Selbstgeschmiedetes Rasiermesser (Hohlschliff)

Begonnen von neon, 05. September 2010, 19:53:22

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Kirk


Drei

Zitat von: Geier0815 am 06. September 2010, 14:28:28
Das mit dem "Ausweichen" kommt von den Berichten über keramische Klingen die ganz schnell aufgegeben wurden weil man sich damit wohl nur geschnitten hat. Ich bin mir aber nicht sicher ob das Messerklingen oder Hobelklingen waren.
...
Das hab ich auch schon mal gehört. Mein Verdacht ist, das die keramischen Klingen einfach deutlich schärfer waren als die gewohnheitshalber verwendeten Vergleichsklingen. Wenn ich mir nach langer Hobelei mit sanftmütigen Klingen eines frühen Morgens eine Feather light blade in den Kai spanne, ist das Resultat ähnlich: jeder Ansatz ein leichter Schnitt.
Aus meiner Sicht gibts nur einen Ausweicher, die Haut.

Kirk

Was auch immer der Grund war, die Schärfe kann es nicht gewesen sein. Keramische klingen können aufgrund ihrer Korngrößen nicht einmal ansatzweise so scharf werden wie gute Stahlklingen.

Buddel

Zitat von: neon am 06. September 2010, 12:03:52
Das mit der Wölbung habe ich schon gehört, aber noch nie als Grafik so gesehen. Danke. Mich würde interessieren, welche Vorteile das bringt und wieso. Nicht aus ketzerischen Gründen, sonder weil es mich einfach interessiert. Ich weiß einfach nicht, wieso hier ein Vorteil vorliegt und wie dieser zustande kommt und diese Wissenslücke würde ich gern schließen.

Ich will die Disskussion aus dem anderen Forum auch mal hierher holen, weil hier mehr Feedback kommt und man auch sinnvoll Grafiken einbinden kann  ;)

Auf obige Frage habe ich wie folgt geantwortet: Die Antwort lautet meiner Meinung nach, dass eine ohne Wall sehr dünn ausgschliffene Klinge zu flexibel und nachgiebig wird. Die gesamte Klinge wird zu labil und setzt dem Barthaar nicht genug Wiederstand entgegen. Eine so geschliffen Klinge würde bei einer größeren Klingenbreite nicht mehr funktionieren.

Bei einer Klinge mit Wall kann ich (wenn es richtig gemacht ist), zweierlei erreichen. Zum einen ist die Klinge unterhalb der Seele insgesamt leicht flexibel und gibt leicht nach (die Seele kann hier in etwa wie ein Scharnier verstanden werden).
Zum anderen wird aber die Dünnung direkt an der Schneide durch den Wall gestützt. Somit erreicht man trotz der Nagelgängigkeit und der damit einhergehenden eher punktuellen Flexibilität der Klinge eine genügenden Stabilität für die Rasur.

Insgesamt etwas schwierig zu beschreiben. Zeigen wäre einfacher. Ich kenne aber nur sehr wenige Messer, bei denen die Seele auch tatsächlich so dünn geschliffen wurde, dass der beschriebene Effekt zum tragen kommt. Meist erschöpft sich das ganz in der Nagelgängikeit der Messer.


Daraufhin wurde auf folgende Passage in diesem Buch verwiesen: http://daten.digitale-sammlungen.de/~db/bsb00008945/images/index.html?projekt=0000000000&id=00008945&fip=92.227.36.223&no=6&seite=23

Dort steht nun:

Und das sehe ich teilweise eben nicht so. Wenn die Seele des Messers nicht wirklich elastisch geschliffen ist, braucht man auch gar keine. Das versuche ich an folgenden Bild eines halbholen Messers zu zeigen:


Denn auch mit einem halbholen Schliff kann ich unmittelbar im Schneidbereich die Eigenschaften erreichen, die ein vollhohles Messer im Bezug auf den Wall hat (rote Linien). Insbesondere ist nicht festzustellen, dass die Klinge wesentlich schneller in einen dickeren Bereich übergeht. Der Schärfaufwand dürfte also zumindest so lange vergleichbar sein, bis ich mit dem vollhohlen Messer wieder im Bereich der Seele ankomme. Wer schleift aber seine Messer so weit runter?
Nur wenn die Seele zu einer weiteren Flexibilisierung der Klinge beiträgt (blaue Zeichnung), gibt es eine funktionelle Berechtigung für vollhohl geschliffene Messer. Wie seht ihr das?
Mit dem Messer, rasiert sichs besser.

UbuRoy


neon

Ich kann dem nicht so ganz folgen. Also wenn ich es richtig verstanden habe, dann ist ein vollhohler Schliff nur dann sinnvoll und gut, wenn die Seele felxibel ist. Wenn man dies aber nicht machen kann, dann ist es besser eine halbhohle Klinge zu haben, da diese die ähnliche Eigenschaften hätte wie eine vollhohle Klinge und bessere wäre wie eine vollhohle Klinge mit dicker Seele.

shaved

@Buddel: Das war als Anwort für den Fragesteller, nicht als Korrektur
deines Posts, gedacht. Wenn ich es richtig lese, stimmt dir der Author
im Bezug auf die Seele zu, er spricht von einer leichten Vibration der
Wölbung und 3 Seiten später von einer festelastischen Wölbung, geht
also von einem flexiblen Verhalten aus. Am Kopf sollte das stärker
sein, als am Ansatz.

Von einer papierdünnen Klinge ohne Wall, würde ich ein anderes
Verhalten auf dem Daumennagel erwarten (längeres Perlchen). Keine
Ahnung wie sich das anfühlt, so ein Messer habe ich nicht.
Stumpfe Messer schärft man. Schleifen ist etwas anderes.

Iltis

Ich habe mir oft Gedanken gemacht über der Sinn von der Wall bei vollhohle Messer, und denke auch, es dient lediglich der Stabilität. Da würde mich sehr der Meinung vom Herrn Wacker interessieren (Harry...). Der Sinn von extrem Hohle Messer beschäftigt mich auch immer wieder - durch ein Hohlschliff wird, wie Buddel bemerkte, die Facettenbreite reduziert und der Scharfhaltung erleichtert, aber das ganze so auf die Spitze zu treiben das man wieder stabilisierenden Massnahmen mit einschleifen muss - warum macht man das?
Die Tatsache, das es hier eine Debatte, ob Rasiermesser tatsächlich flexibel sein können lässt mich denken, das eine solche  Wahrnehmung eher Subjektiv ist, und nicht wirklich Anlass für so ein Aufwand sein kann. Der Klang? weiss ich nicht, aber kann ich mir nicht vorstellen. Ich glaube, die Erklärung liegt bei der Handwerker selber - man hat es gemacht weil man es (ermöglicht durch die Hexe) konnte, und zeigte damit sein Geschick - sowas sieht man auch bei die unnötige, aber oft sehr schöne Verzierungen bei hochwertige Seiteninstrumente, z.B., oder auf ganz profane Art und Weise im Baumarkt wo man eine Haustürglocke der in der Lage ist, 25 Melodien zu spielen kaufen kann. Braucht kein Mensch, aber weil es machbar ist, wird es gemacht.
Ich bevorziehe eher 1/4hohl bis derbe Messer, würde aber nie behaupten das das eine sachlich begrundbare Vorliebe ist - ich mag sie einfach lieber.

Gruß
Iltis
de gustibus, aut bene aut nihil

Senser

Zitat von: Iltis am 08. September 2010, 17:02:56
.... Der Klang? weiss ich nicht, aber kann ich mir nicht vorstellen. Ich glaube, die Erklärung liegt bei der Handwerker selber - man hat es gemacht weil man es (ermöglicht durch die Hexe) konnte, und zeigte damit sein Geschick...
Ich habe das schon mal irgendwo ausführlich versucht zu erklären, und auch hin diesem Thread wurde es schon erwähnt.
Es geht bei einer vollhohlen Klinge eben nicht nur um die Machbarkeit. Es kann doch wohl niemand im Ernst glauben, dass die Erfindung der Hexe und damit auch die Einführung der heutigen Hohlschliff Geometrie nur um der Machbarkeit willen entstanden sind.
Die Vibrationen (Resonanzen) der Klinge resultieren aus Spannung und Entspannung im Bereich der Seele. Spannung beim Einschneiden des Barthaares und Entspannung beim Durchtrennen. Diese Energie, die beim Entspannen ist zum Durchtrennen des nächsten Haares wieder von Nutzen.
Gruß Senser

Iltis

@Senser: Die Erfindung der Hexe fand sicherlich nicht statt um extrem hohlgeschliffene Messer zu ermöglichen, vielmehr um die Produktionsprozess zu erleichtern, so wie es bei die meisten Erfindungen im industriellen Bereich (die Espressomaschine war angeblich erfunden, um Kaffee schneller machen zu können, erst später fand man heraus, das  die Kaffee so ganz anders schmeckte). Gab es die Hexe, waren ganz dünne Messer mit Seele möglich - vorher nicht oder nur extrem umständlich zu produzieren.  Dein Theorie zu die Verformung in Die Klinge kenne ich, glaube aber nicht - die Resonanzen in die Klinge sind eher lateral (die Klinge verbiegt sich) als das die Klinge verstaucht wird - eine deformation in die Breite des  Messer dürfte kaum messbar sein, und reicht beim entspannung sicherlich nicht biszum nächsten Bartstoppel. Deswegen auch der Klang - die Klinge vibriert  wie die Membrane eines Lautsprechers.
Hohlgeschliffene Messer sind einfacher zu schärfen als Derben, aber extrem Hohlgeschliffene sind wiederum schwieriger als normal Hohlgeschliffenen, weil das Material so flexibel ist, sind also nicht wirklich besser. Warum man die so macht? vielleicht sollte man wirklich der Herr Wacker fragen - er ist der Letzter seiner Zunft, und wenn er es nicht weiss, weiss es wirklich keiner.
Gruß
Iltis
de gustibus, aut bene aut nihil

neon

Die Frage ist doch auch, ob er es verraten wird. Stell dir vor er sagt, dass die Seele nichts bringt und einfach bedingt durch die Schleifhexe entsteht und es eben mit der Schleifhexe schneller geht und sonst keinen Vorteil hat. Dann wäre ein Mythos tot und es würde im selber Schaden. Egal was nun stimmt, wirklich erfahren wird man es nicht.

harrykoeln

Ich hab da noch nie dran geglaubt, das das Metall ein hohlen Messers auf Seite hüpft, wenn da ein Pickel oder eine Unreinheit der Haut des Wegs kommt, aber es Haare schneidet.
Das es singt und klingt, das sind natürlich Schwingungen, keine Frage. Aber mal im Ernst, über welche Schwingungsamplituden reden wir denn hier? Ne Stimmgabel siehste ja auch nicht winken.

Selbstverständlich entstand die Schleifhexe nicht, weil sie technisch machbar war. Das waren ganz strenge Rationalisierungsgründe. Zum Einen stellte es eine technische Innovation dar, man konnte filigraner arbeiten. Zum andern hat diese Schleifhexe hat viele Dinge ermöglicht oder vereinfacht. Da ist zunächst einmal der Hohlschliff als solches. Er konnte mit diesen Maschinen eben in gleichbleibender Qualität in einem kürzeren Zeitraum erzeugt werden.
Die Rohlinge konnten materialsparender geschmiedet werden. Dadurch allein erreichte man für den Produktionsprozess schon zwei wesentliche Vorteile. Einsparung von Materialkosten und Bearbeitungszeit, denn es musste ja auch nicht mehr so viel Material weggeschliffen werden. Sprich: größere Stückzahlen in kürzerer Zeit zu geringen Kosten. Mann kann dem Kunden bessere Qualität zu geringern Preisen anbieten, das ist der Klassiker der Rationalisierung, darum macht Mann doch den ganzen Shyce überhaupt.
Von romantischen Beweggründen muss Mann sich verabschieden, das waren knallharte Kostengründe, denn die Konkurrenz war groß und schlief nicht.

Extrem hohl geschliffene Messer müssen noch soviel Stand haben, das der dünnste Bereich der Hohlung das Biegemoment aufnehmen kann, das bei der Arbeit auf dem Stein entsteht. Das Ganze auch noch in gleichmäßiger Stärke über die gesamte Klinge, DAS war die Kunst des Hohlschleifers, die Kunst des Handwerks. Denn nur dann hat das Messer einen glockenreinen, nicht scheppernden Klang. Den haben zu dünn geschliffene Messer natürlich auch, doch biegt der Wall sich beim Schärfen vom Stein weg, war das Messer schlicht und ergreifend Ausschuß.
"The two most common things in the universe are hydrogen and stupidity.
There is more stupidity around than hydrogen, and it has a longer shelf life."
Frank Zappa (1940-1993)

Iltis

Zitat von: harrykoeln am 27. September 2010, 08:34:26
...Das waren ganz strenge Rationalisierungsgründe. Zum Einen stellte es eine technische Innovation dar, man konnte filigraner arbeiten. Zum andern hat diese Schleifhexe hat viele Dinge ermöglicht oder vereinfacht. Da ist zunächst einmal der Hohlschliff als solches. Er konnte mit diesen Maschinen eben in gleichbleibender Qualität in einem kürzeren Zeitraum erzeugt werden...
...Mann kann dem Kunden bessere Qualität zu geringern Preisen anbieten, das ist der Klassiker der Rationalisierung, darum macht Mann doch den ganzen Shyce überhaupt.
Von romantischen Beweggründen muss Mann sich verabschieden, das waren knallharte Kostengründe, denn die Konkurrenz war groß und schlief nicht.

...Das Ganze auch noch in gleichmäßiger Stärke über die gesamte Klinge, DAS war die Kunst des Hohlschleifers, die Kunst des Handwerks. Denn nur dann hat das Messer einen glockenreinen, nicht scheppernden Klang....

Sehe ich genau so wie du, Harry, aber was ist deine Meinung extrem hohlgeschliffene Messer gegenüber? sind sie qualitativ besser als 3/4 hohl? ich würde sagen, nein - sind sie leichter zu schärfen? ich würde wieder nein sagen - rasieren sie besser? auch nein - sind sie aufwendiger und zeitintensiver zu produzieren? zweifellos, und das ist, rein ökonomisch gesehen, ein Nachteil. Warum zum Teufel werden sie gemacht? ich komme nur auf eine ästhetische Grund - manche finden sie schöner als herkömmliche Messer, und sind Bereit, der Mehrwert der durch die Produktion entsteht zu bezahlen.

Gruß
Iltis
de gustibus, aut bene aut nihil

harrykoeln

Zitat von: Iltis am 27. September 2010, 09:02:14
...
Sehe ich genau so wie du, Harry, aber was ist deine Meinung extrem hohlgeschliffene Messer gegenüber? sind sie qualitativ besser als 3/4 hohl? ich würde sagen, nein - sind sie leichter zu schärfen? ich würde wieder nein sagen - rasieren sie besser? auch nein - sind sie aufwendiger und zeitintensiver zu produzieren? zweifellos, und das ist, rein ökonomisch gesehen, ein Nachteil. Warum zum Teufel werden sie gemacht? ich komme nur auf eine ästhetische Grund - manche finden sie schöner als herkömmliche Messer, und sind Bereit, der Mehrwert der durch die Produktion entsteht zu bezahlen.

Gruß
Iltis
Da sind wir völlig einer Meinung.
MEINER MEINUNG nach wurden 3/4, halb hohle und derbe Messer dann vielleicht noch produziert, um den gesamten Markt bedienen zu können, und weil vielleicht ein jeder "Alte" noch so seine Vorlieben hatte. Und natürlich aus rein optischen Gründen. Vielleicht auch aus angeberischen Gründen? Oder weil Mann es so gewöhnt war und nix anderes mehr wollte so nach dem Motto: "Ach geh doch weg mit dem neumodernen Mist"? Der eine Grund mag genauso richtig oder falsche sein, wie jeder andere auch, oder auch von jedem ein bißchen oder ein bißchen nicht. Vielleicht haben sich die Leuts auch nur montags gern mit nem hohlen, dienstags mit nem halbhohlen, mittwochs mit nem derben rasiert, weiss Manns? Geht der Grad des Wissens gegen Null, geht der der Spekulation gegen unendlich und so lasst uns mit Spekulationen den Tag rum kriegen, ist doch auch schön.   ;D ;D

"The two most common things in the universe are hydrogen and stupidity.
There is more stupidity around than hydrogen, and it has a longer shelf life."
Frank Zappa (1940-1993)

neon

Ich wollte euch ja auf den laufenden Halten wie es mit dem Messer usw. aussieht. Ich habe mich ja für ein Wacker entschlossen, aber leider keine Erfahrungen bis jetzt sammeln könnten :( Den Grund hierfür findet ihr in einem anderen Beitrag:

https://www.gut-rasiert.de/forum/index.php/topic,12712.0.html

Gruß,
neon