Euer allerbestes Rasiermesser? - Und warum es das ist.

Begonnen von UbuRoy, 24. Juni 2010, 07:55:37

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UbuRoy

Um mal wieder ein wenig Leben hier reinzubringen in diese Sauregurkenzeit... Im Forum gibt es ja kaum noch irgendwelche fachlichen Beiträge außer Rasiercremetests und AS Tests. finde ich sehr schade, also mal wieder ein bischen was messeriges!

Mittlerweile rasiere ich mich seit vielen Jahren mit meiner (seit längerem kompletten) Rasiermessersammlung.
Da es sich dabei um über hundert Messer handelt, dauerte es schon mal 5-10 Jahre, um sich ein wirklich komplettes Bild zu machen. Ich habe mehr oder weniger Buch geführt über jedes Messer und wie es rasierte, zu schärfen war etc.

Jetzt will ich Euch das überraschende Ergebnis nicht vorenthalten.
Vorab: Ich habe 105 Messer aktuell in der Sammlung. von uralten um 1780 herum bis hin zu neuen Wackermessern. Thiers Issard, Puma, Wostenholm, Bengal, W&B, Globusmann, Bartmann usw.usw. Es sind ALLE guten und namhaften Hersteller dabei und jede Menge weniger bekannte aber ebensogute.

Sehr viele von denen sind ganz hervorragend, die Sahara Rider, die Friodur, das Filarmonica usw. Wirklich wunderbare und ausgezeichnete Messer.
Da ich alle diese Messer und sicher 1500 andere selbst geschärft habe, ist sicher auch ausreichend Erfahrung im schärfen und rasieren vorhanden.
Trotzdem hat mich das Ergebnis ziemlich überascht.

Das - wirklich mit Abstand - beste Messer das ich habe, ist eines meiner ältesten. Ich schätze es auf 1820.
Ein Riesentrum von Wedge. Es ist eines meiner ersten Messer überhaupt. Ich habe anfangs Monate gebraucht, es scharf zu bekommen, kann mich gut erinnern.
Es hat eine stark lächelnde Klinge, gerade flache Hornschalen, ist äusserst schwer und massiv und hat eine kurze Angel.
Ein französischer Hersteller.

aus folgenden Gründen kann ihm kein anderes Messer bei der Rasur das Wasser reichen (es gibt in der Tat mehrere Gründe):

1. Grund:
Es ist unfaßbar sanft.
So sanft, das es sich bei gegen-den-Strich-unter-der-Nase anfühlt, als würde ich mich mit einem runden glatten Stück Metall lediglich unter der Nase streicheln.
Kann ich anders nicht beschreiben. Gegen den Strich an den Wangen spürt man absolut nichts. Man hört ein sehr sehr leises knistern. Das ist wirklich ein außergewöhnliches Rasurgefühl.

2. Grund:
Mit dem Strich ist es so gründlich, das es von allen Messern das Einzige ist, mit dem ich eine Babypopo Rasur an wirklich allen Stellen in einem Durchgang (mit dem Strich!) hinbekomme.

3. Grund:
Es rasiert an meinen Problemstellen völlig problemlos und sehr gründlich und angenehm und das liegt Eindeutig an der lächelnden gekrümmten Klinge.

4. Grund: Aufgrund des sehr hohen Gewichtes des Messer ist es ungeheuer angenehm zu führen.
Das Eigengewicht der Klinge reicht aus für die Rasur. Dadurch ist die Gefahr von Schnitten extrem gering.

5. Grund: Das Messer wird nach jeder Rasur immer besser. Da ich auf Grund meiner großen Sammlung jedes Messer nur einige male pro Jahr verwende, dauert es entsprechend, heir Erfahrungen zu sammeln. Fakt bei dieser Klinge: Nach jedem Abziehen und jeder Rasur ist es angenehmer geworden. Es hält die Schärfe trotzdem ganz hervorragend.


Ich habe viele Messer, die von 1-3 Punkte von diesen Gründen auch schaffen, einige sicher auch 4 Punkte davon, aber dieses eine ist definitiv das einzige Messer von allen in meinem Besitz, das (in meinem Gesicht) alle diese 5 Punkte schafft.

Das Messer ist wirklich uralt. Es hat praktisch Null verschliff, selbst wenn ich noch Stunden darauf rumschleifen würde, würde das nichts ausmachen. Es war sehr schwer zu schleifen, aber das ist Jahre her. Seitdem ist es eine meiner Lieblingsklingen. Und wie gesagt: Das gründlichste und gleichzeitig sanfteste, das ich je im Gesicht hatte.
Da ich mich mit fast allen Messern, die ich bisher aufgearbeitet und geschärft habe, auch rasierte, habe ich durchaus 1 tausend (womöglich mehr) unterschiedliche Messer über die Jahre im Gesicht gehabt, denke ich.

Aber dieses war und ist unerreicht und nicht der einnzige der Grund, warum ich uralte Franzosenmesser für die besten Rasierer von allen halte. ich habe noch ca. 5 weitere sehr ähnliche Klingen die alle in der obersten Liga meiner Sammlung mitspielen. die sind durch die Bank hervorragend und völlig verkannt. die meisten habe ich für 1-10 Euro gekauft... Tja, also der Beweis dafür, das der Augenschein bei Rasiermessern garantiert das falsche Auswahlkriterium ist.

http://personal.joerg-scheffler.info/html/alte_rasiermesser_39.html

So, nun seid ihr dran. Stellt Eure besten vor und verklickert mal, warum sie es sind.

Hier sind übrigens die anderen hervorragenden uralten Franzosen (einige davon hatte ich schon an anderer Stelle vorgestellt). Interessanterweise habe ich einige davon verkaufen wollen und KEINE Käufer gefunden bzw. ewig lange anbieten müssen, auch ier im Forum. Offenbar kaufen sogar hier die meisten lediglich nach äußerlichen Kriterien, obwohl ich zu den Messern immer schrieb, die seien ganz hervorragend wollte sie niemand haben mit wenigen Ausnahmen. inzwischen bin ich froh, sie behalten zu haben!  ;D dh: Und rücke sie auch nicht mehr raus.
:
http://personal.joerg-scheffler.info/html/alte_rasiermesser_115.html
http://personal.joerg-scheffler.info/html/alte_rasiermesser_120.html
http://personal.joerg-scheffler.info/html/alte_rasiermesser_111.html
http://personal.joerg-scheffler.info/html/alte_rasiermesser_105.html
http://personal.joerg-scheffler.info/html/alte_rasiermesser_98.html
http://personal.joerg-scheffler.info/html/edle_rasiermesser_170.html
http://personal.joerg-scheffler.info/html/alte_rasiermesser_101.html

eTom


Das war Gedankenübertragung, UbuRoy!
Beim Rasieren mit diesem uralten, narbigen Wade & Butcher schoss mir heute durch den Kopf, eine "hommage" an die alten Meister zu schreiben.
Mit Deiner Sammlung kann ich nicht mithalten, mit Deinen Erfahrungen auch nicht.
Ich bekam die Klinge als Beigabe, versah sie mit neuen Schalen und machte mich ans Schärfen. Lächelnde Klingen erfordern mehr Sorgfalt. Die Ergebnisse sind jedoch immer wieder verblüffend.
Äußerst sanfte Rasuren, dabei gründlich auch an problematischen Stellen. Es würde den längst verblichenen Schleifer mit Stolz erfüllen, wenn er wüsste, dass seine Klinge auch nach mehr als 100 Jahren im Einsatz ist und Freude bereitet.
Neue Messer zu kaufen ist schön; uralte Handwerkskunst mit neuem Leben zu erfüllen und manchmal auch an die Könner zu denken, die diese Messer herstellten, ist noch viel besser.
Es handelt sich bei der Rasur eher um die kleinen Dinge des Alltags, die wir hier im Forum zelebrieren. Manche sind der Meinung, wir sind ein wenig bekloppt. Dem ist sicher nicht so!
Sich Zeit nehmen für die Pflege ist Kultur.
Nehmen wir uns die Zeit, um auch unsere Söhne mit der Rasur- Kultur vertraut zu machen!

UbuRoy

#2
@eTom: Wohl formuliert!

Leider werde ich meiner Tochter die Wonnen der Messerrasur vermutlich eher nicht vermitteln können ;-) Aber ich tue mein Bestes, des Rest meiner männlichen Umgebung zu missionieren.

Klappt aber leider nur in den seltensten Fällen.
Diese alten W&B sind ebenfalls hervorragend. Habe lange geschwankt, ob ich einige davon auch in die nähere Auswahl nehme. Letztlich war der Franzose aber erstens erheblich älter und zweitens einen guten Tick gründlicher und dabei auch sanfter ;-) Und er lächelt auch stärker :-)

Übrigens habe ich einen Fehler gemacht!!!
Das Bild meines als sanftestes Messer bezeichneten Rasierers ist das falsche! Ist ein W&B.
Pardon!
Hier ist der wirkliche Star meiner Sammlung:

http://personal.joerg-scheffler.info/html/alte_rasiermesser_4.html
http://personal.joerg-scheffler.info/html/alte_rasiermesser_3.html
http://personal.joerg-scheffler.info/html/alte_rasiermesser_5.html

Kirk

Bis jetzt ist es eine 13er Klinge, ein Filarmonica Doble Temple 6/8 mit spanischem Kopf. Ein paar andere Messer riechen annähernd an dieses heran kommen aber nicht ganz mit. Natürlich fehlt mir der riesige Erfahrungsschatz von Uburoy, aber ein paar Messer habe ich auch schon geschärft und getestet (darunter auch andere Filis). Die herausragenden Leistungen dieses einen, hat aber bis dato keines erreicht. Dieses Messer fasziniert mich mit jedem Mal wo ich es verwende (da ich ca. 25 Stk. in der Rotation habe, kommt es auch nicht so oft dran), es ist so gründlich, das eigentlich ein Durchgang mit dem Strich und ein halber um die Problemzonen ums Kinn und an manchen Bereichen am Hals ausreicht, dabei aber auch sehr sanft und gutmütig. Es gibt ja auch Messer wo man bei entsprechender Schärfe sehr beim Ansetzen aufpassen muß um sich nicht kleine Nics zu verpassen. Zudem ist dieses Messer für mich perfekt ausbalanziert.

perteges

#4


Die Winkelthematik wurde in einen eigenen Strang ausgegliedert. 

Klick mich

Thomas
Mod-Team

HerbertW

Ja, die alten Franzosen. Ich gestehe, ich bin einer der wenigen, die bei Uburoys Schätzen weich wurden. Rameau et fils aus Sens / Yonne. Rostnarben, harter Stahl, aber war sehr gut ausgeschliffen, und es rasiert sehr sanft. Schade, dass ich nur das eine habe. Mal sehen, wo ich noch eines herbekomme. Sehr gern nehme ich das Ern, das ich neulich Urza abgekauft habe, und ein WB, klar, das ist gut. Ein Filarmonica 6/8 doble temple ist auch sehr schön, war heute morgen dran, nur muß man mit der scharfen Ecke vorsichtig sein. Im moment komme ich an keine Bilder ran. hole ich nach.

Ich habe zur Zeit 23 Messer in der Rotation, rasiere mich täglich mit dem Messer bis auf wenige Ausnahmen.
Ach ja, mein schönes Joseph Rodgers von Kirk liegt schon bereit für morgen.....

Iltis

Mein bester Rasierer sieht so aus:



Ein Frederick Reynolds Wedge, ca. 9/16 um 1850. Die Schildpattimitatpresshornschalen (welch ein Wort ;D) sind völlig verzogen, die Oberfläche ist vernarbt und der Vorbesitzer hat versucht, laienhaft, mit ein Dremel das zu beseitigen. Wahrlich keine Schönheit, und so wie Uburoy, saß ich sehr lange daran, das Messer scharf zu kriegen.

Was mir so gut bei dem Messer gefällt, ausser die hervorragende Rasureigenschaften, ist auch der Klingenform - zum Kopf und Erl hin, konvex, und in die Mitte nur ganz leicht lächelnd. Für das "grobe" kann man die Mitte nehmen, und für "Feinarbeit" sind beide Enden bestens geeignet - da werden auch "Problemzonen" leicht gegen Strich zu rasieren, und mit ein Gründlichkeit das nur ein paar meinen anderen Messer schaffen.

Gruß

Iltis
de gustibus, aut bene aut nihil

UbuRoy

Aah. Reynolds. Stimmt Iltis, da habe ich auch noch ein sehr gutes. Auch ein ziemlich fettes Wedge mit Gradkopf und wenig lächeln. Stimmt, ich rasier mich mit denen auch sehr gern weil die Form so genehm und praktisch ist.

Celli


bei mir teilen sich platz eins:
buddel razor nr.4   und ein altes   ford & medley 6/8

fragt´s mich bitte nicht warum, weil ich bin kein techniker, nur ein rasierer ;D  sie sind einfach sanft und problemlos zu führen und rasieren gründlich.
"MÄßIGUNG IST FATAL. NICHTS IST ERFOLGREICHER ALS DER EXZESS."    O.W.

liebe grüße von
peter

Piraten-Papa

Meine Nummer Eins ist - wie sollte es anders sein - Buddels Fine Razor. Der Status "Papa's Liebling" ist ganz einfach zu erklären: Ich konnte teilweise meine eigenen Wünsche und Ideen mit einbringen und es ist ein Einzelstück, das nur für mich gemacht wurde. Da bin ich schon a Bissl stolz drauf. ;D

Platz Zwei teilen sich drei Messer:

Forumsmesser 2009
Wade & Butcher "American Razor"
Wade & Butcher "Freedom Protected"

UbuRoy

Eigentlich ging es weniger um die hübschesten Messer, sondern vielmehr um die besten Rasierer unter Euren Messern und den persönlichen Gründen, warum Ihr sie für so gut erachtet.

Schöne Messer habe ich auch zur Genüge und alle anderen ebenso und die lassen sich hier ja auch mehr als oft bewundern.
Aber hier bitte eher die Kriterien nennen, warum gerade die hier genannten Messer Eure besten rasierer sind. Und dann kann eher nicht am Aussehen oder Customizing der Herstellung liegen...

Piraten-Papa

Zitat von: UbuRoy am 25. Juni 2010, 08:29:01
Aber hier bitte eher die Kriterien nennen, warum gerade die hier genannten Messer Eure besten rasierer sind. Und dann kann eher nicht am Aussehen oder Customizing der Herstellung liegen...

Na gut. Ein Erklärungsversuch:
- smiling blade. Mag ich lieber als gerade Schneiden.
- Erl/Angel länger als normal. Gut für's handling und die Kontrolle.
- Hohes Gewicht. Ist mir einfach lieber als kleine, leichte Messer.

Zur Schärfbarkeit des Buddel-Messers kann ich keine Auskunft geben, da es noch den "Erstabzug" hat.

UbuRoy

Ja, die lächelnden Klingen sind auch viel angenehmer beim ansetzen und vor allem an Stellen wie direkt an der Unterlippe oder direkt in den Mundwinkeln. Viel geringere Gefahr von Schnitten.
Auch an den Problemstellen neben dem Kehlkopf komme ich mit leicht gerundeter Klinge viel weiter und das auch noch einfacher und gefahrloser

Geht mir also genauso, eTom & Iltis ja auch.

Obwohl ich gerade Klingen dafür wieder an den Wangen und am hinteren Halsbereich bevorzuge sowie auch definitiv unter der Nase.

Piraten-Papa

Deswegen spielen bei mir auch die beiden W & B ganz oben mit.

eTom

#14
Ich setze immer die Brille auf, wenn ich mich mit "lächelnden" Kameraden abgebe. Die großen Flächen- Wange und Hals- erfordern dann Nachkontrolle im Spiegel. Macht mir dennoch immer unheimlich Spaß.
Die Gefahr von cuts besteht kaum. Mit meiner "Narbe" (altes W&B) habe ich mich noch nie geschnitten.
Übrigens:
Meist liegt es nicht am Messer, wenn man mit der Rasur mal nicht zufrieden ist. Meist liegt es an dem, der es in der Hand hielt.
Beim Schärfen denkt ja mancher "viel hilft viel". Ich habe die Erfahrung gemacht, dass ein gutes Messer eine gewisse Grundschärfe braucht, die entsprechend gepflegt/ geledert werden muss.
Ich bin kein Haartest-Fetischist, sondern verlasse mich einzig auf mein Gefühl. Meist passt das schon.
Weil es gestern so schön war, habe ich heute wiederum mit Genuss meine "Narbe" genutzt. Sheffield fetzt. Danke, alter Meister!

PS: UbuRoy hat vom Gewicht des Messers geschrieben. Das ist genau richtig. Die "Lands-Bulldog" von Wade & Butcher lassen sich hervorragend führen und verzeihen auch mal einen Abrutscher, ohne knietief in die Wange zu fahren.
Die Optik eines "erfahrenen" Messers ist nicht nach jedermanns Geschmack. Anfangs hat meine Frau immer argwöhnisch zugeschaut, wenn ich eine "alte Gurke" ausgewählt habe. Nachdem sie sah, wie gründlich ich die alten Gurken vor Erstbenutzung desinfiziere, hat sie mehr Vertrauen und fragt sogar nach dem Alter des Messers. Solches Interesse unserer "besseren Hälften" ist schon recht angenehm.