nassrasierer mit Schaum?
Das schönste aller Geheimnisse: ein Genie zu sein und es als einziger zu wissen. (Mark Twain)

maranatha21

Seife verwöhnt die Sinne, ist ein liebgewonnenes Ritual und ist in ihren Rasureigenschaften für die weitaus meisten Nassrasierer ausreichend gut, um eine zufriedenstellende und stressfreie Rasur zu bewerkstelligen. Das mit den 99% ist allerdings sehr unrealistisch geschätzt. Wenn Du all diejenigen abziehst, die ein Pre egal in welcher Form benutzen, dann landest Du vielleicht noch bei 60%, die eine reine Seifenrasur anwenden. Bei Öl als Pre bin ich nach wie vor der Meinung, dass ab dem Zeitpunkt des Pres bereits eine Ölrasur angewendet wird, ganz gleich, was man sich noch so auf die Ölbasis alles drauf macht. Im allgemeinen wird das aber dann immer als Seifenrasur gezählt, obwohl gar nicht sicher ist, ob es eine ist.

shavior

@Lu-Ku ohne es aus eigener Erfahrung zu kennen: es ist doch nicht unüblich dass Barber das heiße Handtuch mit ätherischen Ölen beträufeln? Man kann natürlich argumentieren, dass das nur aus Duftzwecken ist, aber denkbar wäre eben auch der Zweck als Preshave. Ob man das Öl nun per Hand ins Gesicht tut und danach das Handtuch drauf oder gleich das "geölte" Handtuch ins Gesicht ist ja eigentlich egal.
Früher denke ich hatte man keine so hochwertigen Öle wie heute... Und schon gar nicht so günstig. Noch dazu wurden damalige Öle eventuell schnell ranzig, was Lagerung problematisch machte.

Stellar

Interessante Diskussion. dh:

Ich habe mich mal professionell mit Seife rasieren lassen. Mache ich nie wieder! Ein paar Tage Rasierpause waren danach angesagt. Naja vielleicht, wenn der Barbier meine Seife verwendet hätte... ;)
Meine Haut konnte jedenfalls mit der professionellen Methode gar nicht.
Ich denke, glaub wie Maranatha21, die Haut, Haare (oder die Person) ist der ausschlaggebende Faktor, ob man Ölrasur mag/braucht.

Frank OZ

Zitat von: Lu-Ku am 17. März 2014, 01:20:27
... Ich geh mal davon aus, dass man sich in der Anfangszeit der Rasur sehr wohl mit Hilfe von öl- oder fettartigen Substanzen rasiert hat, oder? Wann ging Mann dann eigentlich dazu über, Seife zu benutzen, die ja dann letztendlich das Öl bis auf gewisse Randerscheinungen verdrängt haben muss? Ich meine, jahrhundertelang wurde sich (bis der Schaum aus der Dose aufkam) nahezu ausschließlich mit Schaum aus Seife oder Creme rasiert, und da waren früher ja schließlich zum großen Teil auch Profis am Werk, warum haben die Barbier-Profis der letzten paar Hundert Jahre die hier geschilderten enormen Vorteile von Rasuröl nicht genutzt und stattdessen ihre Kunden mit Schaum barbiert? ...

Lieber Lu-Ku: Genau das ist die Frage, die ich mir stelle, seitdem ich der täglichen Ölung verfallen bin. Ich hatte gehofft, in Frank Gnegels ,,Bart Ab" eine Antwort darauf zu finden, wann die Seife Einzug in die Barbierstube gefunden hat, aber außer einer allgemeinen Verortung irgendwann im 17. Jahrhundert bin ich nicht fündig geworden. Hier seine Seite zum Stöbern: http://www.gnegel.de/bartrasur.htm.

Auch Norbert Elias (,,Über den Prozess der Zivilisation") oder Thorstein Veblen (,,Theorie der feinen Leute") sagen nichts zur Rasur, aber ich erdreiste mich mal, deren Ergüsse als mögliche Hinweise dafür zu nutzen, wie es gewesen sein könnte. Mal sehen, wo ich lande (ohne mich mit meinem Geleibten 11er darüber zu unterhalten)...

Alles was mit der Verfeinerung der menschlichen Sitten zu tun hat, scheint in der Renaissance begonnen zu haben. Ob Tischmanieren, Kleiderordnung oder die Sprache selbst, seit ca. Mitte des 15. Jahrhunderts ergehen sich die Leute in immer genaueren Differenzierungen (,,vive la difference" hat eben auch einen ganz realen Anspruch). Was das vor allem bedeutet ist, dass die überlieferte Nummer, alles mit (verdreckten) Händen direkt anfassen und sich zuführen zu müssen, abgeschafft wurde. Der ziselierte Gebrauch von Messer und Gabel, und die mit deren Gebrauch einhergehende Etikette sind wohl das beste Beispiel für die Abkehr von archaischen Sitten und Gebräuchen.

Die Rasur mit Öl gehört sicher der Frühgeschichte an und wird zu Zeiten, in denen die Leute vor Dreck und Schweiß strotzten, sich die Läuse einzeln aus den Haaren knackten und das Bad noch Teufelswerk war sicher nicht als angenehm empfunden worden sein. Spack auf Spack, nein Danke. Samuel Pepys hat am 25. Mai 1552 notiert, dass er sich täglich mit Bimsstein rasiert habe, eine Methode, die schon im antiken Rom bekannt war. Seine erste ,,eigenhändige Rasur" (mit Seife?), die ihm Geld und Zeit spart, protokolliert er am 6. Januar 1664.

Mit der Verbreitung der Badekultur und der irgendwann dazugehörigen Seife wird die Rasur sicher angenehmer geworden sein. Öl war vielleicht als Rasierhilfe gar nicht mehr präsent und woher hätte das Öl kommen sollen? Frühe Ölmühlen in Deutschland datieren auf 18hundert irgendetwas; Öl wird vermutlich erst einmal für alle möglichen Zwecke Verwendung gefunden haben, bevor irgendjemand an eine Rasur damit gedacht hätte, die den Leuten dann immer noch als ein Relikt aus der primitiven Frühzeit vorgekommen wäre. Öl für die Rasur war höchstwahrscheinlich total out, Seife hingegen völlig logisch.

Und den Gebrauch von Seife haben wir nun jahrelang gnadenlos kultiviert und zelebriert. Veblen würde, läse er hier mit, seine Theorie vom ,,Geltungskonsum" bestätigt sehen, bei dem es um ,,auffälliges, auf öffentliche Wirksamkeit zielendes, güter(ver)brauchendes Handeln" (Wikipedia) geht. Ich finde, dass das besonders auf Pinsel und Seife zutrifft, weil diese Dinge sich besser verbrauchen lassen und erst mit Einführung der amerikanischen und asiatischen Edelstahlvarianten nun auch die Hobel betrifft. Diese Dinge, so Veblen, sollen den sozialen Status darstellen oder erhöhen ... nun, wer hier wüsste nicht, was gemeint ist?

Und jetzt versuche ich mal die Kurve zu kriegen und endlich Lu-Kus Frage zu beantworten. Dazu nochmals die Wikipedia: ,, Hinter dem demonstrativen Konsum steht in der Regel ein Wertesystem, das davon ausgeht, dass das eigene Sozialprestige vor allem vom materiellen Lebensstandard abhängt.

Dagegen werden in anderen gesellschaftlichen Kontexten (z. B. häufig unter Intellektuellen, in der Alternativbewegung oder in Kreisen der so genannten Bohème) andere Werte als relevant für das eigene Ansehen erachtet, so z. B. Bildung, Kreativität oder der individuelle Lebensentwurf (Postmaterialismus)."

Flott formuliert. Aber egal, denn mit Letzterem kriegen wir's zu tun, spätestens wenn bei der ,,Generation Y" der Bartwuchs einsetzt. Für die Jungs könnte die Rasur mit Öl eine wesentlich höhere Bedeutung bekommen, als die hier gepflegte und propagierte, traditionelle Beschäumung. Das KISS der Rasur mit Öl – keep it simple stupid – passt ins Bild. So gesehen ist die Rasur mit Seife ein über Generationen selbstverständlich eingeübter ,,Workflow", dessen einzig erkennbarer Nachteil ein immer mal wiederkehrender Rasurbrand ist.

Die Rasur mit Öl könnte einen kleinen Traditionsbruch mit sich bringen und deswegen zu anderen, als Hautirritationen führen.

Glatter Gruß, Frank