Der heilige Grat

Begonnen von Senser, 03. Oktober 2007, 17:01:52

Vorheriges Thema - Nächstes Thema

0 Mitglieder und 1 Gast betrachten dieses Thema.

Senser

Ich habe diesen Text schon mal andernorts geschrieben, und aufgrund eines Posts in einem anderen Thread hielt ich es für angebracht, den Text hierher zu kopieren.
Gedanken über den heiligen Grat
An anderer Stelle wurde kürzlich vom "Überschärfen" eines Messers gesprochen und ich habe eine Weile gebraucht, um rauszukriegen was es damit auf sich hat. Glaub ich jedenfalls. Das hängt meiner Meinung nach mit dem "Grat" zusammen.
Dazu muss man sich erst mal klar machen, was der Grat überhaupt ist.

Bei normalen Werkzeugen und Messern versucht man den Grat zu vermeiden weil er überhaupt keine Standzeit hat, und weil er einem  Schärfe vorgaukelt, die aber nur wenige Sekunden vorhält. der Grat ist nämlich das Material, was eigentlich gar keine feste Anbindung an die eigentliche Klinge hat.
Ein maximal scharfes Werkzeug hat ja eine mehr oder weniger keilförmige Form, welches an der Schneide eine Stärke von theoretich 0,ganz viel Nullen und irgendwann 1 aufweist. Je größer der Schneidenwinkel desto geringer ist bei richtigem Schleifen die Gratbildung, weil die auf dem Stein aufliegende Fläche genug Stützmaterial hat.
Ein Rasiermesser hat alllerdings einen extrem spitzen Winkel und das bedeutet, daß bevor der besagte Wert 0,0000...1 erreicht ist, der Stahl bereits nachgibt und der Winkel von Schleiffläche zu Schleifgut noch flacher wird. Es kommt dann der Punkt, an dem die Schärfe nicht mehr steigerbar ist. Die Schneide bietet dem Stein keinen Widerstand mehr. Im Querschnitt betrachtet würde die Schneide keilförmig aussehen mit einer geraden, parallelen Verlängerung an der Spitze, eben dem "Grat"
Wenn man jetzt weiterschleift, verlängert man diesen Grat nur noch, ohne aber zusätliche Schärfe zu erreichen, weil das Material ja wie beschrieben, an dieser Stelle nicht mehr dünner wird. Ein zu langer Grat ist aber zu gar nichts zu gebrauchen, weil er viel zu labil ist, sofort abbricht oder sich zumindest sofort umlegt. Das Messer ist überschärft und muß zunächst wieder stumpf geschliffen werden ;-(((
Besonders die extrem hohl geschliffenen Messer wie beispielsweise ein Dovo "Primaklang" sind in dieser Beziehung sehr sensibel, weil die ja sowieso schon aufgrund ihres Schliffs sehr nachgiebige Klingen haben. Ein viertel holes Messer hingegen verträgt da schon einiges mehr. Dann spielt natürlich auch noch die Beschaffenheit und die Härte des Stahls eine Rolle, aber das führt hier vielleicht etwas zu weit, und ausserdem habe ich davon nicht genug Ahnung.
Gruß Senser

Iltis

Hier ein Paar Fragen:
In der letzte Zeit habe ich öfters in Diskussionen davon gelesen "Die zweite Schneidwinkel" oder so was ähnliches zu bilden. Ist das das Gleiche als Der Grat? Ich habe davon gelesen das dieses nur durch abziehen auf ein Pastenriemen möglich ist. Allerdings in der berühmten http://www.mikroskopie-muenchen.de/cut-messer.html  wird davon abgeraten, Schleifpasten zu benutzen. Von dein Beschreibung, Senser, habe ich den Eindruck, das man der Grat auf der Schleifstein schon bildet.

Wenn das der Fall ist, ist es auch möglich, durch zu langes schleifen auf z.B. ein Grat zu bilden, das eher kontraproduktiv ist in der weiteren Schleifprozess?

Diese Fragen sind nicht nur theoretisch - ich versuche immer noch herauszukriegen woran es liegt, das ich manche Messer hervorragend scharf bekomme, wärend ich bei anderen kämpfe, ein nicht mal befriedigendes Ergebnis zu erzielen - HT klappt nur schleppend, und rasieren ist mehr Qual als Genuss.

Gruß

Iltis
de gustibus, aut bene aut nihil

urza

dan Grat kann man nicht aufdem Stein erzeugen. Der zweite Schleifwinkel ist etwas anderes als der Grat.

Vom Klingenruecken aus gesehen kommt: Klingenruecken, Hohlschliff, durch den Stein erzeugten 1. Winkel, durch Pastenriemenerzeugten 2. Winkel und zu letzt der Grat. Und in dieser Reihenfolge wird es auch Chronologisch gemacht.

Wenn sich das Forum und Mikroskopie Muenchen wiederspricht, immer auf das Forum hoeren.
,,Handle nur nach derjenigen Maxime, durch die du zugleich wollen kannst, daß sie allgemeines Gesetz werde."

    – Grundlegung zur Metaphysik der Sitten, S. 421 [Reclam S. 68]

Senser

@ Iltis
Eigentlich müßte sich der Grat schon auf dem groben Stein bilden. Dieser Grat ist aber unbrauchbar und bricht auch meistens, wenn er überhaupt entstanden ist, etwa bei dem 6000er/GBB/Thüringer wieder ab.
Uns interessiert nur der Grat, der beim Ledern entsteht. Auf der Mikroskopie Seite wird zurecht von der Verwendung von Schleifpaste abgeraten. Jedenfalls bei Kohlenstoff Stahl halte ich das letztlich für besser, vorausgesetzt, man hat Steine von ausreichender Feinheit. Gerade nachdem ich den Link von der Mikraskopieseite eingestellt habe und dann auch selbst nochmal gelesen hatte, fiel mir ein, dass wir viel zu lange und intensiv über die ganzen Pasten, Tricks und den Voodoo diskutiert haben.
"Back to the roots" sagte ich mir und habe ein Dorko aufgearbeitet. 6/8" Vollhohl. von 1000er über 2000er AOTO über GBB über 8ooo er King über 10.000 er King. Und jetzt nur den unbehandelteten Juchtenriemen etwa 30 Züge je Seite.
PERFEKT, absolut PERFEKT
Der zweite Schneidwinkel?  Der entsteht im Laufe des Lederns und stellt mM nach mehr eine Verrundung dar als einen Winkel. Ob der aber bei der theoretischen Betrachtung der Schneide eine Rolle spielt, möchte ich bezweifeln. Das heißt doch! Wenn die Verrundung zu weit fortgeschritten ist, sollte das Messer wieder auf den Stein.
Gruß Senser

Iltis

@ Senser und Urza: Ich glaube, ich komme die Sache näher, nur weiss ich nicht ob ich an der 2. Winkel so richtig glaube. Weiss es jemand, wo man ein Bild von eine Facette mit 2. Winkel sehen kann? Ich habe auch irgendwo in www.badgerandblade.com ein Video gesehen, wo ein Mitglied nur auf ein GBB, Leinenseite und dann Lederseite seines Riemens ein Messer zu HTS gebracht hat, nur KANN ICH ES NICHT :-(((
@ Senser: was ist AOTO?
gruß
Iltis
de gustibus, aut bene aut nihil

urza

#5
Auf einer Rasier Klinge kann man gut sehen, dass sie zwei Schnittwinkel hat.
,,Handle nur nach derjenigen Maxime, durch die du zugleich wollen kannst, daß sie allgemeines Gesetz werde."

    – Grundlegung zur Metaphysik der Sitten, S. 421 [Reclam S. 68]

Iltis

Zitat von: urza am 03. Oktober 2007, 19:19:14
den zweiten Schnittwinkel habe ich das erste richtig gut bei einer Rasierklinge gesehn die in den Hobel kommt.
@urza: Tut mir leid, diese Satz verstehe ich nicht; meinst du das du erst bei einer Rasierklinge die 2. Winkel , oder die 1. Winkel gesehen hast, ist für mich nicht klar aus dein Text zu lesen. Rasierklingen werden aber nicht auf verschiedene Steine und dann Leder rasierfertig gemacht (obwohl ich gestehen muss, wie die geschliffen werden ist mir unbekannt - habe mich damit nicht auseinandergesetzt), also ihr Geometrie ist nicht unbedingt mit das eines Rasiermesser zu vergleichen.
Gruß
Iltis
de gustibus, aut bene aut nihil

urza

So ist es eindeutiger. Da ich meine Messer immer auf Stossledern abziehe habe ich einen sehr kleinen zweiten Winkel. Diesen habe ich noch nie gesehen, auch nicht mit einem vergroessereungs Objektiv, Wie im alt. Forum beschrieben.  Habe gerade ein Messer ueber verschiedene Riemen gezogen und weder den zweiten Winkel noch einen Grat erzeugen/sehen koennen.
,,Handle nur nach derjenigen Maxime, durch die du zugleich wollen kannst, daß sie allgemeines Gesetz werde."

    – Grundlegung zur Metaphysik der Sitten, S. 421 [Reclam S. 68]

Senser

@ Iltis
Aoto ist der Name eines Natursteins aus Japan. Körnung etwa 2000. Hervorragende Schärfleistung und bei Dick zu beziehen.

Ich würde mich nicht so lange mit dem 2. Schnittwinkel beschäftigen. Der entsteht zwangsläufig beim Ledern.
Stellt euch vor, das Leder wird von der Schneide ganz leicht eingedrückt und wenn die Schneide über das Leder gezogen wird, dann entsteht un,ittelbar hinter der Schneide eine Stelle, wo das Leder wieder seine eigentliche Form annimmt und dabei entsteht ein anderer Winkel. Das kann man noch verstärken, indem man den Riemen lockerer hält.
Eben dabei entsteht der Grat der für uns von Bedeutung ist. Die Kunst ist nun, den Moment zu erwischen, wo sich dieser Grat so eben gebildet hat und dann aufzuhören. Macht man dann weiter, so hat man die Klinge überschärft, was heißt, dass der Grat zu lang geworden ist und nach wenigen Zügen beim Rasieren abbricht.

Iltis

@ Senser: verstehe ich das richtig, das man auch durch zu langes ledern eine Überschärfe erzeugen kann? ich habe immer verstanden, das man dazu ein Schleifmittel dazu braucht. Auch hast du irgendwo (glaube ich) davor gewarnt, mit Kieselerde auf mattiertes Glas (Bartistos Methode) kann man auch eine Überschärfe produzieren. Wenn der Grat nur auf ein Streichriemen zu erzeugen ist, und Überschärfe ein zu langes Grat ist kann man meines erachtens durch Politur der Facette (ich bevorziehe Zahnpaste) nicht Überscharfen (wenn es das Wort gibt...). Wie siehst du das?
Gruß
Iltis
de gustibus, aut bene aut nihil

urza

In welche Richtung fuehrst du deine Polierbewegungen?
,,Handle nur nach derjenigen Maxime, durch die du zugleich wollen kannst, daß sie allgemeines Gesetz werde."

    – Grundlegung zur Metaphysik der Sitten, S. 421 [Reclam S. 68]

Iltis

@ Urza: Ich poliere wie ich schleife, mit Schneide voraus (hoffe, das ist verständlich) Polieren und Schleifen unterscheiden sich nur in der Körnung der Schleifmittel - ich denke, man könnte ein 8000er Stein genausogut ein "Polierstein" als "Schleifstein" benennen.
Gruß
Iltis
de gustibus, aut bene aut nihil

matjes

@Iltis
Hab ich nicht mal irgendwo gelesen, daß man mittels Zahnpasta auf einem Spiegel in Kreisbewegungen fährt? Oder narrt mich wieder mein Gedächtnis?

Gruß
Matjes

Senser

@ Iltis
Ich glaube nicht, dass man durch zu langes Ledern ein Messer überschärfen kann. Tatsache ist allerdings, dass ein unbehandelter Lederriemen auch honende Wirkung hat. Dadurch verrundet die Schneide im Laufe der Zeit.
Die Warnung für Überschärfen mit Kieselerde stammt übrigens von Bartisto selbst, ist aber auf jeden Fall angebracht.
Zahnpasta enthält Schlemmkreide, weshalb die Zähne ja hinterher auch blinken (sollten). Schlemmkreide ist auch ein ganz feines Schleifmittel.
Aber wann, wo und wie ein Grat entsteht hängt von verschiedenen Faktoren ab. Die Härte des Stahls, die Form des Schliffs, die Art des Stahls, die Schärfe und die Härte des Steins usw. Im Laufe der Zeit bekommt man schon auf dem 1000er Stein ein Gefühl für das Material und daraus ergibt sich das weitere Vorgehen.
Ich empfehle zunächst mal ohne Pastenriemen zu arbeiten. Wenn es dann nicht funktioniert, kann man diesen Arbeitsgang immer noch einschieben. Die Kieselerde Methode ist auf jeden Fall gut wenn man a) keine feineren Steine als bespielsweise 6000er Körnung hat. oder b) wenn ein Messer schlapp macht, man aber nochnicht auf den Stein möchte. In diesem Fall kann man auch 1 Mal die Kieselerde Methode einschieben. Damit aber nicht zu lange warten.
Bei mir tendieren derbe Messer mehr zum Pastenriemen als vollhohl geschliffene. Als Kriterium ist das aber nicht ausreichend.
Und nochmal: Back to the roots.
Stein und Leder, manchmal auch Holz (Balsaholz/Abachi/Meranti)
Gruß Senser

Senser

Zitat von: matjes am 04. Oktober 2007, 17:57:19
@Iltis
Hab ich nicht mal irgendwo gelesen, daß man mittels Zahnpasta auf einem Spiegel in Kreisbewegungen fährt? Oder narrt mich wieder mein Gedächtnis?
Gruß
Matjes
[/font]
@ Matjes
Niemals Nie Nicht Never Jamais solltest du ein Werkzeug in kreisenden Bewegungen schärfen!!!!!
Gruß Senser