eine Schärfanleitung

Begonnen von Senser, 05. Mai 2008, 01:44:31

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titanus

Ich frage mich immer, ob Mann sich das wirklich antun muß.

???

dr:

titanus
Es ist sinnlos, von den Göttern zu fordern, was man selber zu leisten vermag.

Epikur

Norsad

Moin,

doofe Frage vielleicht, aber braucht man die 2 Kombisteine 800/5000 und 3000/8000 oder würde der 800er Kombistein schon genügen, wenn man noch nie "professionell" geschliffen hat?

Sparschäler reloaded

Nee, der 800 ist nicht fein genug. Der ist für's Grobe. Dennoch ist das der Stein für den wichtigsten Schritt: Damit setzt Du die Facette, die du dann mit immer feiner werdenden Körnungen polierst, bis die Schneide rasurbereit ist. Die Antwort auf Deine Frage nach den Kombisteinen lautet: Ja, Du brauchst alle.

Grosser

...und darüber hinaus noch einen Abschluss-Stein. Alter Thüringer, Japaner, Naniwa 10k oder oder oder
Viele Grüße, Christoph

hansgruber2

Ist, ausgehend von Sensers Empfehlung der 800/5000 + 3000/8000 Kombination, ein so feiner Stein wirklich notwendig oder eher Teil des "obeswohlnochbessergeht Virus"?

Nebenbei: Vielen Dank für die ausführliche Anleitung Senser! Die wird mir sicherlich noch gute Dienste leisten!

Senser


lubob

Vielen Dank an Senser und all die anderen hier mit ihren bodenständigen Beschreibungen. Ich habe vorgestern zum ersten Mal ein Rasiermesser geschärft und dank Euch ging das auf Anhieb völlig problemlos von statten.

Um anderen Mut zu machen, hier ein kleiner Erfahrungsbericht:

Meine bisherige Schärferfahrungen umfassten ausschließlich Küchenmesser mit einem 5€-Ikea-Schärfgerät und einem Wetzstahl. Als Einsteiger in die Rasiermesserschärferei kam bei mir nach dem Lesen vor allem der entsprechenden Beiträge im Nachbarforum ungefähr folgendes an: Es handelt sich beim Schärfen von Rasiermessern um eine Geheimwissenschaft, die jahrelange Übung braucht und ohne Mikroskop und ohne magische Steine und Sprays wird das nie etwas...

Nachdem ich dann hier auf die Beschreibung von Senser und die nachfolgenden Beiträge gestoßen bin, sah das schon ganz anders aus.

Zwei Sachen sind bei mir hängen geblieben:

- Sensers Aussage, dass die Hauptarbeit auf dem 1000er gemacht wird und der Rest nur polieren ist.
- Diverse Kommentare von Leuten, die schrieben, dass "viele Wege nach Rom" führen.

Und so ging es aus:

Ich habe mir mein GD66 genommen, dass ziemlich stumpf war. Es hatte kleine Scharten von vielleicht 0.05 mm im mittleren Teil der Klinge und war so stumpf, dass ich damit nicht mal mit kratzen / schaben Haare am Unterarm weg bekommen habe.

Nach dem lesen der ganzen Diskussionen darüber, ob es sinnvoll ist, den Rücken abzukleben oder nicht und ob das die Steine verklebt oder nicht, dachte ich, ich versuche es einfach mal. Also wurde der Rücken mit normalem Isolierband abgeklebt und ab ging es auf den 1000er Naniwa SS.

Bei meinen ersten Versuchen mit Klinge über den Stein ziehen hatte ich das Gefühl, dass das gar nichts bringt. Dann habe ich es mit schieben versucht, aber das war auch nicht so das wahre. Dann habe ich angefangen, ein paar Minuten lang zu experimentieren. Einhändig, zweihändig, ganz gerade, in leichten Bögen ...

So  ganz genau kann ich auch nicht sagen, was mein Kriterium war. Ich würde es am ehesten als "suchen, was sich gut anfühlt" beschreiben.

Wie dem auch sei, nach etwa 10, 15 Minuten hatte ich meine Technik gefunden: Einfach auf gerade Weg vor und zurück. Die Finger hatte ich sanft aber bestimmt auf der Schneide, eher in Richtung Kopf, um über den Druck dem Gewicht des Griffs entgegen zu wirken.

Auf dem Stein bildeten sich dann gleichmässige Schleifspuren (das konnte ich auch sehr gut durch den Druck der Finger beeinflussen), auf der Facette bildeten sich schöne gerade Schleiflinien und mithilfe der Lupe (20x von Eschbach) konnte ich leicht sehen, wie die Mikro-Scharten kleiner wurden.

Um es mir einfacher zu machen, habe ich in kleiner werdenden Intervallen geschärft. Also eine Seite 20 mal, dann die andere 20 mal. Dann 10/10, 5/5, 3/3, 2/2, 1/1.

Wegen der Mikroscharten habe ich am noch ein paar mal die letzten kleinen Sequenzen wiederholt und dann war gut. Als die Mikroscharten schließich ganz verschwunden waren, war auch der Haartest über die gesamte Klingenbreite bereits problemlos möglich.

Danach ging es ans polieren. 5000, 8000, 10000, bis keine Riefen mehr zu sehn waren und die Facette schön glänzte. Da habe ich dann gemerkt, dass man eigentlich nicht mal eine Lupe braucht Wenn man in sehr gutem Licht (Schreibtischlampe) die Facette hin- und her dreht, sieht man die vom 1000er verursachten Riefen bzw. deren weniger-werden beim Polieren auch mit bloßem Auge. Ich würde die Lupe aber trotzdem empfehlen, sie gibt einem doch erheblich mehr Sicherheit.

Das Klebeband am Rücken hat sich übrigens nicht nur nicht aufgelöst, sondern hat überhaupt keine nennenswerten Beschädigung erfahren. Was mich nach ein paar Minuten aber auch nicht mehr gewundert hat. Schließlich übt man auf dem Rücken ja keinen Druck aus, da liegt ja fast nur das Eigengewicht des Messers auf.

Danach habe ich das GD noch mal ca. 50 mal je Seite auf dem Stoffgurt abgezogen und dann noch mal genau so viel dem Leder. Jetzt hat das Messer die Haare auf meinem Unterarm über die gesamte Klingenbreite in der Luft abgeschnitten. Und dann erst die Rasur ... genial!

Mag sein, dass man mit jahrelanger Erfahrung noch ganz andere Schärfen hin bekommt, aber ich kann nur sagen: Für mich war das so schon mal ein sehr zufriedenstellendes Ergebnis.

Vielen Dank nochmal für eure praxisorientierten Hinweise, die mir die Zuversicht gegeben haben, dass man auch als Normal-Mensch einfach mal anfangen kann.

Der einzige Tip, den ich als Anfänger anderen Anfängern vielleicht geben könnte, ist: Vergesst die Uhr. Ich habe für mich gleich zu Anfang gemerkt, dass es ein Fehler wäre, schnell fertig werden zu wollen. Aufmerksam sein und sich auf Material und Werkzeug einzulassen und dem Bewegungsablauf nachzuspüren, scheint mir der Schlüssel zu sein.

Scharf wird das Messer dann von ganz alleine.

alvaro

Schöner Bericht.
Ich habe vergleichbare Erfahrungen gemacht.
Man muss ohne Angst (aber am besten nicht mit dem besten Messer :D) an die Sache ran gehen.
Die Sache mit der Uhr stimmt zu 100% einfach die Zeit vergessen
Erst einmal üben und den richtigen Weg für sich selbst suchen.
Ich war sehr überrascht wie schnell es einem gelingen kann ein annehmbares Ergebnis zu erzielen.
Ich hatte das Glücke meine Messer von einem erfahrenen Mitglied des Forums testen zu lassen.
Das hat mir zusätzliche Sicherheit gegeben.

Senser

Zitat von: lubob am 30. Oktober 2016, 18:13:23

.... Aufmerksam sein und sich auf Material und Werkzeug einzulassen und dem Bewegungsablauf nachzuspüren, scheint mir der Schlüssel zu sein.

Scharf wird das Messer dann von ganz alleine.

Find ich super. Da hat jemand sehr aufmeksam gelesen und gleich erfasst worauf es ankommt.

Zitat von: lubob am 30. Oktober 2016, 18:13:23
.... im Nachbarforum ungefähr folgendes an: Es handelt sich beim Schärfen von Rasiermessern um eine Geheimwissenschaft, die jahrelange Übung braucht und ohne Mikroskop und ohne magische Steine und Sprays wird das nie etwas...


Schreiben die das wirklich? Was für ein Blödsinn. Sowas können nur Leute behaupten, die Ihre Finger zuvor nur zum Nasebohren benutzt haben.  ;D
Gruß Senser

Afonis69

Hallo
Verstehe ich das richtig, dass es nicht weiter schlimm ist wenn das Messer einen krummen ( 1mm )Rücken hat? Ich war bisher der Meinung, dass der Rücken auf der gesammten Schneide zur Führung gebraucht wird... :o

Senser

Da hast Du bestimmt etwas falsch verstanden. Wenn der Rücken krumm ist, also auf der einen Seite nur an Kopf und Erlseite aufliegt, auf der anderen Seite folglich nur in der Mitte, dann musst Du ganz anders vorgehen, weil sich, wenn Du die gesamte Klingenlänge als Auflage benutzt, die Facette sehr ungleichmäßig ausbilden würde.
Dann mußt Du die Steine hochkant stellen, damit Du eine möglichst schmale Auflagefläche hast.
Aber das ist eigentlich schon was für erfahrene Schärfer und würde einem Einsteiger nur Frust bereiten.
Gruß
Senser

Afonis69

Folglich lasse ich den Rücken unbehandelt?

Rockabillyhelge

Auch mit Bart immer gut rasiert :)

Afonis69

Wenn ich beim Schleifen an der Kopfseite den Rücken leicht anhebe, habe  ich nichts was mir zur Führung dienen könnte?

Elias

Doch...deine aufliegenden Finger. Aber ist, wie oben schon erwähnt, eigentlich für die ersten Erfahrungen mit dem Schärfen...sagen wir mal...sehr ambitioniert.
Gruss
Elias